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Erzherzog Johann – Der große Innovator
Mittwoch, 10. Juni 2009
Das Erzherzog-Johann-Gedenkjahr 2009 ist für JOANNEUM RESEARCH Anlass, einen Blick auf ihren Namensgeber Erzherzog Johann zu werfen. Im Vordergrund stehen dabei das Interesse eines Forschungsunternehmens und ein aktuelles Anliegen: Wirtschafts- und technologiepolitisches Engagement.

Das Erzherzog-Johann-Gedenkjahr 2009 ist für JOANNEUM RESEARCH Anlass, einen Blick auf ihren Namensgeber Erzherzog Johann zu werfen. Im Vordergrund stehen dabei das Interesse eines Forschungsunternehmens und ein aktuelles Anliegen: Wirtschafts- und technologiepolitisches Engagement.

Im Gedenken an den 150. Todestag Erzherzog Johanns lud JOANNEUM RESEARCH daher am 11. Mai zur Veranstaltung „Der Innovator. Erzherzog Johanns wirtschafts- und technologiepolitisches Engagement in der Steiermark“ in den Wartingersaal des Steiermärkischen Landesarchivs ein. Vortragender war der führende Wirtschaftshistoriker des Landes Steiermark und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates der JOANNEUM RESEARCH, LAbg. Univ.-Prof. DDr. Gerald Schöpfer.
Landesrätin Mag.a Kristina Edlinger-Ploder wies einleitend darauf hin, dass „wir eines Mannes gedenken, der nicht einmal Steirer ist“. Erzherzog Johann wurde in Florenz geboren und nach seinem Tod auf eigenen Wunsch in Schenna (Südtirol) beigesetzt. Die Zeit, in der er wirkte, war wie unsere eine Umbruchszeit, spannte  Edlinger-Ploder den zeitlichen Bogen zwischen dem Wirken des Erzherzogs und der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise. Der Gedanke daran, dass sich auch Erzherzog Johann nicht immer ganz verstanden gefühlt habe, sei ein Trost für alle Pioniere, die in schwierigen Situationen Neues angehen. Wäre Erzherzog Johann länger auf der Welt gewesen, hätte er JOANNEUM RESEARCH gegründet, meinte Edlinger-Ploder.  

Erzherzog Johann und die Herausforderungen der Technik. Prof. Schöpfer stellte eingangs die zentrale Frage des Abends: „Warum hat sich Erzherzog Johann auf Technik konzentriert?“ Er lebte in einer Zeit, in der sich der gesellschaftliche und technologische Wandel sehr schnell vollzog. In seine Lebenszeit (1782–1859) fallen: Die Französische Revolution, die Franzosenkriege, das Ende des Römischen Reiches Deutscher Nation (1806), der Staatsbankrott Österreichs (1811), Biedermeier und Vormärz, die Revolution 1848 und die Aufhebung der Grundherrschaft, die Industrielle Revolution und die Verkehrsrevolution.   

Als Politiker seiner Zeit voraus, militärisch nicht sehr erfolgreich. Als 13. Kind von Leopold II war klar, dass Erzherzog Johann weder für die Kaiserwürde noch für die des Großherzogs der Toskana bestimmt sein werde. Dies relativiere auch seinen  formellen Thronverzicht wegen seiner unstandesgemäßen Heirat mit Anna Plochl. Erzherzog Johanns politische Engagements wurden teils abgelehnt, teils legte er selbst politische Ämter nach kurzer Zeit nieder. So etwa legte er das ihm Ende Juni 1848 von der Frankfurter Nationalversammlung anvertraute Amt des Reichsverwesers nach dem Scheitern der Märzrevolution nieder. Als Politiker war Erzherzog Johann nicht sehr erfolgreich, so Schöpfer, denn er war darin, wie auch in anderen Bereichen, seiner Zeit voraus. Er war im Gegensatz zu anderen Habsburgern „wählbar“. Und er wurde gewählt. Nach dem Kauf der Herrschaft Stainz 1840 wurde er 1850 der erste gewählte Bürgermeister von Stainz.
Auch Erzherzog Johanns militärische Karriere, für die er ursprünglich vorgesehen war, war nicht besonders erfolgreich. In den napoleonischen Kriegen gab es die nüchterne Erkenntnis, dass man Napoleons strategischen Fähigkeiten nicht gewachsen war. 1800 verlor er die Schlacht bei Hohenlinden. 1805 kämpfte er gegen Franzosen und Bayern. 1808 organisierte er in Tirol und Innerösterreich die Landwehr, förderte 1809 den Tiroler Freiheitskampf, siegte in der Schlacht von Sacile, wurde aber in der Schlacht von Györ geschlagen. Auf seinen Befehl hin wurden 1809 die Festungen in Malborgeth durch Hauptmann Hensel, am Predil-Pass durch Hauptmann Hermansdorf eisern verteidigt. Danach wurde Erzherzog Johann mit keinem militärischen und ab Juli 1809 bis 1848 mit keinem politischen Auftrag versehen.

Stets tätig und „antizyklisch“ wirkend. Erzherzog Johann war an Technik, Wirtschaft, Geschichte und Naturwissenschaften überaus interessiert, hatte ein Faible für Alpenländisches, zeigte schon früh wissenschaftliche Ambitionen und begann bereits in der Jugend akribisch zu sammeln. Er engagierte sich für Wirtschaft und Gesellschaft und war stets tätig. In seiner Eröffnungsansprache der 21. Versammlung der deutschen Naturforscher und Ärzte betonte er: „Tätig zu sein ist unsere Bestimmung – und zwar in jener nützlichen Weise, welche das Wissen in allen seinen Zweigen fördert und erweitert zum Nutzen der Mitwelt, und dem Weiterschreiten, der Nachwelt den Weg bahnend zum Ruhme des teuren Vaterlandes“.
Diese Ambitionen waren sehr lobenswert in einer Zeit, in der es unter anderem an Einrichtungen der höheren Bildung mangelte, das geistige Leben von den internationalen Strömungen abgeschottet war. Zensur und Geldmangel wirkten hemmend. Selbst Erzherzog Johann hatte Probleme mit der Zensur, wenn er sich moderne ausländische Bücher besorgen wollte. Die Rückständigkeit in vielen Bereichen traf die Steiermark aufgrund der Belastungen durch permanente Kriegsgefahren, hohe Hofschulden und hohe Militärausgaben ganz besonders. Auch die Franzosenkriege wirkten hemmend auf die Entwicklungen im Lande. Dazu kamen die unzureichende Infrastruktur und veraltete Technologien, das Festhalten bis 1848 an den Wirtschaftslehren des Kameralismus und das lange Festhalten am Zunftwesen (erst 1859 erfolgte mit der neuen liberalen Gewerbeordnung die formale Aufhebung des Zunftwesens) sowie die bis 1848 bestehende Grunduntertänigkeit.
Erzherzog Johann verfolgte daher das Ziel, die Steiermark wieder an den  internationalen Standard heranzuführen. Er reagierte „antizyklisch“ und es ist ein Lehrstück, dass die Gründung des Joanneum gerade 1811 erfolgte, also in jenem Jahr, wo die Österreichische Wirtschaft einen krisenhaften Tiefpunkt erlitt.  Erzherzog Johann wurde zum Innovator, der die Agrarrevolution beschleunigte, technische Neuerungen umsetzte, das steirische Eisenwesen reformierte, neue Organisationsstrukturen schuf – und er wurde zur Galionsfigur der akademischen Bildung.

Der Innovator. Nach den Missernten von 1816 und 1817 und der daraus resultierenden Hungersnot entstand in der Steiermark 1819 die „K.K. Landwirtschaftsgesellschaft für Steyermark“, deren Präsident Erzherzog Johann bis zu seinem Tod war und die der Vorläufer für die 1929 errichtete Kammer für Land- und Forstwirtschaft war. 1826 wurde am Joanneum eine Lehrkanzel für Landwirtschaft eingerichtet. Neben der Realisierung der Errungenschaften, die die Agrarrevolution mit sich brachte, hatte Erzherzog Johann aber auch großes Interesse an technischen Neuerungen. Aber wie kam man zu neuen Technologien? Schmuggel neuer Technologien aus England und Wirtschaftsspionage waren in der Steiermark damals nicht unbekannt. Mit denselben Mitteln brachte Erzherzog Johann Erfahrungen über neue Technologien von seinen Reisen mit. 1815/16 war Erzherzog Johann drei Monate in England und besuchte sehr viele Fabriken und Werke, analysierte die Technologien, zog sich mit einem Kreis von Fachleuten, darunter Kammermaler, jeweils nach den Besichtigungen zurück, um Skizzen anfertigen zu lassen, die dann in der Steiermark zur Anfertigung von Modellen dienten und in weiterer Folge zum Nachbau und zur praktischen Umsetzung der neuen Erkenntnisse. Er war einer der ersten, der in der Steiermark Dampfmaschinen einsetzte. Durch die Neugründung der Vordernberger Radmeister-Communität 1829 modernisierte er den Erzabbau und die Erzförderung am Erzberg. Durch den Erwerb einer Blechfabrik in Krems bei Voits­berg und von Kohlegruben bei Köflach wurde er auch zum Fabrikanten und Kohlengewerken.
Erzherzog Johann war fleißig, zielgerichtet, konsequent und scharte die besten Leute um sich. Er hat für die jeweiligen Fachgebiete Fachleute, ja Spezialisten engagiert, war also ein ‚Netzwerker’, dem wir auch die Wiedererrichtung der Grazer Universität, die Errichtung der Montanuniversiät und die Gründung der Technischen Universität Graz verdanken, die den Beinamen „Erzherzog-Johann-Universität“ führt.

| dw

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