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Lebensgeschichten aus 22 Jahren |
Freitag, 18. Dezember 2009 | |
Der Verein ZEBRA arbeitet im Spannungsfeld von Migrations- und Asylpolitik – und feiert ein ungewöhnliches Jubiläum. Auf die üblichen Jahrestage hat ZEBRA, Interkulturelles Beratungs- und Therapiezentrum in Graz, immer wieder vergessen. Erst zum besonders runden 22-jährigen Bestehen wurde nun gefeiert. Und zwar auf eine spezielle Art: Zehn KünstlerInnen arbeiteten mit zehn ZEBRA-KlientInnen zusammen. Eineinhalb Jahre ist es her, dass die KuratorInnen, Martin Behr, Margarethe Makovec und Anton Lederer, die einzelnen Paare zusammenbringen konnten. Die Biografie der KlientInnen wurde dabei zum Ausgangspunkt für die entstandenen Kunstwerke, die nun im <rotor> zu sehen sind. Zu einem bestimmten Zeitpunkt in ihrem Leben haben diese Menschen die Hilfe von ZEBRA in Anspruch genommen – heute stehen viele auf eigenen Füßen, haben sich etwas aufbauen können, erzählen ihre „Lebensgeschichten“, die die wertvolle Menschenrechtsarbeit von ZEBRA widerspiegeln. Für die Zukunft leben… Die künstlerische Kooperation fand dann in ganz unterschiedlichen Intensitäten statt. Markus Wilfling arbeitete mit Arif Kryeziu, selbst Künstler aus Bosnien, sehr eng zusammen. Ihre Ideen sind nach intensiven Gesprächen zu einem Gästepatschenmandala verschmolzen – drei Tage haben sie im Ausstellungsraum gemeinsam mit der Form gerungen, haben das Haus-Schuhwerk bis auf das Grundgerüst seziert. Und ganz nebenbei die Kommunikation zweier verschiedener Kulturen vorgelebt. Martin Osterider folgte in einer Fotoserie dem Tagesablauf von Kingsley Gunasekera, der in seinem Lokal „Park“ in der Volksgartenstraße beweist, dass diese Kommunikation durchaus auch kulinarisch vonstatten gehen kann. Edda Strobl war besonders vom fröhlichen Charakter ihrer aus Angola stammenden Partnerin Marcelina Massarico fasziniert – die junge Frau, die das Leben liebt, hat sie farbstark im Comicstil umgesetzt und in symbolischer Form mit Glaube, Liebe und Hoffnung versehen. Das Künstlerduo G.R.A.M traf auf Metin Okyay, der seine Vergangenheit hinter sich gelassen hat. Nur auf den Familienfotos wirkt sie in die Gegenwart, aber Metin Okyay möchte in die Zukunft blicken. So wurde ein altes Schwarz-Weiß-Foto mit Metins Sohn und seinen Freunden nachgestellt. Und die neue Generation mit den Posen und dem linken Slogan der Älteren konfrontiert – „Die, die kämpfen, sind die, die leben“. Andreas Leikauf überschreibt sein Portrait von Yolla Issaka Andankete mit den Worten „life is easy“. Es könnte räumlich aber genauso als Frage gelesen werden: „is life easy“? Denkt man an die hetzerischen Medienberichte über AfrikanerInnen in Österreich, drängt sich wohl eher die Frage auf. Mit Medienbildern arbeitet auch Andrea Schlemmer, die Abdullahi Osman aus Somalia auf Werbefahrt nach Österreich schickt: erster Preis ein ausgefüllter Asylantrag. In österreichische Kitschidyllen verpflanzt sieht man Herrn Osman in seinen Lebenswelten: bei der Müllabfuhr, als Fußballtrainer und in typischer Landestracht. Er lebt heute als anerkannter Flüchtling in Salzburg. Behutsame Handarbeiten. Katharina Buschek und Max Gansberger haben Albert Antwi Tieku in Linz besucht, wo er zu Hause und Gemeinschaft gefunden hat. Für ihn sind es besonders die guten Eindrücke, an denen er festhält. Sinnsprüche, stolz in seiner afrikanischen Volkssprache vorgetragen, haben die Künstler mit Gestaltungselementen aus europäischen Spruchtüchern verwoben und gemeinsam mit der evangelisch-methodistischen Kirchengemeinde in Linz handwerklich umgesetzt. Marie D. Neugebauer hat nach jedem Gespräch mit der Perserin Behnaz Refabhaksh das Gehörte in kleinen Zeichnungen verarbeitet, diese ausgeschnitten und eine Sammlung begonnen. Mit Stecknadeln und in durchsichtigen Kästchen wurden die Eindrücke, wie zarte Schmetterlinge geborgen und werden nun auf einem Tischchen dem Besucher dargebracht. Wen das Erlebte nicht loslässt. Viele versuchen, die schrecklichen Bilder zu vergessen, die sie aus ihrer Heimat vertrieben haben. Oft sind diese Bilder zu tief eingebrannt. Eva Helene Sterns Partnerin leidet an den traumatischen Erlebnissen ihrer Flucht aus dem Bosnischen Bürgerkrieg, wo sie drei Monate im Keller verbringen musste. Sie möchte anonym bleiben. „Wie will man sich anmaßen ein solches Leben zu beurteilen“, so die Künstlerin, die ihre Arbeit sehr symbolisch anlegt: Mit Wasser aus der Heimatstadt in Bosnien gießt sie nun in Glasscherben und Quarzsand gepflanzte Blumen, arrangiert unter einem alten Tisch aus dem feuchten Keller und über und über mit schwarzen Bündeln bedeckt. Der Maler Josef Schützenhöfer wurde von Ali Gullali in seinem Atelier in Hartberg besucht. Entstanden ist ein beinahe lebensgroßes Portrait einer kaum festzumachenden Persönlichkeit, die in der Luft schwebt: Weil sie noch nicht angekommen ist, noch an den Folgen leidet, die Folter und Krieg anrichten können. Therapeuten von ZEBRA begleiten Ali – auch auf dem Portrait stützen sie sein Leben. Monumente für die Gepeinigten. Aber auch für jene, die sich ihrer annehmen. Tag für Tag. Die „Lebensgeschichte(n)“ sind bis 13.02.2010 im Kunstverein <rotor> zu sehen. | Eva Pichler
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