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Post-Apokalypse am Niger-Delta |
Freitag, 16. Oktober 2009 | |
Die Ausstellung „Real Energy World“ im Forum Stadtpark beschäftigt sich mit der Abbildung einer konkreten Katastrophe: Internationale Pressefotografien, Arbeiten aus der Region und aktuelle Dokumentarfilme rücken das ökologische, soziale und humanitäre Desaster des Niger-Deltas in Folge der Erdölförderung durch internationale Konzerne ins Bild. Die Intention des Kulturprojekts „Real Energy World“ ist ambitioniert: Mit Hilfe von drei Modulen – einer Ausstellung im Forum Stadtpark, einer öffentlichen Schau auf Werbeflächen und einem hochkarätig besetztem Symposium – sollen im Endeffekt globalisierte Zusammenhänge veranschaulicht werden, die sich als solche nicht immer im Vorhinein erschließen lassen. Im Vordergrund steht dabei die katastrophale Situation der BewohnerInnen des Niger-Deltas im Süden Nigerias. Gebeutelt vom Erdöl-Engagement multilateraler Konzerne, die zur Erlangung der auferlegten Profitmaximierung das Delta seit Jahrzehnten aus ihrem ökologischen und sozialen Gleichgewicht bringen, leben die rund 30 Millionen Menschen der Region inmitten eines Katastrophengebiets. Im Hintergrund steht aber auch die Verantwortung jener, die tausende Kilometer weit entfernt, scheinbar unbeteiligt, auf dieses Erdöl zurückgreifen: Vor allem der öffentliche Teil der Schau, rund 180 großflächig geklebte Bilder auf Plakatflächen in ganz Graz, soll „einen ‚blinden Fleck‘ in der Bevölkerung erkennbar machen, irritieren und schockieren“, erklärt einer der beiden KuratorInnen, Hans Nevidal. Demnach soll die Wahrnehmung mit Hilfe dieser „Irritationen“ auf jene Zustände gerichtet werden, die sich hinter der Ölgewinnung verbergen, und den Zusammenhang zwischen Öl-Erzeuger und Öl-Verbraucher sichtbar machen. Unkaschierte Bilder. Noch bis zum 18. Oktober zeigt die Ausstellung im Forum Stadtpark Arbeiten von 19 internationalen FotografInnen sowie filmische Beiträge, darunter jenen des Grazer Filmemachers Michael Glawogger, der für seinen Dokumentarfilm Megacities auch das Leben der Menschen in Port Harcourt, der Hauptstadt der Region, unter die Lupe nahm. Einer der Fotografen ist George Osodi (siehe Bild); der aus dem Delta stammende Pressefotograf ist unter anderem für world associated press tätig, wenngleich er in seiner Arbeit während der letzten Jahre auch einen künstlerischen Zugang implementiert hat. So wurden seiner Bilder 2007 bei der Documenta in Kassel gezeigt, Kuratorin Eva Ursprung wurde damals auf seine Arbeit aufmerksam. Osodis Fotos zeigen die Katastrophe seiner Heimat unkaschiert, es gibt nichts zu beschönigen. Von der Wirkkraft seiner Arbeit ist der Fotograf überzeugt: „Ich glaube schon, dass ich mit meinen Bildern ein wenig dazu beitragen kann, dass sich die Situation im Delta verbessert. Ich informiere, indem ich Wissen weitergebe. Für meine Fotos bracht man auch keine Vorbildung, man braucht nicht lesen können. Man sieht sie und weiß, was passiert“, sagt Osodi gegenüber KORSO. Seine Arbeit ist aber nicht ausschließlich an die nigerianische Bevölkerung adressiert, er möchte auch „in Europa und in Amerika Bewusstsein dafür schaffen, dass es im Delta nicht so weitergehen kann“. Militarisierung. Osodi erzählt, dass Konzerne wie Mobil, Total, Shell, Texaco oder Agip nach wie vor im Niger-Delta aktiv sind, auch wenn sie seit dem Tod des nigerianischen Bürgerrechtlers Ken Saro-Wiwa im Jahre 1995 vorsichtiger geworden wären. Saro-Wiwa war im Rahmen eines zwielichtigen Prozesses zum Tode verurteilt und ferner in Nigeria hingerichtet worden. Nach wie vor seien sämtliche große „Player“ lediglich darauf erpicht, „soviel Profit wie möglich zu machen“, berichtet Osodi, dabei sei das Rezept zum friedlichen Miteinander in der Region simpel: „Man müsste die Menschen im Delta nur mit Respekt behandeln, was passiert, ist aber das Gegenteil“, sagt der 36-jährige Fotograf. Dem entgegen gibt es seit gut fünf Jahren auch einen bewaffneten Widerstand; die MEND (Movement for the Emancipation of the Niger Delta, Anmerkung) hofft vor allem mit Entführungen die Aufmerksamkeit für ihr Anliegen lukrieren zu können. Die Perspektive, die die unterschiedlichen FotografInnen den AusstellungsbesucherInnen gewähren, ist ohne Zweifel erschütternd, wenngleich sie auch Ästhetik inkludiert: brennende Erdgasfackeln gesellen sich neben klinisch-sauber anmutende Öl-Fördertürme, post-apokalyptische Landschaften und Pipelines, die mitten durch die Dörfer verlaufen, sind ebenso zu sehen wie verkohlte Leichen oder Szenen des Schlachthofes in Port Harcourt. „Es war für uns überraschend zu sehen, dass es zwischen den Fotos von den Pressefotografen und jenen der Künstlern fast keinen Unterschied auszumachen gibt“, sagt Kuratorin Eva Ursprung. Fotograf Osodis Zugang ist schnell erklärt: „80 Prozent meiner Fotos dokumentieren das einfache Volk. Diese Menschen wollen eigentlich nur Gesundheit und Bildung. Und weil sie in einer an Bodenschätzen sehr reichen Region leben, sollte das eigentlich auch möglich sein.“ | Gregor I. Stuhlpfarrer
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