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Mariazeller Dialog: Mehr Ethik in der Umweltforschung
Mittwoch, 17. Februar 2010
Von jeher fasziniert wissenschaftlicher Fortschritt und weckt zugleich Hoffnungen: Das scheinbar unerschöpfliche Potenzial der in den verschiedensten Entwicklungsstadien befindlichen Umwelttechnologien gilt in der öffentlichen Wahrnehmung als der Motor für den Aufbau von „Green Jobs“, die – nicht zuletzt von der Politik aktiv gefördert – den durch die Globalisierung ausgelösten Strukturwandel in der Industrie abfedern helfen sollen. Doch die auf den ersten Blick nur positiven Aspekte der Grünen Technologien bedürfen einer ethischen Evaluierung, um unerwünschten Nebenwirkungen vorzubeugen. Der Mariazeller Dialog 2010, ebenso wie im Vorjahr organisiert von der steirischen Forschungsgesellschaft Joanneum Research, widmete sich in einem zweitägigen Symposium dem breiten Spektrum der mit dieser komplexen Thematik verbundenen Fragen. In diesem Sinne betonte JR-Geschäftsführer Dr. Bernhard Pelzl die gesamtgesellschaftliche Wichtigkeit des Themas: „Die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft ist angesichts der aktuellen Kontroversen rund um die Klimadebatte der IPCC oder den Verbrauch von Nahrungsmitteln als Treibstoff höchst prekär geworden. Der Aspekt der Ethik ist für die Naturwissenschaft und ihre Ziele jedoch von eminenter Bedeutung und nicht an irgendwelche anonymen Instanzen delegierbar, sondern diese muss aus ihr selbst kommen.“
Der diesjährige Mariazeller Dialog ging daher folgerichtig aus einer Kooperation der Joanneum Research bzw. ihrer Arbeitsgruppe „Ethik in Forschung und Technik“ mit der steirischen Umwelttechnik-Plattform Eco World Styria hervor und stand ganz im Zeichen der Rolle von Ethik an den Brennpunkten der aktuell „heißen“ Entwicklungen. Insgesamt rund 100 Experten aus Forschung, Politik und Wirtschaft nahmen am 21. und 22. Januar an den Vorträgen und Diskussionspanels im Mariazeller Europeum teil.

Wissenschaft braucht moralisches Fundament.
Die Steiermark hat sich mit ihren vielen Universitäten, Forschungseinrichtungen sowie innovativen Unternehmen als Forschungsland international einen Namen gemacht, nicht zuletzt in den zukunftsträchtigen Bereichen Umwelttechnik, erneuerbare Energien und Ressourcenmanagement, betonte Wissenschaftslandesrätin Mag.a Kristina Edlinger-Ploder zum Auftakt der Veranstaltung: „Forschung bedeutet qualitätvolle Arbeit sowie den bestmöglichen Einsatz ihrer Ergebnisse, und nicht die blinde Umsetzung von allem, was technisch möglich ist.“ Das gelte insbesondere für einen globalen Paradigmenwechsel hin zu nachhaltigerem Wirtschaften und die Schaffung von „grünen“ Arbeitsplätzen. Auf den ersten Blick gute Errungenschaften seien oft zweischneidig, wie die Diskussion rund um die „Agrartreibstoffe“ und als fatale Folgewirkung gestiegene Lebensmittelpreise in Ländern der Dritten Welt eindringlich vorzeigten.

Das Wachstum und seine Grenzen.
Trotz beeindruckender technischer Entwicklungen sind der Ausbeutung natürlicher Ressourcen auf einem immer dichter bevölkerten Planeten Erde in absehbarer Zeit Grenzen gesetzt, resümierte Dr. Friedrich Hinterberger, Sustainable Europe Research Institute in Wien, das Dilemma eines auf Wachstum ausgerichteten Wirtschaftssystems: „Allein die Umsetzung der notwendigen Einsparungen zum Stoppen des Klimawandels macht in der Zukunft eine Konzentration auf nachhaltigere Arbeitsplätze zur unabdingbaren Notwendigkeit, um weiterhin gute Lebensstandards für alle zu sichern.“
Aufs Engste verknüpft mit einer Kritik an der radikalen Energieverschwendung der westlichen Industrienationen ist die Frage nach einer Einschränkung der individuellen Verbrauchsgewohnheiten der Bürger. Mehr Energieeffizienz und der Ausbau der erneuerbaren Energien könnten die Zauberformel für den Weg zu einer deutlichen Reduktion der CO2-Emissionen ohne Verzicht auf Bequemlichkeit sein, betonte Dr. Gerfried Jungmeier von der Joanneum Research. Für Mag. Michael Cerveny (ÖGUT/Wien) führt trotzdem kein Weg am unpopulären Thema des Verzichts vorbei, da nicht nur die „Lagerstätten der fossilen Treibstoffe begrenzt, sondern auch die ökologischen Ressourcen bzw. die Biodiversität nur mehr begrenzt belastbar“ seien. Ein drohender Kollaps der Energieversorgung sei nur mehr durch das Zurückschrauben unserer seit Jahrzehnten eskalierenden Verbrauchsgewohnheiten zu verhindern.

Die Renaissance der Verantwortung.
Die Begriffe Renditemaximierung und Spekulationssucht haben in den vergangenen Jahren weite Bereiche der Wirtschaft gekennzeichnet. Ein Themenblock der Mariazeller Dialoge widmete sich daher der moralischen Verantwortung des Unternehmers in einer nach wie vor von kurzfristigem Gewinnstreben und „Quartalsdenken“ geprägten Welt. Der Unternehmer DI Dr. Klaus Woltron (Wien) schilderte die bestimmenden Megatrends der näheren Zukunft wie Bevölkerungswachstum, Finanzkrisen, Energieverbrauch und Klimawandel. Seine Beteiligungsgesellschaft Minas GmbH konzentriert sich bei ihren grünen Investitionen an innovativen Klein- und Mittelunternehmen auf wirtschaftlich interessante Umweltthemen wie Smart Energy oder Elektromobilität konsequent an ethischen Prinzipien nachhaltigen Wirtschaftens und nicht am schnellen Euro.
Der Grazer Theologe Univ.-Prof. Dr. Leopold Neuhold betrachtet seine Beratungstätigkeit in der ethisch verantwortungsvollen Veranlagung für grüne Investmentfonds als eine sinnvolle Dienstleistung: „Geld bildet ein Mittel für gute Zwecke und darf nicht zum Ziel für sich selbst werden.“ Für Hans Roth, Chef der Saubermacher AG, zählt in seinem Bereich ebenfalls Nachhaltigkeit mehr als die reine Gewinnmaximierung, dennoch bilde eine „beständige Wertentwicklung und das Erschließen neuer Geschäftsfelder die Grundlage für nachhaltiges Unternehmertum“.


Ethisches Bewusstsein als Voraussetzung für Handeln. Am Abschluss der Veranstaltung stand die durchaus provokativ zu verstehende Frage nach „der Rolle der Natur- und Ingenieurswissenschaften für die Rettung der Welt“. Scheinbare Fortschritte würden unverhofft zum zweischneidigen Schwert, erläuterte Wilfried Bommert (WDR Umweltredaktion/Köln) an einigen Folgen der Globalisierung: „Die Konzentration auf nur wenige Kulturpflanzen, wie Mais, Weizen oder Soja, mit immer höheren Hektarerträgen birgt auch das Risiko für Hungerkatastrophen in sich. Pflanzengentechnik und Agrochemie richten oft mehr Schaden als Nutzen an.“ Angesichts der Unwilligkeit der politischen Entscheidungsträger sei die „Watchdog-Funktion“ der Wissenschaften selbst umso wichtiger, um Fehlentwicklungen rechtzeitig aufzeigen zu können, ebenso wie die Rolle der Medien als unabhängige Verbreiter entsprechender Informationen.
Die Proteste der Umweltschützer seit den siebziger Jahren hätten zu einem geänderten Bewusstsein geführt, erklärte Wolfgang Pekny (Plattform Footprint, Wien), das schließlich politische Reaktionen und entsprechende Gesetze zur Folge hatte. Er bedauerte, dass „leider heute diese ‚Systemstörer‘ wieder zunehmend am Pranger stehen“, wenn sie mit Formen des Aktionismus auf Missstände aufmerksam zu machen versuchen, aber die Umweltethik dürfe nicht als Feigenblatt eines „nice to have“ missbraucht werden.
| Josef Schiffer
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