Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Der Bauer in den Zeiten der Überproduktion
Mittwoch, 18. November 2009

Während die vergangenen Jahre bei den Lebensmitteln von wilden Preissprüngen geprägt waren, sind heuer die Einkünfte für landwirtschaftliche Produzenten auf neue Tiefststände gesunken. Verantwortlich dafür sind (zu) gute Ernten und als Folge der Wirtschaftskrise weltweite Überkapazitäten. Besonders drastisch stellt sich die Situation für viele österreichische Milch- und Obstbauern dar, deren Existenz angesichts der EU-weiten Überproduktion auf dem Spiel steht.

Wirtschaftkrise bewirkt Verbrauchsrückgänge. Beim Dienstalk diskutierten am 20. Oktober über dieses brisante Thema Landwirtschaftskammerpräsident Gerhard Wlodkowski, SPAR-Geschäftsführer Erwin Schmuck und OPST-Vorsitzender (Obstpartner Steiermark) Gerhard Meixner. In der Rolle der Moderatorin fungierte erstmals ORF-Redakteurin Dr. Gisela Hopfmüller.
Die Analyse der gerade für die heimische Landwirtschaft schwierigen Situation ist angesichts der weltwirtschaftlichen Zusammenhänge durchwegs einfacher als das Auffinden von Patentrezepten. Wlodkowski referierte über die rapide Verschärfung der Preisentwicklung: „Binnen nur eines halben Jahres hat sich durch die Wirtschafts- und Finanzkrise die Marktlage komplett gewendet. Die osteuropäischen Länder haben an Konsumkraft eingebüßt und treten zunehmend als Exporteure in Erscheinung. Die Preise für Milch und Äpfel sind als eine Folge davon massiv verfallen, fast ebenso stark auch auf dem Getreidesektor.“

Mehrwert der Regionalität. Eine Gegenstrategie zum Preisverfall skizzierte Meixner von der Erzeugerorganisation OPST: „Wir orientieren uns verstärkt an der Schiene Qualität und Regionalität und versuchen dadurch zu erreichen, dass alle Beteiligten profitieren: die Landwirte, der Lebensmittelhandel ebenso wie der Konsument. Die Spezialisierung auf bestimmte Sparten hat die Landwirte zu Profis in der Lebensmittelproduktion gemacht, trotzdem sind hohe Flexibilität und ein zweites Standbein in vielen Fällen unverzichtbar.“ Hilfreich ist der Konsumpatriotismus der Österreicher, also „der Wille des Konsumenten, zum Qualitätsprodukt zu greifen, der bei uns besonders ausgeprägt ist, auch wenn beim Einkauf die Verlockung durch billigere Produkte gegeben ist“.

Positionierung heimischer Erzeugnisse. Diese durch Marktforschungen erhärtete Tendenz verhilft inländischen Produkten selbst in den Regalen der großen Supermarktketten zu begehrten Plätzen. Schmuck (GF Spar Steiermark und Burgenland) betonte den starken Österreichbezug seiner Handelskette: „Steirische Produkte erfreuen sich großer Beliebtheit und deswegen bemühen wir uns auch, diese in gewohnt guter Qualität zu erschwinglichen Preisen anzubieten.“ Als weitere Maßnahmen seien die Spannen reduziert und mehr Geld in die Werbung geflossen. Man werde bei SPAR weiter auf Regionalität setzen, was nicht zuletzt durch die hohe Anzahl an freien Kaufleuten, die sehr intensiv auf die lokalen Bedürfnisse und Wünsche ihrer Kunden Rücksicht nehmen, begünstigt würde. Allein in der Steiermark will man im kommenden Jahr rund 65 Mio. Euro investieren.

Anhaltender Preiskampf schadet Erzeugern. Trotzdem gestaltet sich die Lage alles andere als rosig für die bäuerlichen Produzenten. Der Preisdruck im Großhandel sei anhaltend hoch, nicht zuletzt deshalb, weil sich alle großen Handelsketten weiterhin auf dem Expansionstrip befänden, gab sich Wlodkowski illusionslos. Ein Weg in die Zukunft besteht seiner Ansicht nach für die klein strukturierte Landwirtschaft Österreichs vor allem darin, auf individuellere Produkte zu setzen und Innovationen aufzugreifen. Das zeigt sich etwa auf dem Biosektor, wo die Entwicklung trotz krisenbedingter Verlangsamung immer noch äußerst positiv verlaufe. Bei den Bioäpfeln wird nach Jahren der Nettoimporte aus Italien Österreich in Bälde die Inlandsnachfrage selbst decken können, berichtete Meixner. Diese hoffnungsvollen Ansätze in einigen Bereichen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele im EU-Vergleich kleine Bauernhöfe auch zukünftig Förderungen erhalten müssen, um ihre strukturellen Nachteile auszugleichen.


 | Josef Schiffer

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