Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Ungewollt schwanger
Donnerstag, 17. September 2009

Kommentar der Frauenbeauftragten - von Maggie Jansenberger

Frauen treiben ab. Nichts kann sie daran hindern. Nichts hat sie jemals daran gehindert – weder die moralische Ächtung noch die Gefahr für ihre Gesundheit. Sie wissen seit langem mit Stricknadel und Drahtkleiderbügeln umzugehen oder um die Folgen eines Treppensturzes und eines Bauchhiebes. In einer Zwangslage entwickeln sie eine verbissene Entschlossenheit, die auch vor Selbstverstümmelung nicht zurückschreckt – und sie wissen dies alles geheim zu halten.

Sie wissen, dass „Engelmacherin“ kein Begriff aus der Bildschnitzkunst ist. Zweifelnden sei empfohlen, ältere Frauen zu diesem Begriff zu befragen und sich deren Reaktionen einzuprägen. Die Aussage, die neue, von Stadträtin Elke Edlinger herausgegebene Broschüre „ungewollt schwanger“ sei eine Anleitung zur Abtreibung, ist realitätsfremd. Frauen brauchen schon lange keine Anleitung mehr, wie sie Schwangerschaften abbrechen können.
Was Frauen brauchen, sind unabhängige Auskünfte darüber, wo und wie sie einen Schwangerschaftsabbruch nach medizinischen Standards, wie sie in westlichen Gesellschaften üblich sind, durchführen lassen können. Was Frauen auch brauchen, ist Wissen darüber, dass es Einrichtungen gibt, an welche sie sich im Falle einer ungewollten Schwangerschaft vertrauensvoll und anonym wenden können, ohne Angst haben zu müssen, indoktriniert zu werden. Von einer ungewollten Schwangerschaft betroffene Frauen sind ohnehin oft in einer schwierigen Situation: der (Sexual)Partner, das soziale Umfeld, gesellschaftliche Ideologiegebäude, wie klerikale Dogmen und nicht zuletzt eine kapitalistische Kultur, welche Frauen mit Kindern benachteiligt, allesamt scheinen am Besten zu wissen, was das Richtige für die Frau ist. Vormundschaft statt Selbstbestimmung ist das Ziel.
Seit der Aufklärung stehen Medizin und Religion im Wettstreit um den Körper und die Gebärfähigkeit der Frau. Daran scheint sich bis heute nicht wirklich etwas geändert zu haben. Der Körper der Frau ist nach wie vor ein Ort, an dem Macht und Herrschaft verhandelt werden. Die Medizin hat dabei in den wirtschaftlichen Interessen der Reproduktionstechnologie einen Sekundanten gefunden und die Kirche „bedient“ sich einmal mehr der Frauen, um den Laizismus in Frage zu stellen. An dieser Stelle sei erlaubt zu fragen, wie viele Schwangerschaftsabbrüche auf Grund zölibatärer Regelungen durchgeführt werden mussten und müssen?
Frauen drohen von den widersprüchlichen Interessen und moralisierenden Beurteilungen machtvoller gesellschaftlicher Institutionen und ihrer anonymisierten ProtagonistInnen aufgerieben und instrumentalisiert zu werden. Noch heute sterben nach Schätzungen der Weltgesundheits-Organisation WHO Jahr für Jahr 70.000 Frauen und Mädchen an den Folgen unsachgemäß und/oder illegal durchgeführter Schwangerschaftsabbrüche.
Information und unabhängige Beratung können Frauen stärken, ihre Entscheidung selbst zu treffen. Die Informationslücke bezüglich der unterschiedlichen Methoden des Schwangerschaftsabbruchs, Notfallverhütung, Adressen von Beratungsstellen, Kosten und Rechtslage hat die Broschüre „ungewollt schwanger“ geschlossen und gleichzeitig gezeigt, wie überfällig eine Enttabuisierung diesbezüglich war. Offen bleiben die Forderungen nach kostenlosem und anonymem Zugang zu Verhütungsmitteln, Übernahme der Kosten für einen Abbruch durch die Krankenkassen, kostenloser Durchführung von Abbrüchen in allen öffentlichen Spitälern, Errichtung von Schutzzonen vor Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, sowie nach Streichung des Schwangerschaftsabbruchs aus dem Strafgesetzbuch.


Maggie Jansenberger,
Unabhängige Frauenbeauftragte der Stadt Graz,
maggie.jansenberger@stadt.graz.at
» Keine Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.
» Kommentar schreiben
Nur registrierte Benutzer können Kommentare schreiben.
Bitte melden Sie sich an oder registrieren Sie sich.
 
< zurück   weiter >