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Exzellentes dramagraz-Debut im neuen Haus
Mittwoch, 18. November 2009
1977 schrieb Samuel Beckett das Stück „A piece of Monologue“ für den Schauspieler David Warrilow, der sich „ein Stück über den Tod“ gewünscht hatte... Ein alter Mann – weißhaarig, bekleidet mit weißem Nachthemd und weißen Bettsocken – spricht über die 30.000 Nächte umfassende Spanne zwischen seiner Geburt und dem – ganz offensichtlich unmittelbar bevorstehenden – Tod; Nächte, die bloß durch zwei Dinge gegliedert sind: das ewig gleiche Ritual des Ganges zum Fenster und das umständliche Anzünden einer Öllampe. Auch die Erinnerungen, über die der Sprecher berichtet, sind immer die gleichen: Begräbnisse, die aus der Vogelperspektive betrachtet werden, graue Flecken an der einstmals weißen Wand, die jene Stellen bezeichnen, an welchen einst die Bilder der „geliebten Wesen“ hingen, die nun in Stücke zerrissen beim Staub und den Spinnen unterm Bett liegen.
Verletzlichkeit. Ernst Marianne Binders Inszenierung, zum ersten Mal gezeigt anlässlich der Eröffnung der neuen Räumlichkeiten von dramagraz in der Schützgasse 16 am 22. Oktober, reduziert das minimalistische Werk weiter und gibt ihm dadurch noch eine zusätzliche Bedeutungsebene: Aufs weiße Nachtgewand wird schlichtweg verzichtet, der Sprecher (brillant: Rudi Widerhofer) ist nackt, die Erinnerung an die Geburt  und ihre Kontrastierung mit dem Lebensende („Birth was the death of him“) wird dadurch noch augenfälliger – ebenso die Verletzlichkeit des Menschenwesens, das da in eine kleine Spanne Leben hineingeworfen wurde, die es mit ewig gleichen Ritualen ausfüllt. Die wenigen Dinge, auf die immer wieder Bezug genommen wird – die Lampe, das Fenster, die weiße Wand – sind nicht als materielle Gegenstände präsent, nur als wiederkehrende Worte im Redefluss des Sprechers.
Äußerst stimmig auch die life auf der Bühne von Josef Klammer mit Hilfe von Stimmgabeln und Klangstäben induzierten und im Zusammenspiel mit einem Computer zu fernöstlich-meditativ anmutenden Minimal-Sounds kompilierten Klänge, die in die Aufführung hinein- und wieder aus ihr herausbegleiten. Ein außergewöhnlicher Abend, der Ernst M. Binders Bedeutung für das Grazer Theaterleben eindrücklich unter Beweis stellte.

Als zweiten Opener im neuen Haus zeigte dramagraz Ernst Jandls „aus der fremde“, eine Aufführung, die vom Publikum mit ebenso großem Applaus bedacht wurde wie die Beckett-Premiere. Auch hier galt ein Gutteil des Lobes den exzellenten Akteuren Werner Halbedl, Rudi Widerhofer und Ninja Reichert.
 | Christian Stenner
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