Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Die Zeitung polstert
Mittwoch, 17. Februar 2010
Kopfzeile von Martin Novak

Von Außenpolitik verstehe ich rein gar nichts. Darum habe ich lange gezögert, über etwas zu schreiben, von dem man vermuten könnte, es handle sich um Außenpolitik – nämlich den Wandel der öffentlichen Wahrnehmung Barack Obamas. Aber Georg Hoffmann-Ostenhof hat mich ermutigt, diese Skrupel fallenzulassen; er schrieb nämlich kürzlich nicht nur über den US-Präsidenten, sondern auch über Apples elektronisches Lesegerät, den iPad, über den GHO zu diesem Zeitpunkt nicht mehr wissen konnte, als das Präsentationsfilmchen, einige Websites, Medieninformationen und die Artikel von Technikjournalisten verrieten. Er zog einen bemerkenswerten Schluss: „Was mich … vom iPad überzeugt …, ist die Perspektive, dass es das erste massentaugliche E-Book sein könnte. Gewiss, der Kindle von Amazon ist ein Verkaufshit. Aber die Lektüre auf seinem Bildschirm ist ein eher freudlose Angelegenheit – grau in grau, ohne Fotos, geschweige denn Videos. Ein Spielzeug für Bücherwürmer.“
Dem könnte man natürlich entgegenhalten, dass auch die in 325 Millionen Exemplaren aufgelegten „Harry Potter“-Romane freudlos sind und die viele Seiten im profil, insbesondere die Kommentarseiten. Man könnte einwerfen, dass die iPad-Präsentation den Amazon-Aktienkurs beflügelt hat, weil das iPad „nicht … das Zeug zum ‚Kindle-Killer‘ hat“ (Die Presse). Aber darum geht es gar nicht. In besagtem Kommentar (dessen Titel „Yes, we pad“ kann mit „Ja, wir polstern aus“ treffend übersetzt werden kann) lässt Hoffmann-Ostenhof uns wissen, dass er die iPad-Präsentation und Obamas Rede an die Nation in „mit heißem Herzen“ verfolgt habe. Zwar ist  auch Hoffmann-Ostenhof nicht entgangen, dass Obamas Beliebtheitswerte „abgesackt“ sind. Was GHO aber nicht daran hindert, eine pubertäre Schwärmerei zu pflegen. „Politisch klug“, „stilistisch meisterhaft“ und „rhetorisch stark“ sei der Präsident – kurz (wie Jobs) „ein überaus starker Typ“.  Nichts gegen Obama. Aber ein paar Fakten wären doch angebracht. Dass er vor einem Jahr die besten Umfragewerte eines US-Präsidenten seit John F. Kennedy hatte und derzeit kaum weniger schlechte hat als Georg W. Bush kurz vor dem Ende seiner zweiten Amtszeit, könnte doch ein Anlass für die „Coolheit“ sein, die der profil-Außenpolitiker Obama attestiert.
Dass Obamas Absturz in der Beliebtheit der AmerikanerInnen weniger Folge seiner Unerfahrenheit als der unwirtlichen Rahmbedingungen ist, klingt schlüssig. „Wenn die Wirtschaft brummt, wenn kein Krieg droht, schätzen die Bürger einen Typ Politiker, der das Geschäft nicht besonders gut beherrschen muss, solange er unterhaltsam ist“, schreibt der deutsche Politologe Thomas Meyer (im freudlos grauen Buch „Mediokratie“). Und Obama war gar nicht nur unterhaltsam. Kompetent und diszipliniert, dennoch unorthodox, habe er in diesem Jahr agiert, und Schwachsinn weitgehend vermieden, bescheinigt ihm der Economist.
Dennoch hat er die große Mehrheit enttäuscht. „Vor einem Jahr haben die Amerikaner eine Ikone gewählt (…). Bekommen haben sie aber einen Politiker“, sagt Reymer Klüver in der Süddeutschen Zeitung. Dass Obama und sein Team der Heiligenverehrung nicht früher einen Riegel vorgeschoben haben, mag man ihnen vorhalten. Dafür müsste aber Obama tatsächlich jene übermenschlichen Tugenden besitzen, die ihm zugeschrieben wurden. Vermutlich hätte das dennoch nicht geholfen. Manche polstern den Politiker ja immer noch zur Ikone aus.

|Martin Novak

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