Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Die Zeitung macht sich eine Karl
Donnerstag, 17. September 2009

Kopfzeile - von Martin Novak.

Ein besonderer Freund des Genitivs bin ich nicht. Er macht die geschlechtsneutrale Schreibweise, also sagen wir es gleich auf Deutsch, das Gendern, schwieriger. Der 2. Fall sperrt sich gegen das Binnen-I: Man kann zwar im Nominativ ‚die/der LehrerIn‘ schreiben, aber nicht ‚der/des LehrerIn(s)‘. Auch die Umlaute haben ihre Tücken. ‚Die/der DoktorIn‘ ist kein Problem, aber weder ‚ArztIn‘ noch ‚ÄrztIn‘ geht. Man muss ‚die Ärztin/der Arzt‘ schreiben, das ist nicht sehr elegant und außerdem platzraubend.

Mir gefallen diese Ausreden für den Verzicht auf geschlechtsneutrale Schreibweise selbst nicht, aber es gibt auch bessere, allerdings nur für Funk und Fernsehen: „… jedes Mal ‚Politikerinnen und Politiker‘ oder ‚Wählerinnen und Wähler‘ zu sagen, ist bei unserer dauernden Zeitknappheit … ein Problem“, klagt ZIB2-Anchorman Armin Wolf im Blog zur Sendung. Das muss man respektieren: Zwanzigmal TV-gerecht gegendert, das kann in einer ZIB2 schon vorkommen, bedeutet bei 1,5 Sekunden Zeitaufwand pro „Wählerinnen und“ sowie 23 Minuten Sendungsdauer eine Gleichbehandlungsaufwand von fast 2,2 Prozent der Sendezeit. Oder in Geld ausgedrückt: 30 Sekunden weniger Werbezeit in ZIB2-Nähe könnten rasch 6000 Euro pro Abend kosten.

Man muss den Hang zur Geschlechtergerechtigkeit aber nicht unbedingt durch penible geschlechtsneutrale Schreib- und Redeweise ausleben. „ÖAAB in Frauenhand“ schlagzeilte die Kleine Zeitung, weil die Grazer Universitätsprofessorin Beatrix Karl in der ÖVP-Teilorganisation die Funktion der Generalsekretärin übernahm. Eine Landeshauptmann (keineswegs -frau!), Ministerinnen, diverse stv. Vorsitzende und eine EU-Kommissarin hat es in der ÖVP schon gegeben, aber noch nie eine Geschäftsführerin des Arbeitnehmerbundes. „Die Geschäfte übernimmt jetzt eine zierliche Blondine“ schwärmte die Kleine im zugehörigen Portrait  –  verkniff sich aber den analogen Hinweis, dass sie einen „pummeligen Blondschopf“ abgelöst hat.

Das Frausein der Generalsekreätin entzückte aber praktisch alle Medien. „Erste Frau führt schwarze Arbeitnehmer an“ titelte der Standard. Und die Arbeitnehmerinnen? Nein lassen wir das Thema. Freuen wir uns lieber über „die bewusste Ansage“, mit der Obmann Michael Spindelegger die Entscheidung begründete: „Man wolle zeigen, dass engagierte Frauen in der ÖVP Karriere machen können“, zitierte ihn die Presse. Wiener Wirtschaftsbundobfrau und Wirtschaftskammerpräsidentin (auch eine VP-Karriere) zum Beispiel ist ja im Vergleich dazu ein Kinkerlitzchen.

Enthusiastisch war auch die Kurier-Schlagzeile: „Der neue General ist eine Frau.“ Diese Nachricht ist zwar nicht ganz so relevant, wie umgekehrt der Verdacht gegen die südafrikanische 800-Meter-Weltmeistern Caster Semenya, ein Mann zu sein. Dafür erfüllt der Kurier mit seiner Erkenntnis (angesichts einer zierlichen Blondine, die noch dazu für eine nicht vorrangig körperlich anstrengende Tätigkeit nominiert wurde, hält sich die Bedeutung der Geschlechtszugehörigkeit jedenfalls in Grenzen) die Zeitungskauf-Kriterien von Zeitmagazin-Kolumnist Harald Martenstein, der kürzlich gemeint hat, er suche sich vielleicht „von nun an am Kiosk die Zeitung aus, die den langweiligsten Eindruck macht, das ist wahrscheinlich die ehrlichste“.

Da hätte Martenstein übrigens auch zur Live-Beilage der Kronenzeitung greifen können, in der Herausgeber Hans Dichand bei einer Mélange über Natascha Kampusch feststellte: „Sie sah mir wie ein jungfräulicher Mädchentyp aus.“


Martin Novak ist Journalist, Medienfachmann und Geschäftsführer der Agentur „Conclusio“ in Graz.
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