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Die Annenstraße: besser als ihr Ruf
Mittwoch, 17. Februar 2010
In einem Kooperationsprojekt haben sich die TU Graz und die Karl-Franzens-Universität der früher florierenden Einkaufsstraße angenommen. Architektur- und Soziologie-studenten haben gemeinsam einen Fragebogen entwickelt, PassantInnen, BewohnerInnen sowie Geschäftsleute befragt und anhand der Ergebnisse Visionen für die Annenstraße erarbeitet. Es wurden 341 PassantInnen sowie Geschäftsleute befragt, kombiniert mit qualitativen Interviews, Beobachtungen und einer sozialstatistischen Analyse des Untersuchungsgebiets. Gefragt wurde nach Tätigkeiten in der Annenstraße, ihrer Wahrnehmung sowie nach Wünschen / Visionen für die Annenstraße. Mit dem Ergebnis, „das Schlimmste, was der Annenstraße passieren könnte, wäre, dass sich nichts verändert“, so Soziologin Dr.in Sabine Haring. „Ein zentrales Thema ist die Ansässigkeit. Je länger die Menschen hier leben, desto deutlicher ist die Erinnerung an die ehemals prachtvolle Einkaufsstraße. Die derzeitige Situation wird als Verfall betrachtet“, ergänzt Historikerin Dr.in Monika Stromberger.

Wünsche und Visionen.
„Mehr grün“ ist etwas, was sich die große Mehrheit der befragten Personen in der Annenstraße wünscht. Ebenso stark ist das Bedürfnis nach Verkehrsberuhigung – die Annenstraße wurde oft als dreckig, grau und laut beschrieben, gefolgt von konkreten Vorschlägen wie breitere Gehsteige und Radwege oder Errichtung einer Fußgängerzone. Manche Leute wären bereits mit dem Aufstellen von Bänken sehr zufrieden, bisher ist der Esperantoplatz der einzige Ort, wo man sich kurz niederlassen kann.
Obgleich die glorreiche Zeit der prachtvollen Einkaufsstraße vorbei ist, würden viele die Annenstraße gerne als Shoppingmeile sehen. Voraussetzung dafür: ein besserer Branchenmix und mehr regionale Spezialitätenläden sowie Gastronomie.
Fast ein Drittel der Wohnbevölkerung des untersuchten Gebiets verfügt über eine nicht-österreichische Staatsbürgerschaft. Die Integrationspolitik der Stadt Graz wird oft als unzureichnend kritisiert, Projekte, die die Kulturen einander näherbringen sollen, würden gerne gesehen.
Wider Erwarten der Befragenden wird die Lebensqualität in der Annenstraße allgemein als gut eingestuft; die gute Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz und die Vielfalt an Lebensmittelgeschäften spielt dabei eine große Rolle ebenso wie die zentrale Lage zwischen Innenstadt und Bahnhof.

Utopie vs. Dystropie.
Ausgehend von diesen Informationen sind von Architekturstudenten unter der Leitung von Dr. Monika Stromberger, Institut für Geschichte (Uni Graz), und Dr. Ulrich Tragatschnig, Institut für Stadt- und Baugeschichte (TU Graz), drei unterschiedliche Typen von Projekten entwickelt worden: Zum einen die architektonische Umgestaltung der Annenstraße betreffend, zum anderen eine Art Bestandsaufnahme sowie Projekte, die in der Zukunft spielen. So entstanden Straßenraumkonzepte, die Imagekampagne „I like Annenstraße“, eine 3D-Animation, die das Potenzial des Handels der Annenstraße zeigt, Vorschläge für die temporäre Nutzung zahlreicher Hinterhöfe und Parkplätze, eine Zeitung aus dem Jahr 2014 oder eine Radio-
sendung aus dem Jahr 2020 zum Thema Gemeinwesensarbeit; mit einem Kommunikationszentrum am Esperantoplatz wird auch auf die Vielfalt des Viertels Bezug genommen. Auch das Bild einer verlassenen, unbewohnten Straße, zurückerobert von der Natur als wuchernder Großstadtdschungel wurde gezeichnet.

Vier Tage lang waren die Ergebnisse in einem leeren Geschäftslokal in der Annenstraße 46 zu sehen und die Ausstellung erfreute sich regen Zulaufs. Anwohner kamen ebenso wie Personen, die an der Befragung teilgenommen und gespannt auf die Resultate gewartet hatten, sowie Kunst- und Architekturinteressierte. Auf www.annenstrasse.info kann man alle Projekte und Untersuchungsresultate noch einmal anschauen.
| Yvonne Bormes
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