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Mönche, Menhire und mysteriöse Höhlen
Mittwoch, 18. November 2009
Es begann mit einem kuriosen Fund – einem alten Plan, der 1976 auf dem Dachboden eines oststeirischen Bauernhofs in einer alten Kanonenkugel entdeckt wurde. Es handelte sich dabei um die Kopie einer Karte von geheimnisvollen Verbindungsgängen zwischen dem Stift Vorau und verschiedenen Orten der Umgebung.

Auf Grundlage dieser Skizze und weiterer Informationen begann der Höhlenforscher und Althistoriker Dr. Heinrich Kusch im Herbst 2006 gemeinsam mit seiner Frau Ingrid die Erforschung dieser unterirdischen Anlagen. Eine erste, reich bebilderte Dokumentation ihrer Tätigkeit erschien vor kurzem unter dem Titel „Tore zur Unterwelt“ im Grazer Verlag V. F. Sammler.

Fluchtwege und Kulträume. Im Untergrund des Stiftes Vorau erstreckt sich nach derzeitigem Erkenntnisstand ein weitverzweigtes Netz von Hohlräumen, deren Zweck noch nicht restlos geklärt ist. Die Zugänge zu den Gängen und Räumen wurden nach den Untersuchungen von Heinrich Kusch in späterer Zeit aufwändig mit meterdicken Abmauerungen verschlossen – die Gründe dafür bleiben unklar.
Mit kostenaufwändigen Probebohrungen und mittels Bodenradar war es möglich, ein Gesamtbild des Gangsystems, das sich über mehrere Ebenen erstreckt, zu erstellen. Dazu gehört auch eine schon 1172 urkundlich erwähnte Krypta, „die später wahrscheinlich durch eine Überflutung mit Sedimenten verfüllt wurde und bis heute verschollen ist, aber im Zuge der Grabungen durchaus wieder zugänglich gemacht werden könnte“, berichtet Kusch. Unterirdische Wege führten ehedem aus dem Kloster in Kirchen und Bauernhöfe in der näheren Umgebung, die Eingänge in die Unterwelt sind bis heute deutlich erkennbar, aber in den meisten Fällen vermauert oder verfallen. Diese wurden in der bisherigen Forschung als Fluchtwege gesehen und ins Spätmittelalter datiert, könnten aber wesentlich älter sein, mutmaßt Kusch.

Lochsteine und Kapellen. Für seine aufgrund der wenigen konkreten Bodenfunde noch vorsichtig formulierte These gibt es zumindest eine Reihe von Indizien, argumentiert Kusch: Zum einen weisen die Steinmauern in den Gängen eine teils verblüffende Ähnlichkeit mit Konstruktionen der Megalithzeit (1.500 bis 4.500 v. Chr.) auf, zum anderen gibt es auffallende Übereinstimmungen der unterirdischen Verläufe mit „Lochsteinen“ (senkrechte Steine mit auffälligen Bohrungen) und Menhiren, die ebenfalls aus vorgeschichtlicher Zeit stammen dürften. Die bis heute noch nicht enträtselten Lochsteine finden sich in auffälliger Konzentration im Vorauer Raum vielfach an auffälligen Punkten, wie Kapellen, an denen Abstiege in die unterirdischen Gänge gefunden werden konnten. Bislang ist im Zuge von Sondierungen durch Kusch und sein Team ein zehn bis 15 Kilometer langes Wegenetz nachgewiesen worden, das sich bis ins Grazer Bergland erstrecken könnte. Die Erdgänge sind heute an vielen Stellen durch die Belastung schwerer Traktoren und Erntemaschinen eingestürzt, aber an anderen Abschnitten ziehen sich die Gänge durch den nackten Fels.

Ungelöste Datierungsfragen. Der Bau dieser in den harten Granit oder Quarzit gehauenen Stollen liegt ebenfalls im Dunklen, denn nach den Berechnungen von Kusch hätte ein einziger Laufmeter Gang viele Tage Arbeit von erfahrenen Bergleuten erfordert. Einen der wenigen konkreten Anhaltspunkte liefert das in situ gefundene Bruchstück einer vermutlich jungsteinzeitlichen Silexklinge, die noch von Mineralogen des Joanneums auf ihre Herkunft analysiert wird. Steirische Fachleute, wie Dr. Bernhard Hebert, Bodendenkmalpfleger am Bundesdenkmalamt, äußern sich zweifelnd zum prähistorischen Ursprung der Gänge und halten deren Erbauung als „Erdställe“ im Spätmittelalter für wahrscheinlicher. Dr. Manfred Lehner vom Institut für Archäologie an der Universität Graz hat die mittelalterliche Keramik, die in den später als Abfallgruben genutzten Stollen deponiert wurde, analysiert und sieht vorerst keinen Anlass eine frühere Entstehung der Stollen anzunehmen. Kusch verspricht sich von weiteren Forschungen in dem unterirdischen Labyrinth jedenfalls noch „eine Reihe von sensationellen Funden, die eine Neubewertung der Vorgeschichte der Steiermark erforderlich machen würden“.

| Josef Schiffer

Ingrid und Heinrich Kusch: Tore zur Unterwelt. Das Geheimnis der unterirdischen Gänge aus uralter Zeit. VFS Verlag, 2009, 208 Seiten

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