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Von Krebsen, Löwen und Skorpionen
Mittwoch, 18. November 2009

Aufwärtshaken – Das Sportfeuilleton - von Gregor I. Stuhlpfarrer

„Wir werden in einem vorausbestimmten Augenblick geboren, an einem vorausbestimmten Platz, und haben, wie der Jahrgang eines Weines, die Qualität des Jahres und der Jahreszeit, in der wir zur Welt kamen. Nicht mehr und nicht weniger behauptet die Astrologie.“ Diese Feststellung stammt weder von der österreichischen Sternen-Kaiserin Gerda Rogers (Sternzeichen: Steinbock) noch ist sie Teil der Astro-Seite der Sonntagskrone, die uns stets darauf vorbereitet, dass wir in der kommenden Woche „Verhandlungsgeschick in einer beruflichen Angelegenheit“ unter Beweis stellen werden, auf unsere „Gesundheit achten“ sollen und gleichzeitig „einen prickelnden Flirt mit einem aufregenden Zwilling“ erwarten dürfen. Dieser Ausspruch stammt von jemand anderem, nämlich von Carl Gustav Jung (Sternzeichen: Löwe), dem 1961 verstorbenen Begründer der Analytischen Psychologie.

Jung, ein ehemaliger Schüler Siegmund Freuds (Sternzeichen: Stier), setzte sich mit dem kollektiven Unbewussten auseinander sowie dem Prozess der Individuation und schuf Begriffe wie Extraversion und Introversion. Und: Jung beschäftigte sich danach, davor und zwischendurch mit Astrologie. Noch dazu: wissenschaftlich. Damit wagte er sich auf extradünnes Eis vor, ist doch die Akzeptanz für esoterischen Hokuspokus mit den universitären Ansprüchen der Alma mater nur schwer unter einen Hut zu bringen. Jung untersuchte unter anderem, unter welchen – astrologischen – Vorbedingungen Menschen zusammenpassen, miteinander harmonieren.
Ob, wann beziehungsweise warum Menschen miteinander harmonieren, das ist auch für jene Sportarten von Belang, in denen ein ganzes Team um den Erfolg rittert. Und genau diese Annahme dürfte wohl auch der Grund für das Astrologie-Spleen des französischen Fußball-Teamchefs Raymond Domenech sein: Weihsagungen und Entsprechungen, die auf bestimmten Konstellationen uns umgebender Himmelskörper beruhen, darauf schwört der graumelierte 57-Jährige. Von Anfang an machte er aus dieser unorthodoxen Vorliebe für die Sterne kein Hehl: „Mein Name ist Raymond Domenech. Ich trainiere ab sofort unsere Nationalmannschaft und bin Wassermann, Aszendent Jungfrau“, sagte er im Jahre 2004, als er der versammelten Journalistenmeute als neuer Nationaltrainer vorgestellt wurde. Vor wichtigen Spielen konsultiert Domenech schon mal seinem Leib-Astrologen, die Sternzeichen seiner Kicker stehen dabei im Fokus seines Interesses. Angetan ist Domenech – und damit wohl auch sein astrologischer Berater – seit jeher von all jenen Fußballern, die im Sternzeichen Krebs sind: Zinédine Zidane, Fabien Barthez, Patrick Vieira oder Éric Abidal hatten demnach stets einen Stein im Brett, sind sie doch allesamt zwischen dem 22. Juni und dem 22. Juli zur Welt gekommen. Dagegen sind Skorpione nahezu ein No-Go für den Sternen-Trainer: Als er als junger Coach Ende der 1980er Jahre Olympique Lyon trainierte und sich der Erfolg nicht und nicht einstellen wollte, notierte Domenech erstmals die Sternzeichen seiner Spieler und stellte fest, dass sich im Kader seiner Truppe nicht weniger als sieben Skorpione befanden. „Also musterte ich alle Skorpione bis auf einen Tormann und einen Stürmer aus.“ Das Ergebnis dieser Aktion konnte sich sehen lassen: Nur ein Jahr nach dieser Sternen-Revolution errang Domenechs bereinigte Truppe den Meistertitel.

Gregor Immanuel Stuhlpfarrer ist Historiker, Theologe und KORSO-Redakteur.
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