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Blau schimmern die Ewigkeitsmetaphern |
Montag, 13. Juli 2009 | |
In die Kristallform werden viele Eigenschaften projiziert. Sie ist hart, dauerhaft, verfügt über (über)natürliche Schönheit und unbestrittene Eleganz. Menschen umgeben sich mit Kristallinem, auf dass ein Teil des Glanzes auf sie abfärbe. Der Hang zum Kristall manifestiert sich im vom Menschen Gestalteten, nicht zuletzt in unzähligen monolithischen Museumshüllen – an dieser Stelle setzt Kurator Vitus Weh mit seinem kulturhistorisches Forschungsprojekt rund um die Kristallform an. Dem Geologischen in Architektur und Mode waren bereits je eine Ausstellung im kunsthaus muerz und im Freiraum/quartier 21 gewidmet. In der aktuellen Schau unter dem Titel „Das blaue Licht“ stehen nun im Grazer Medienturm Kunst und Design im Mittelpunkt. Kristallines aus beiden Disziplinen. Gottfried Bechthold findet kristalline Zustände im vom Menschen perfekt dynamisch designten Luxusgut eines brandneuen Porsche, den er zum unkenntlichen Wrack zusammenpressen lässt. Wie eine verletzte Kreatur, glamourös und fragil zugleich. Die Design Stars Walking-Chair steuern mit „Monte Bello“ ein eisbergartiges Sofa bei, das seine Objektrolle gegebenenfalls auch zugunsten der Funktion eines gemütlichen Museumsmöbels eintauschen kann. Zum Beispiel um Robert Smithsons Film über „Spiral Jetty“, seine kristalline Land Art Installation in einem Salzsee in Utah, anzusehen, eine 500 m lange Spiralstraße, die durch den hohen Salzgehalt immer wieder mit Kristallen überzogen wird. Die zeitliche Dimension der Geologie trifft für Bogomir Ecker in den Vordergrund: für die Hamburger Kunsthalle hat er eine auf 500 Jahre konzipierte Tropfsteinmaschine geschaffen – für den Medienturm kombiniert er Gegenstände in einer Tiefkühltruhe mit einer Wandarbeit, die sich mit dem Schlossberg-Stollensystem beschäftigt. Daneben ist mahony den wissenschaftlichen Expeditionen des 19. Jahrhunderts auf der Spur. Im displayartig vereinfachten Salon eines Meteoritenforschers inklusive abstrahiertem Kamin und Bärenfell präsentieren sie das „älteste Stück Ding“. Optisch an eine strahlende Science-Fiction-Welt angelehnt, werden Björn Dahlems Kristalle aus Dachlatten und Neonröhren doch als zutiefst gegenwartsbezogene, dafür äußerst tra-shige Heimwerkerfantasien enttarnt. Wirklich futuristisch sind dagegen die künstlichen Kristallgärten, die aus den zerriebenen Materialien von Computern erstehen – Herwig Weiser experimentiert hier mit Formen der Hightech-Bild- erzeugung. Verwoben sind diese künstlerischen Positionen mit verschiedensten Designobjekten: Thomas Feichtner setzt bei Türgriffen und Essbesteck – beides Musterbeispiele des Ergonomischen – auf das scharfkantig Kristallförmige, Nicole Aebischer schuf ihre Joker-Vasen aus einem Netzwerk von Dreiecken und auch dem industriell produzierten Chair_ONE von Konstantin Grcic liegt ein kristallines Gerippe zugrunde. Florian Ladstätters Orchideenspiegel sorgen für tiefdunklen Glanz und Glamour. „Glanz und Verderben“ titelt auch der Katalog, der die drei Ausstellungen mit Textbeiträgen untermauert. Neben der unheimlich perfekten Kristallstruktur wirkt eben alles andere welk und vergänglich. | Eva Pichler
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