Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
„Wir verändern die Welt“
Freitag, 16. Oktober 2009
Die brasilianische Soziologin und Schauspielerin Barbara Santos war 18 Jahre lang Koordinatorin des vom im Mai verstorbenen Regisseur und Theatermacher Augusto Boal gegründeten „Zentrums des Theaters der Unterdrückten“. Sie wird beim WeltForumTheaterFestival in Österreich mehrere Workshops leiten – unter anderem einen in Graz. Mit Barbara Santos sprach Christian Stenner.
Die internationale „Theater der Unterdrückten“-Bewegung  mit ihren verschiedenen Ausprägungen – „FORUM-Theater“,  „Legislatives Theater“, „Unsichtbares Theater“  usw. versucht mit den Mitteln der szenischen Darstellung Menschen zu unterstützen, ihre Interessen gegenüber den Mächtigen und Herrschenden zu artikulieren. Im Augenblick erleben wir gerade eine globale Krise, die wieder auf dem Rücken der Armen in aller Welt ausgetragen wird – kann das FORUM-Theater auch in diesem globalen Zusammenhang politisch wirksam werden?
Ja, weil unsere Bewegung international und auf allen fünf Kontinenten vertreten ist. Bei unserer letzten internationalen Konferenz letzten Juli in Rio de Janeiro waren TeilnehmerInnen aus 28 Ländern.
Man darf aber nie vergessen, was Boal sagte: Das FORUM-Theater ist ein Werkzeug, ein Schlüssel, aber umdrehen und das Schloss öffnen müssen die Menschen. Das FORUM-Theater ist ein Werkzeug, dass den Menschen hilft, die Strukturen eines Konfliktes zu verstehen und zu erkennen, dass jedem Problem auch eine Möglichkeit innewohnt, es zu überwinden. Und zu erkennen, dass eine Niederlage nicht das Ende von allem bedeutet, weil man immer wieder aufs Neue eingreifen kann.

Auch dann, wenn es gegen so mächtige Gegner wie international organisierte Konzerne oder Finanzinstitutionen geht?
Ja, weil die Menschen durch das FORUM-Theater merken, dass sie diesen Gegnern nicht als Individuen gegenüberstehen, sondern als Teile einer Gruppe mit ähnlichen Interessen – und weil ihr Selbstbewusstsein und ihr Selbstwertgefühl steigen, wenn sie ihre Forderungen artikulieren lernen.

Das klingt alles sehr optimistisch …
Ja, FORUM-Theater ist eine sehr optimistische Methode, wir verändern die Welt. Wir haben z.B: in Mozambique geschafft, die Menschen dazu zu bringen, die von NGOs angebotenen AIDS-Tests zu absolvieren. Und dabei kommen dann auch alle anderen Probleme zur Sprache, die das Land hat – von der schlechten öffentlichen Gesundheitsversorgung bis hin zur Korruption und der mangelnden politischen Partizipation.

Wo liegen die Grenzen des FORUM-Theaters?
Dort, wo Hunger und extreme Gewalttätigkeit herrschen – aber auch in diesen Situationen haben wir eine Chance, wenn die Menschen durch die FORUM-Theater-Intervention kollektiv tätig werden. Und manchmal ist es ja so, dass Menschen dazu neigen, den Grund für ihre Probleme ausschließlich auf einen Außengegner zu projizieren, obwohl sie zum Teil doch unter ihrer eigenen Kontrolle sind. Das haben wir zum Beispiel in Palästina erlebt.

Was erwarten Sie sich vom FORUM-Theater-Festival in Österreich?
Den Nachweis, dass die FORUM-Theater-Bewegung auch nach dem Tod Augusto Boals weiterexistiert. Und Diskussionen darüber, wie wir in Hinkunft eine qualitativ hochwertige Ausbildung in unseren Methoden sicherstellen können.
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