Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Klimagipfel im Supermarkt
Freitag, 18. Dezember 2009

Briefe aus Absurdistan - von Robin Hut

Hallo, alter Freund!
Wie geht’s dir im fernen Südsudan? Wieder ein neues Land, unter afrikanischen Umständen Projekte hochziehen, um helfen zu können.  Wie geht´s den Menschen dort, wie werdet ihr ihnen helfen können? Was uns hier betrifft, sage ich dir ganz ehrlich: Zur Zeit scheint mir, als würden auch hier viele Menschen zumindest einen Denkanstoß brauchen können.

Das beginnt bei der Schmierenkomödie, die sich in den Wochen vor dem Weltklimagipfel abspielt. Da die Wissenschaft weltweit dringend Maßnahmen gegen den Klimawandel einfordert, werden im Gegenzug Geschichten in den Medien verbreitet, wonach alle diese Forscher weltweit quasi in Absprache den Klimawandel sehr, sehr stark aufgeblasen, wenn nicht gar erfunden haben. Ein paar Hacker hätten das ihrem E-Mailverkehr entnommen. Ging rund um die Welt, alle, die dem Thema überhaupt Aufmerksamkeit schenken, haben davon gehört.
Das weiß ich nämlich ganz genau. Das letzte Mal habe ich die Geschichte am Wochenende beim Einkaufen gehört. Angesichts mehrerer Damen, die gerade vor den Obst- und Gemüseregalen ihre Auswahl trafen. Übermütig unterhielten sich meine Geliebte und ich über die Ecke von den Salatregalen bis zu den Obstmetern darüber, dass es ja nicht notwendig sei, genau jene Zitronen auszuwählen, die statt einige hundert viele tausende Kilometer weit angereist seien. Und wie gut es uns doch ginge, dass wir es uns leisten können, dafür darüber hinwegzusehen, dass erstere um 10 Cent das Stück teurer seien.
Das fuhr erwartungsgemäß mitten in die Damenherzen und von dort weiter in die gepflegten Hände. Die zuckten zurück vor der Petersilie aus Spanien und gedachten kurz der Oma, die bei einer solchen Herkunft des Gartenkräutls wohl Verachtungsvolles geäußert hätte von wegen „wozu man die wohl von so weit her holen solle?“ Die andere Hand legte sogar den soeben entnommenen Salat zurück zu seinen Geschwistern. Und dann beachtete ihre Trägerin vielleicht zum ersten Mal den Hinweis auf dem Preisschild über das Geburtsland der Pflanzen. Im nächsten Schritt wurden rund um uns Blickachsen des Einverständnisses hergestellt und im übernächsten rückte man vor den Kartoffeln zusammen. Zuerst Gemurmel und dann nach einer uns gewidmeten Erhöhung der Lautstärke ebendiese Geschichte von den Forschern.
Wir waren zu dem Zeitpunkt schon vor den Regalen mit den Milchprodukten und beobachteten von dort aus verstohlen lächelnd, wie zur Bekräftigung des Einvernehmens Champignons aus der Ukraine in alle drei Einkaufswagen wanderten. Beim Nachhausegehen scherzten wir dann darüber, dass wir damit vielleicht sogar neue Freundschaften begründet hatten und die Damen jetzt gerade unter dem seit Wochen wolkenlos blauen Novemberhimmel und frühlingshaften Temperaturen zu Beginn der Adventzeit am Supermarktparkplatz ihre neu gefundene Seelenverwandtschaft erstmals damit bekräftigten, dass „das mit dem Klimawandel noch lange nicht erwiesen sei“.

Aber sie würden sich immer daran erinnern, wie ihre Freundschaft begonnen hatte, weiß dein
Robin Hut
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