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Sozialpartner für Verkehrs-Offensive im Großraum Graz
Freitag, 16. Oktober 2009
Bei einer Diskussionsveranstaltung in den Räumen der steirischen Arbeiterkammer Mitte September legte die steirische Sozialpartnerinitiative „Großraum Graz braucht Bewegung“ ihre Forderungen für die dringend nötige Verbesserung der Mobilität in und um die steirische Landeshauptstadt vor.
Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer, Gewerkschaftsbund und Industriellenvereinigung ziehen seit mehreren Jahren an einem Strang, was die Grazer Verkehrssituation betrifft: Sie eint die Diagnose, dass alle internationalen Wirtschaftsrankings der letzten Jahre der Stadt zwar eine hervorragende Performance als Bildungs- und Hightech-Standort bescheinigen, gleichzeitig aber vernichtende Zensuren bei der Verkehrsinfrastruktur erteilen. So bezeichnete AK-Präsident Walter Rotschädl in seiner Einleitung die Bewältigung der Verkehrsprobleme als eine zentrale Aufgabe der Kommune; ähnlich auch die Schlussfolgerungen des Verkehrsexperten Prof. Kurt Fallast, der unter anderem einen ausgezeichneten Überblick über den stetig steigenden Zuwachs des Verkehrsaufkommens und die steigenden Fahrzeiten gab.

Pendlerfreundliche Umsteigestellen. Franz Fromm und Dr. Anton Moser, die Verkehrsexperten der Arbeiter- und der Wirtschaftskammer, stellten die übergeordneten Ziele der Initiative vor: Der Verkehr aus dem Großraum Graz müsse so früh wie möglich auf öffentliche Verkehrsmittel verlagert werden , ein S-Bahn-Netz mit starken Nord-Süd- und Ost-West-Achsen die Verbindung von Graz in das Umland herstellen. Wer dennoch auf das Auto angewiesen sei, müsse die gewünschten Ziele in der Stadt rasch erreichen können; besonderes Augenmerk sei dabei auf die Umsteigstellen vom individuellen zum öffentlichen Verkehr zu legen.

Graz: Straßenbahn-Ausbau gefordert. Was die wünschenswerte Verlagerung des Quellverkehrs auf die Öffis betrifft, verlangt die Initiative leistungsfähige Straßenbahnverbindungen in Nord-Süd- und Ost-West-Richtung sowie die Errichtung einer äußeren Ringlinie; innerhalb von 15 Minuten müsse man vom Stadtrand ins Zentrum gelangen können. Fromm: „Hauptproblem des Straßenverkehrs ist der Binnenverkehr der GrazerInnen selbst, denn NichtgrazerInnen sind für weniger als ein Drittel der gesamten Pkw-Fahrten pro Tag verantwortlich. GrazerInnen haben im Gegensatz zu Einpendlern ein unvergleichlich besseres ÖV-Angebot. Das spricht auch für einen raschen Netzausbau der Straßenbahn, weil diese am besten angenommen wird: Die sechs Straßenbahnlinien in Graz transportieren ja mehr als die Hälfte aller GVB-Fahrgäste.“

„Verkehrspolitische Zukunft darf nicht von der Tagespolitik abhängig sein.“ Neben eigenen Fahrspuren und Trassen für Bus und Straßenbahn bedürfe es schließlich auch einer erheblichen Aufwertung des Radwegenetzes und attraktiver Flächen für Fußgänger – auch im Sinne einer besseren Erreichbarkeit der Innenstadt-Geschäfte – und zeitgemäßer Verkehrsleitsysteme sowie eines Ausbaus des Einbahnstraßennetzes, um eine zügige Führung des motorisierten Individualverkehrs zu gewährleisten. Moser forderte von der Politik „ein langfristiges Verkehrskonzept, durchaus auch eine mutige Vision, die – zumindest in ihren Grundzügen – von den politischen Parteien außer Streit zu stellen ist; die verkehrspolitische und damit auch wirtschaftliche Zukunft des Großraumes Graz darf nicht von der Tagespolitik abhängig sein.“ Und er plädierte für eine bessere Koordination der Maßnahmen: „Jede einzelne bauliche Investition in die Verkehrsinfrastruktur muss sich letztlich in ein Ganzes fügen, jede einzelne Maßnahme muss sich letztlich am Gesamtziel orientieren.“

Zielformel 40:60. Vizebürgermeisterin und Umweltstadträtin Lisa Rücker (Grüne) leitete ihr Referat mit der provokanten Frage „Wollen wir in der Stadt leben oder Autofahren?“ ein – um dann aber selbst ihrer Aussage ein wenig die Schärfe zu nehmen: Es gebe Situationen, in denen es keine Alternative zum Auto gebe; die Verkehrspolitik müsse aber dafür sorgen, dass nur die wirklich unvermeidbaren Autofahrten getätigt werden. In Graz müsse eine Trendwende geschafft werden, der zeit würden 48% der zurückgelegten Wege in Graz mit dem Auto und 53% mit dem „Umweltverbund“ (zu Fuß, mit dem Rad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln) absolviert, ihr Ziel sei ein Verhältnis von 40:60. Hier sei man schon auf einem guten Weg, wie neue Statistiken belegten.

Umweltzonen bleiben strittig. In der folgenden, von KORSO-Herausgeber Christian Stenner moderierten Podiumsdiskussion mit Rücker und den beiden Kammer-Vize-Chefs Mag.a Regina Friedrich (WiKa) und Fritz Ploner (AK), wurden viele Gemeinsamkeiten laut – so zeigten sich alle Beteiligten zufrieden damit, dass der Bau der Nahverkehrsdrehscheibe Hauptbahnhof nun gesichert zu sein scheint; die Straßenbahnlinien 1, 3, 6 und 7 sollen dann durch eine Unterführung im Kreuzungsbereich Bahnhofgürtel direkt zum Hauptbahnhof fahren.
Weniger Konsens gab es in Bezug auf die von Rücker avisierten Umweltzonen: Ploner fürchtet, „dass es gerade die Leute am unteren Ende des sozialen Spektrums trifft“, die sich kein neues Auto leisten könnten, und Friedrich vertrat die Ansicht, dass das Feinstaubproblem mehr auf den Hausbrand als auf den Verkehr zurückzuführen und daher mit Fahrverboten kaum in den Griff zu bekommen sei. Das wichtigste Grazer Verkehrsprojekt sei, so die Kammer-Vizepräsidentin, der Südgürtel, weil „die Wirtschaft leistungsfähige Tangentialverbindungen braucht.“ Ploner nannte als wichtigstes Projekt die Nahverkehrsdrehscheibe Hauptbahnhof, weiters Maßnahmen für den stadtgrenzenüberschreitenden Verkehr, „wie beispielsweise den Ausbau des Umsteigeknotens Gösting, den Ausbau des Straßenbahnnetzes auch in Randgebieten – dazu gäbe es noch mehr, aber das wären Milliardenprojekte“. Auf jeden Fall sei ein sinnvolles Miteinander von Straße- und Öffentlichem Verkehr nötig, „wenn sich in der Stadt was bewegen soll.“ | lstb
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