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„Die SPÖ muss sich sozial stärker profilieren“ |
Mittwoch, 18. November 2009 | |
Am Rande des SPÖ-Landesparteitages Mitte Oktober sprach der neue Landtagspräsident Kurt Flecker mit Gregor I. Stuhlpfarrer über die Krise der Sozialdemokratie und den anstehenden Landtagswahlkampf. Seine Kritik gegenüber Parteivorsitzenden Werner Faymann nimmt Flecker dabei nicht zurück. Die Krise der Sozialdemokratie ist in ganz Europa sichtbar. Warum gelingt es ihr in Krisenzeiten offenbar nicht, Protestwählerstimmen zu binden? Ich glaube, wir haben es als Sozialdemokratie verabsäumt, uns überhaupt zu internationalisieren. Es gibt nämlich keine europäische Sozialdemokratie und schon gar keine europäische Linke. Wenn man sich die verschiedenen sozialdemokratischen Parteien in Europa ansieht, wird man von links bis rechts der Mitte alles finden. Wichtig wäre es, auch auf europäischer Ebene einiges anders zu konstruieren: Meiner Meinung nach sollte das europäische Parlament eine deutlich Aufwertung erfahren und systemisch eingreifen können. Dann könnten dort jene Probleme angepackt werden, die in den einzelnen Mitgliedsstaaten auftreten. Das ist zurzeit aber nicht der Fall, denn die EU ist noch immer dominiert von nationalen Interessen und nicht von positiv geführten ideologischen Diskussionen über konkrete Problemstellungen. Ist die Sozialdemokratie mitunter zu eitel, um die Populismuskeule auszupacken? Ich glaube nicht, dass die Hemmschwelle die Populismuskeule ist, ich glaube aber, dass es eine schlechte inhaltliche Vorbereitung der Sozialdemokratie gibt. Denn niemand weiß wirklich, wo sie hin will. Ich frage mich: Gibt es die Aussage, dass das System, das wir zurzeit haben, das erst unlängst zusammengebrochen ist und jetzt wieder ganz gleich aufgebaut wurde, eigentlich das System ist, das die Sozialdemokratie will oder wollte? Hier müsste einmal grundsätzlich eine Entscheidung fallen. Wenn man sagt, dass es dieses System nicht ist, dann müssten die Alternativen ganz klar aufgezeigt werden. Nach der verlorenen Wahl in Oberösterreich haben Sie Parteivorsitzenden Werner Faymann massiv kritisiert. Was würden Sie sich von Faymann wünschen? Ich würde mir eine Politik wünschen, die sich nicht an einem Medium anhängt. Nehmen Sie nur zwei Ereignisse der letzten Woche her: Bei der Eröffnung des Europa-Hauses in Wien hat Werner Fayman durch Abwesenheit geglänzt. Dieses Europa-Haus wurde ganz zufällig von der Kronenzeitung stets kritisiert. Auf der anderen Seite lässt Faymann in der Gratis-Zeitung Heute, die zum Krone-Konzern gehört, ausrichten, dass dann, wenn Vaclav Klaus eine Änderung des Lissabon-Vertrages durchbringt, in Österreich eine Volksabstimmung darüber abzuhalten ist. Jetzt weiß aber wirklich jeder, dass Vaclav Klaus nie so weit gehen kann und so weit gehen wird. Trotzdem wird in einem Krone-Medium die Krone-Politik durch den Bundeskanzler bestätigt. Das sind Schritte, die wir als staatstragende, traditionsreiche Partei in diesem Land nicht notwendig haben. Auf der anderen Seite würde ich mir wünschen, wir würden uns sozial stärker zu profilieren. Mir wäre es lieber, die Frage ob es eine Koalition mit der FPÖ geben soll, nicht auf JA oder NEIN zu reduzieren, sondern dass wir uns mit der Politik der FPÖ auseinandersetzen und diese Politik angreifen. Was jetzt passiert, ist, dass wir sagen, wir wollen nicht koalieren, in Wirklichkeit häkeln wir besonders in der Integrationsfrage aber nach. Sollte die SPÖ zum Beispiel auch die so genannte Ausländerfrage stärker thematisieren und positive Aspekte der Zuwanderung explizit betonen? Ich meine, dass man das Thema Zuwanderung zuerst einmal in zwei Themenkreise splitten sollte: Da wäre erstens der Themenkreis Asylpolitik und zweitens den Bereich der Integration. Da soll man klare Standpunkte entwickeln, aber nicht einfach Zuwanderung als Querschnittsthema über alle anderen Themen wie Wirtschaft, Soziales und Sicherheit darüberstülpen. Wenn das nämlich so strukturiert bleibt, dann wird die FPÖ immer mit einer sehr primitiven Hetze landen können. Würde auf Bundesebene ein Ressort für Integration da weiterhelfen? Ich hielte es für wünschenswert, dass dieses Thema aus dem Einflussbereich des Innenministeriums wegkommt. Bei der Wichtigkeit, das dieses Thema hat, wäre es nur logisch ein sichtbares Ressort zu haben, das dieses Thema abarbeitet und den Menschen näherbringt. Im Übrigen glaube ich auch, dass es nicht schaden würde, würde Österreich ein eigenes Europa-Ressort haben, denn die EU ist ja bekanntlich das große unbekannte Wesen. Es wäre notwendig, dass wir uns hier einklinken. Wird Kurt Flecker als Landtagspräsident in Zukunft eher den Moderator im Hintergrund geben oder wird es immer wieder – auch vor dem Hintergrund der anstehenden Landtagswahlen – kritische Wortmeldungen geben? Der Landtagspräsident ist eine politische Funktion wie jede andere auch. Dazu gehört es, Sitzungen korrekt zu leiten, dazu gehören auch legislative Aufgaben. Weil ich von einer Partei vorgeschlagen wurde, hat diese Funktion aber auch eine parteipolitische Tragweite. Daher werde ich mich natürlich auch zu parteipolitischen Themen querbeet zu Wort melden. Also, Sie sehen, ich bin kein Moderator, ich bin auch nicht nur Kommentator, sondern ich möchte auch ein Agitator sein.
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