Die Zeitung von gestern |
Mittwoch, 18. November 2009 | |
Kopfzeile - von Martin Novak Neue Technologien schauen anfangs oft ziemlich alt aus. Vermutlich war es Ende des 18. Jahrhunderts weit komfortabler, mit einem Segelschiff der damals letzten Generation zu reisen als mit dem ersten Dampfschiff. 100 Jahre später waren Kutschen für Fahrten in die Sommerfrische wohl dem Marcus-Wagen vorzuziehen. Im Kurier wurde das populärste und seit kurzem auch in Österreich ausgelieferte E-Buch-Lesegerät einen Tag vor der Ersterscheinung des elegant-bunten und großformatigen Kurier-Supplement „mein Sonntag“ besprochen – nicht ohne darauf hinzuweisen, dass auch der Kurier in einigen Monaten in einer E-Paper-Version vorliegen werde. Nun muss man wissen, dass der Amazon Kindle eine hellgrau-dunkelgraue Lesefläche von neun mal zwölf Zentimetern bietet. Das entspricht etwa einem achtelseitigen Inserat im Kurier. Damit reduziert sich die Zeitung auf das Wesentliche: eine Spalte, eine Schriftart (die sich Sehschwache allerdings vergrößern können). Damit wird Zeitung wieder in etwa das, was sie zur Zeit der ersten Dampfschiffe war – eine kaum strukturierte Textwüste. Unter diesen Umständen wird selbst die Lektüre der keineswegs bildlastigen deutschen Wirtschaftswoche (die man bereits abonnieren kann) ein ausschließliches „Lese“-Vergnügen. Sollte auch die Bildzeitung elektronisch verfügbar werden, bekommen Schlagzeilen wie die nach der deutschen Regierungsbildung „So haben Sie unsere Kanzlerin noch nie gesehen“ eine ganz neue Bedeutung. Für die schöne Formulierung „Vom süßen Teenager zur mächtigsten Frau der Welt“ müsste die Zeitung mit den süßesten Aufmachern der Welt den Bildbeweis schuldig bleiben. Zumindest vorerst.
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