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Ach, Willi
Freitag, 18. Dezember 2009

Kopfzeile - von Martin Novak

Keiner macht Fehler. Zumindest nicht gerne. Das gilt ganz besonders für Journalistinnen und Journalisten. Deren Fehler sind so unangenehm öffentlich. Dennoch passieren sie, weiß der Fehlerteufel warum. Im Schnitt 4,5 pro Zeitungsseite.

Das kann man behaupten, seit ein gewisser Howard Tyner, Chefredakteur der Chikago Tribune, in den 90ern seiner Zeitung über mehrere Jahre hindurch ein systematisches Fehlermanagementsystem aufzwang. Dank des offenbar rigoros verfolgten Projekts hat sich die Zahl der Fehler letztendlich auf durchschnittlich 2,5 pro Seite drücken lassen. Eine Nahezu-Halbierung der Fehlerzahl ist kein schlechtes Ergebnis, aber „angesichts heutiger Sparzwänge alles Schnee von gestern“, klagt der Schweizer Medienprofessor Stephan Russ-Mohl in seinem jüngst erschienenen Buch „Kreative Zerstörung“ (Konstanz 2009).

Die Hälfte, vielleicht sogar zwei Drittel aller Fehler mögen vermeidbar sein, wie Tyner laut des ehemaligen Präsidenten der American Society of Newspaper Editors, Robert J. Haiman, bilanziert haben soll. Aber auch theoretisch vermeidbare Fehler können praktisch unvermeidlich sein. Das sage ich aus wiederholten eigenen Erfahrungen mit Fehlern, über die ich ungern rede. Es schade nämlich der Reputation, wenn man „gewissenhaft berichtigt“,  während andere „fünfe gerade sein lassen“ (Russ-Mohl). Beispiel gefällig: In einer der an dieser Stelle erschienenen Kolumnen, in der allerersten sogar, habe ich einen gewissen Willi Brandt erwähnt, den es vielleicht sogar geben mag, der aber im Gegensatz zum tatsächlich gemeinten Willy Brandt sicher nie deutscher Bundeskanzler war. Der Fehler mag lässlich sein, und vermutlich würde ich auch jetzt noch nicht darüber reden, das falsche ‚i‘ vielleicht sogar vergessen haben, wenn es sich nicht sogar in der im Vorjahr in Buchform erschienenen Kolumnensammlung auf Seite 18 wiedergefunden hätte. Obwohl alle Texte vorab von vier, tatsächlich vier, Korrektoren (einer davon sogar staatlich geprüft)  – das sagen sie zumindest  –  penibel gegengelesen worden waren.
Ein fünfter hat den Fehler dann doch gefunden, sogar recht flott, aber leider erst im fertigen Buch. Mit dem Online-Medienjournalisten Jack Shaver (der soll das über Zeitungen gesagt haben, nicht über Bücher) bin ich der Meinung, dass ich in der Kosten-Nutzen-Analyse der Fehlervermeidung das erreicht habe, „was sinnvollerweise erreicht werden kann“. Die richtige Schreibweise des Vornamens Willy gehörte offenbar nicht dazu. Weil ich diese Niederlage jetzt aber offenbart habe, und zwar vollständig und aufrichtig, entspreche ich zumindest in zwei von drei Punkten den von Haiman vorgegeben Standards für die Richtigstellung von publizistischen Irrtümern. Dass ich es auch, wie er in seinen Handbuch über den fairen Umgang mit dem Publikum verlangt, umgehend gemacht hätte, nehme ich nicht für mich in Anspruch.
Und gar so viele Verschreiber gibt es hier ja auch nicht: Zumindest nicht so viele wie in der deutschen Lokalzeitung Nordkurier, die sich  – so berichtet die Zeit  – von einem Leser 28 Fehler vorwerfen lassen musste. Was nicht so schlimm wäre, hätte der sie nicht auf der Titelseite einer einzigen Ausgabe entdeckt.
Wobei: Dieses Risiko haben viele Zeitungen ja bereits deutlich reduziert. Durch sehr wenig Text und sehr große Fotos auf dem Cover.
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