Es gibt bisher noch keine Kommentare.
Shakespeares „Macbeth“ und Schillers „Kabale und Liebe“ |
Freitag, 16. Oktober 2009 | |
Fußfrei – Theatertrips und -tipps - von Willi Hengstler Es ist schon erstaunlich, wie viele kluge, richtige Texte (Jan Kott, Peter von Matt, Sigmund Freud) man in einem Programmheft versammeln kann, ohne sie dann zu berücksichtigen. Anna Badoras „Macbeth“ (Premiere am 25. 9.) kränkelte vermutlich am guten Geschmack der Schauspielhausintendantin, die ihre Bühnenbilder, das Licht, die Anzüge der Herren in den kultivierten Inszenierungen doch passend gewählt hat. Aber diesmal peppt sie dieses düsterste Stück Shakespeares noch zusätzlich mit Regieeinfällen auf, die man ihrem Theatergeschmack nicht zugetraut hätte. Der Abend beginnt (und endet) mit „Filmkadern“ im dunklen Vorhang, nur wechseln die pathetischen Bilder von Schlachten und Sonderkommandoeinsätzen (Go! Go! Go!) derart rasch und werden von Gerd Besslers wirklich lauter Filmmusik derart zugedröhnt, dass es beim Effekt bleibt.Eine der Lehren Hollywoods besagt, dass ein Regisseur mit einem guten Drehbuch und der richtigen Besetzung nichts falsch machen kann. Der Regieeinfall, das „schottische Stück“ mit jungen Schauspielern, die Hexen gar mit Kindern zu besetzen, missachtet diese Regel. Ist mit den Kindern eigentlich die unheimlich-unschuldige Natur gemeint, sind sie jedenfalls weitgehend unverständlich. Und die durchtrainierten Esemblemitglieder würden auch in Zack Snyders „300“ (die Schlacht an den Thermophylen) eine gute Figur machen. Den „Macbeth“ mit Muskelprotzen zu spielen, die sich begeistert zum Sieg (oder Ende) durchhacken, bis sie in ihren stählernen Körpern irgendwann vom Gewissen eingeholt werden, ginge ja noch an - aber dann sollte man konsequent bleiben. Claudius Körber - als Trotta ganz wunderbar - konnte trotz harten Trainings, das ihm einen gebrochenen Mittelhandknochen einbrachte, nicht als Muskelprotz (oder Macbeth) überzeugen. Selbst Verena Lercher als Lady Macbeth war da noch muskulöser. Und die durchgehend jungen Schauspieler kamen weder mit dem Shakespearetext noch der Mischung aus Aberglauben und Aufklärung, blutiger Herrschaftsmechanik und Neurose wirklich zurecht. Ziemlich gut schlugen sich der bereits in vielen Schlachten gehärtete Jan Thürmer als Macduff und Florian Köhler als Banquo. Eine andere Hollywoodregel besagt, dass die Nebenrollen am sorgfältigsten besetzt und gearbeitet sein müssen. Auch das war an diesem Abend – weder beim Pförtner noch bei König Ducan – besonders zu beobachten. Man hat den Eindruck, dass Anna Badora ihre eigene Ästhetik hintan stellt, um stattdessen auf scheinbar publikumswirksamere, an Videogames orientierte Kampfspektakel zu setzen. „Macbeth“ , ein Kompromiss mit tadelloser Qualität; für Shakespearefans und Besucher des Austrian Fitness Club. Wie gut Provinztheater auch sein kann, zeigt Christine Rast mit ihrer Premiere von Schillers „Kabale und Liebe“ am 2.10. auf der großen Bühne. Die Schweizer Regisseuse ist bisher auf der Probebühne mit Inszenierungen aufgefallen, deren Einfallsreichtum sich angenehm von einer bloß handwerklichen Stilisierung abhob. Mit Schillers Tragödie über Standesunterschiede hat sie aufs Schönste bewiesen, dass sie auch den großen Bühnenapparat beherrscht. Von der Bühne ihrer Schwester (Franziska Rast), die das Oben und Unten von Bürgerlich und Adlig immer sinnfällig macht, über die zitathaften Schattenrisse im Oval und die gelegentlichen Anspielungen auf die Gegenwart („Plakatieren verboten“, Metallleitern,) bis zu einer unspektakulären, aber idealen Besetzung demonstriert Christina Rast in einem durchgehenden, beinahe essayhaften Handlungsstrom Witz und Kompetenz. Der erste Teil von Schillers etwas gekürzter Tragödie – Mutter Miller tritt nur mehr als Sterbefotografie auf – läuft wie auf Schienen und doch in einer ironischen Phantastik ab, die durch die scherenschnittartigen Bilder im großen Oval über der Bühne noch akzentuiert wird. Im funkelnden Theateruhrwerk der ersten Halbzeit spielen alle Akteure gleich wunderbar: Gerd Balluch als Präsident von Walter, Martina Stilp als Lady Milford, Franz Josef Strohmeier als schriller Hofmarschall von Kalb und vor allem Sebastian Reiß als Haussekretär Wurm. Franz Solar als Stadtmusikant Miller ist sehr typisch besetzt, hält sich aber angenehm zurück. Dafür sind Andrea Wenzel als bürgerliche Luise, und Thomas Frank als ihr adeliger Geliebter, dem sie bei jeder Gelegenheit wie ein Eichhörnchen auf den Schoß springt, durchaus atypisch besetzt. Vor allem Thomas Frank spielt seinen Ferdinand in dieser schlampigen Haltung, mit der sich früher sozial entflammte Bürgersöhne bei Arbeiterkindern eingeschleimt haben. Nach der Pause steigert sich die kühle Ironie der Aufführung zu einem leidenschaftlichen Chaos aus Liebe und Verrat, Abscheu und Hoffnung. Thoma Frank zeigt, je leidenschaftlicher er um die Geliebte kämpft, je eifersüchtiger er wird, eine desto straffere Haltung. Und je fatalistischer und pessimistischer sich Andrea Wenzel als Luise gibt, desto ekstatischer wird sie. Szenen, in denen sie von Wurm, der beinahe (aber nur beinahe) seinen bösen Plan verrät, wie ein Schatten verfolgt wird, Gerd Balluchs maskenhafter Präsident, der seinem Sohn vorlügt die bürgerliche Luise zu akzeptieren, gewinnen eine halluzinatorische Ambivalenz. Was man der Inszenierung vorwerfen kann, ist allenfalls ein zu groß geratenes Kabriolett, eine leichte Überhitzung gegen Ende und der Verzicht die gegenwärtigen Klassenunterschiede auch nur anzupeilen. Eine Tragödie, die amüsiert; beinah ganz großes Theater. Unbedingt ansehen. „Macbeth“ noch am 15. und 18. Oktober und am 17., 19. und 28. November „Kabale und Liebe“ noch am 8., 9., 14., 17., und 20. Oktober und am 17.., 19. und 28. November
» Keine Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.
» Kommentar schreiben
Nur registrierte Benutzer können Kommentare schreiben.
Bitte melden Sie sich an oder registrieren Sie sich. |
< zurück | weiter > |
---|