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Der Klimwandel verlangt nach einer „Neuerfindung der Moderne“
Montag, 13. Juli 2009
Der globale Klimawandel ist wissenschaftlich begründete Realität, die Zweifel daran dürften inzwischen auch den hartnäckigsten Skeptikern vergangen sein, – aber das sollte nicht Anlass zu grenzenlosem Pessimismus sein, sondern ein Anstoß zum tiefgreifenden Wandel unseres ökonomischen Modells. So lautete die Botschaft des renommierten Klimaforschers Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber, der am 23. Juni im Rahmen der Dialogreihe Geist & Gegenwart in Graz gastierte.

Der fiebernde Planet. Der Mitbegründer und Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) Schellnhuber verweist auf die einstimmigen Prognosen der wissenschaftlichen Community: „Unter den Experten der Klimaforschung besteht eine große Einigkeit bezüglich der mittelfristigen Prognosen.“ Allgemein wird eine Erwärmung von bis zu 2 Grad Celsius als relativ unbedenklich eingestuft, aber jedes Grad mehr würde zu einer Vervielfachung der zu erwartenden Schäden führen, warnt Schellnhuber in eindringlichen Worten: „Die Erde kann wie der menschliche Körper eine leicht erhöhte Temperatur überstehen, aber ein schweres Fieber würde durch rasches Kippen der ökologischen Systeme ein multiples Organversagen auslösen.“ Ein weiteres Problem liegt darin, dass durch die Emissionen von fossilen Kraftwerken, die sich als Aerosole in der Atmosphäre sammeln, derzeit sogar kühlende Effekte wirksam werden, die einen Teil der CO2- Folgen kaschieren.

Die fossile Uhr läuft ab. Dass die derzeit von der EU und dem Kyoto-Protokoll angepeilten Klima-Ziele bei weitem nicht ausreichend sind, um den Anstieg der Temperaturen wirksam zu zügeln, belegte Schellnhuber anhand aktueller Zahlen. Fast ein Drittel der bis 2050 verträglichen Menge von etwa 1 Billion Tonnen CO2 wurde bereits im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends weltweit emittiert. Rasches Handeln sei daher notwendig, fordert der Klimaexperte, denn selbst bei sofortiger Wirksamkeit müssten mindestens 30% der CO2-Ausstöße eingespart werden. Der Weg dorthin führt über einen radikalen Umbau der Energiesysteme, eine „Große Transformation“, ähnlich jener zu Beginn des industriellen Zeitalters. Diese muss aber vor dem endgültigen Verbrauch der fossilen Ressourcen einsetzen und darf sich nicht auf „kosmetische“ Maßnahmen beschränken.

Vision Solarstrom. Der Einsatz von Biomasse hat ebenfalls seine Tücken, da nur ein winziger Bruchteil der Sonneneinstrahlung in der Photosynthese umgesetzt wird. Als „völlig unsinnig“ beurteilt Schellnhuber den Einsatz von Biosprit in Fahrzeugen, der nur rund 10% der Primärenergie „auf die Straße bringt“, gegenüber rund 95% beim Elektromotor.
Die Zukunftshoffnung beruht laut Schellnhuber auf der Entwicklung von CO2-Lagerungstechniken (CCS), die es ermöglichen, das klimaschädliche Gas dauerhaft in unterirdischen Gesteinsschichten zu deponieren. Ergänzend dazu müssten Wohnhäuser und Verkehrsmittel auf emissionsfreie Systeme umgestellt werden, betont Schellnhuber. Die von europäischen Energieversorgern geplanten Solarkraftwerke in nordafrikanischen Wüstenregionen liegen nicht mehr außerhalb der wirtschaftlichen Umsetzbarkeit und könnten dazu beitragen, den Abschied vom fossilen Zeitalter zu beschleunigen.

| Josef Schiffer

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