Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Vom Leben im „größten Bauerndorf“ Österreichs
Freitag, 16. Oktober 2009
Anfang September wurde der neu gestaltete Innenhof der steirischen Landwirtschaftskammer in der Grazer Innenstadt feierlich eröffnet. Das Gebäude wird seit einigen Jahren euphemistisch als „Stadtbauernhof“ bezeichnet – wenn sich auch in der näheren Umgebung weder wogende Felder noch Stallungen mit Vieh befinden, sondern nur im Erdgeschoß ein feiner „Hofladen“ mit vielen steirischen Gourmetspezialitäten.
Die bei diesem Anlass anwesenden FunktionärInnen und PolitikerInnen, so auch Bürgermeister Mag. Siegfried Nagl, verwiesen stolzgeschwellt darauf, dass Graz mit seinen rund 350 landwirtschaftlichen Betrieben die größte Bauerngemeinde der Steiermark ist. Bei einem Besuch auf einem Milchbauernhof in der Ragnitz konnte sich KORSO vor Ort ein Bild von den Butterseiten und alltäglichen Problemen auf einem echten „Stadtbauernhof“ machen.

Licht und Schatten des Stadtbauernlebens.
Das junge Bauernehepaar Martin und Brigitte Gaßner bewirtschaftet gemeinsam den traditionsreichen „Meranhof“, der mit 28 Hektar Wiesen und Äckern sowie knapp zwei Dutzend Milchkühen zu den größeren Höfen im Stadtgebiet zählt. Martin Gaßner hat das Anwesen an den Hängen schräg gegenüber des Berliner Rings vor rund zehn Jahren von seinen Eltern übernommen. Die Vorteile der Stadtlage überwiegen, findet Brigitte Gaßner: „Die Lebensqualität ist schon sehr gut. Man lebt quasi am Land und hat die städtische Infrastruktur vor der Haustür.“ Viele potenzielle Kunden für die Produkte wohnen im direkten Umfeld, wenn auch die Bequemlichkeit viele vom direkten Einkauf am Bauernhof abhält. Andererseits verursachen die zahlreichen Spaziergänger Flurschäden, und ein besonderes Ärgernis sind jene Hundehalter, die die Kuhweiden als Hundewiesen missbrauchen, erklärt Brigitte Gaßner: „Es wäre schön, wenn sich die Tierbesitzer hier etwas rücksichtsvoller verhalten würden.“

Mit Direktvermarktung das Auskommen finden. Martin Gaßner ist zuversichtlich, den Betrieb durch die wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu bringen: „Der Rückgang der Erzeugermilchpreise von 44 auf knapp 26 Cent macht uns aber zu schaffen, das bedeutet rund 1.500 Euro Umsatz weniger im Monat.“ Verkäufe von Grundstücken plant er trotz des anhaltenden Baubooms nicht. Auch bislang wurden keine Flächen veräußert, denn sie werden für die Futterbasis gebraucht: „Aber der Druck auf die landwirtschaftlichen Flächen ist groß, an Zukäufe ist angesichts der Preise auch nicht zu denken.“ Viele von den kleineren Betrieben, die nicht mehr rentabel waren, haben ihre Flächen verkauft. Eine wichtige Rolle spielt auch heute noch die Nachbarschaftshilfe: „Ohne die Hilfe der anderen Bauern in der Umgebung würde es rein arbeitstechnisch gar nicht mehr gehen.“
Ein Ausweg aus der Krise liegt im Ab-Hof-Verkauf und der Direktvermarktung: Brigitte Gaßner erzeugt Joghurt, Sauerrahm, Frischkäse und Topfen. Zweimal wöchentlich verkaufen sie auf den Grazer Bauernmärkten, außerdem können die frischen Produkte ganz unbürokratisch direkt am Hof erworben werden, das Geld wirft der Kunde einfach ins dort platzierte Körberl.

Fairer Preis wäre besser als Subventionen.
Das Wirken seiner Standesvertretung sieht Martin Gaßner mit gemischten Gefühlen: „Deren Macht ist zahnlos, was aber keiner der Vertreter gerne zugeben will, wenn er zur Jause bei den Bauern sitzt.“ Die Schuldzuweisung erfolge pauschal an die EU, statt dass man versuche, etwas im eigenen Bereich zu verbessern. Die Ausgleichszahlungen seien eine notwendige Stütze, erklärt Martin, „aber um die kleinräumigen Strukturen in Österreich zu erhalten, wird man sich kreativere Lösungen einfallen lassen müssen“. Grundsätzlich, ergänzt Brigitte Gaßner, wäre es freilich wünschenswert, „wenn man keine Förderungen, aber für die hochwertigen Produkte angemessene Preise erzielen würde“. Die Kosten für die Bewirtschaftung sind in den vergangenen Jahren immens gestiegen. Während die Preise für bäuerliche Produkte seit Jahren stagnieren, sind die Gewinnmargen bei industriell hergestelltem Fastfood enorm. Auch am Hof geht der Trend zum fertigen Produkt: „Wir verkaufen ein Drittel vom Topfen frisch, aber den Großteil als Aufstrich.“ Den Herausforderungen der Zukunft will das Landwirtehepaar mit noch mehr Eigenini-
tiative und neuen Ideen und Produkten für die Direktvermarktung begegnen.
 | Josef Schiffer
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