Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Der Luxusradweg
Freitag, 18. Dezember 2009

Kreative Stadt Entwicklung (17) - von Harald Saiko

Fast 3,6 Millionen Euro für 1,43 Kilometer Radweg kostet es, das ehemalige Messe-Areal mit Geh- und Radwegen zu erschließen. Allein der Rückkauf kostet bis zu zwei Millionen Euro. Der Stadtrechnungshof kritisiert das Projekt als zu kostspielig. Denn die Stadt muss Grundstücke teuer von der Neuen Heimat und GWS ablösen, die das Areal von der stadteigenen Messe 2007 gekauft haben. Schon vor einem Monat kritisierte SP-Klubchef Karl-Heinz Herper das Vorhaben von Verkehrsreferentin Lisa Rücker (Grüne) als „Luxus in Zeiten der Budgetnöte“ und ließ das entsprechende Gemeinderatsstück von der Tagesordnung nehmen.

Ein Skandal, so simpel, dass es sogar das lokale Printmedienmonopol versteht und druckt. Der Klubchef ein Held, der Rechnungshof mit scharfem Blick. Da hilft auch nix, wenn die Verkehrsreferentin allein gelassen unkt „das Areal muss für Fußgänger und Radfahrer erschlossen werden. Leider wurden beim Verkauf 2007 wesentliche Fragen nicht mitverhandelt, das rächt sich jetzt bei den Grundstücksverhandlungen.“ Und was nicht falsch ist, muss noch lange nicht weiterhelfen sowie der Klubchef höchstens ein Held des Vergessens ist und der scharfe Blick des Rechnungshofes nur Kurzsichtige beeindruckt. Gemeinsam ist ihnen die unerträgliche Leichtigkeit einer unverbindlichen Tagespolitik à la „Was schert mich mein Geschwätz samt Beschlüssen von gestern“. Denn der wahre Luxus ist real existierende Kommunalpolitik wie diese: Vertreter von Luxusparteien stützen jahrelang Luxuschefs in Luxusposten der Grazer Messe, die trotz satter Gehälter und Eintrittskartenfälscherei vom jahrelangen Stillstand direkt in die Insolvenz managen, welche im Frühjahr 2001 nicht mehr zu verbergen war. Und weil der Luxus einer 110-Millionen-Geldspritze zur Rettung schlecht unter der Proporzdecke zu verstecken war, musste man auflösen, was jahrzehntelang sakrosankt schien: Altverträge, Erbpachten, längst überholte Tradition, auch wenn ein paar Luxuspensionen fällig waren. Eine Chance durch die Krise für die Stadt, nachdem man ausnahmsweise jene zu Rate zog, die nicht dem Luxus frönen sondern lieber dem öffentlichen Interesse. So wurde im Mai 2001 vom Verfasser dieser Zeilen mit Fachämtern der Stadt in aller Eile eine Disposition der Messe erstellt. Die Grundlage zur Durchschlagung des gordischen Luxusknoten Messe Graz lautete, einen urbanen Stadtteil mit Wohnungen, Büros und Grün statt eingezäuntem Schotterfeld für Herbst- und Frühjahrsrummel zu schaffen. Mitten drin die neue Stadthalle samt Support als kleine feine Kernzone eines multifunktionalen Veranstaltungs- und Congresszentrums. Durch den Verkauf der Grundstücke rundherum könnte man die Rettungsmillionen zurückverdienen und den entstehenden neuen öffentlichen Raum sichern und gestalten, samt Fuß- und Radwegen. In 3 Phasen wurden die Hausaufgaben der Stadt samt Radwegrouten aufgezeigt. Da waren alle dafür, aber freilich, genauso schnell wie die Gemüter beruhigt und die Millionen überwiesen waren, kehrte die unerträgliche Leichtigkeit der Grazer Kommunalpolitik wieder ein: Die Lokalredaktion im Printmonopolapparat diffamierte es als naive Träumerei. Die Parteiapparate wollten zum Luxus einer großen Messe in altem Stil zurück und gaben sinnlos Planungsgeld und Zeit dafür aus. Der Verwaltungsapparat arbeitet untertänig, da und dort gegen die eigene Überzeugung, aber im Zweifelsfall für die ruhige Kugel ohne Konflikt. So sind acht Jahre verstrichen, um im Jahre 2009 doch dort angelangt zu sein: Wohnungen und Büros sind nach üblichem Muster in Bau, Stadthalle samt Support wie vorhergesagt auf ein sinnvolles Minimum reduziert. Nur die Hausaufgaben der Stadt und die paar Quadratmeter für die Radler sind nicht da. Der vom Gemeinderat beschlossene Deal mit dem öffentliche Raum und den Radwegen ist vergessen oder besser: fahrlässig unterlassen? Und nun zurückkaufen, was einem gehörte und vergessen wurde, einzubehalten? Sind wir in Schilda oder was? Da mag Graz in den 80er-Jahren Vorreiter für eine fahrradfreundliche Verkehrspolitik gewesen sein, da mögen Rikschas als Fahrradtaxis, City- und Beamtenbikes die mediale Aufmerksamkeit erheischen, da mag über die Herrengasse, allerdings nur zwischen 20 und acht Uhr morgens, oder den Stadtpark als Radtransit verhandelt werden, gemessen am ergebnislos versenkten Steuergeld wegen der paar Fuß- und Radwege durch die Messe Graz ist das, mit Verlaub, nur Augenauswischerei. Wie lange kann sich eine Stadt diese Kommunalpolitik und ihre jahrelangen Umsonst-Kosten für kein Egebnis eigentlich noch leisten? Ein wahrer Luxus, nur wegen 1,43 Kilometer Radweg.

Architekt DI Harald Saiko, geboren und aufgewachsen in Graz, Studium in Graz und Paris. Büro für Architektur.Stadt.Kultur. Von 2001-2004 im Auftrag der Stadt Graz als Berater bei der Entwicklung des Messeareales tätig.

Die bisher erschienenen Kolumnen von Harry Saiko wurden im Mai 2009 in der KORSO-Sondernummer stadtFORUM publiziert. Sie können in der Redaktion (korso@korso.at oder unter 0316/822883) bestellt werden.  
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