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„Das Rock and Roll-Heart musste unbedingt erlöst werden“
Mittwoch, 13. Mai 2009
Mit den Schmetterlingen flog er 1977 zum Song Contest nach London, mit dem Ostbahn-Kurti war er „weltberühmt in Österreich“ – Willi Resetarits hat nie aufgehört sich neu zu erfinden und tourt gegenwärtig mit seinem neuen Projekt, dem „Stubnblues“, durch die Lande. Mit Gregor I. Stuhlpfarrer sprach er über die angenehmen Seiten des Alters, über die wilden Jahre, in denen es galt, die Pubertät nachzuholen und sein politisches Engagement, dem er sich seit jeher auch abseits der Bühne verschrieben hat.  
Herr Resetarits’, Sie sind hierzulande während der letzten 40 Jahre mit Hilfe verschiedener Formationen und Figuren als Musiker in Erscheinung getreten. Welche Bedeutung kommt dabei dem „Stubnblues“ zu?
Das ist meine Hauptband zur Zeit, es gibt auch noch andere Projekte, aber der Stubnblues ist sozusagen das Mutterschiff. Die Entwicklung hin zum Stubnblues war jedenfalls eine organische. Damit meine ich, dass wir dieses Projekt einfach zugelassen haben. Angefangen haben wir damals mit einem Van Morrison-Songbook und in Folge hat uns diese Erfahrung darauf justiert, zu sehen, was wichtig ist. Später haben wir begonnen, selber mehr und mehr zu schreiben, wie von alleine haben wir die Sachen zugelassen. Ich hab’ dazu meine große Lebensliebe in Sachen Literatur, den H. C. Artmann, eingebracht, der für mich mit seinen Texten eine Richtschnur ist, ähnlich wie es Van Morrison für all die musikalischen Belange. Der Stubnblues hat jetzt etwas Rundes, der Logik folgend müssten wir jetzt schauen, dass wir das Runde wieder aufbrechen.

Ihr drittes Stubnblues-Album wirkt ruhig, besonnen und ziemlich ausgeglichen. Hat der Willi Resetarits nach vierzig Jahren gar seinen Frieden gefunden?
Das war eine gut Frage, weil darauf kann ich fast ausschließlich nur ‚ja’ sagen (lacht). Wenn man Sachen passieren lassen kann, dann müsste man am Werk eigentlich auch sehen können, was sich intern gerade abspielt. Selbst denkt man natürlich nicht darüber nach, denn man kann sich nicht am Reißbrett vornehmen, die Altersmilde raushängen zu lassen.  Es gibt einfach Dinge, die uns gefallen und die lassen wir dann halt passieren..
…dieses Passieren lassen, das geht mit Sechzig wahrscheinlich leichter von der Hand als mit Dreißig…
…ja, sicher, da hat man sicher Vorteile wenn man älter ist, weil man genauer weiß, was man will.

2003 haben Sie den Ostbahn-Kurti in Pension geschickt, nachdem Texter Günther Brödl im Jahr 2000 gestorben ist. Welche Bedeutung hatte Brödl für den Ostbahn-Kurti, welche für den Willi Resetarits?
Der Tod vom Günther Brödl war der Auslöser für die Pensionierung vom Ostbahn-Kurti, weil ohne Brödl kein Ostbahn. Nachträglich hab ich mir gedacht: das passt. Ich sehe da so eine Entwicklung, einen Bogen.
Nach dem Tod vom Günther Brödl ist seine grandiose Textarbeit, aber nicht verloren gegangen. Ich habe seine Texte ja 20 Jahre gesungen, und diese Erfahrung hab ich natürlich heute im Hinterkopf wenn ich – wie für den Stubnblues – selber schreibe.

Welche Erinnerung haben Sie heute an die „wilden Jahre“ mit dem Ostbahn-Kurti?
Wir hatten damals alle den Bedarf, eine richtige Rock and Roll Band zu sein, und nannten dies, das Nachholen der Pubertät. Wir waren aber alle schon jenseits der Zwanzig, haben aber beschlossen uns dieses wilde Leben zu geben, weil unser Rock n’ Roll-Heart noch nicht erlöst war. Dieses Rock n’ Roll-Heart musste unbedingt erlöst werden. Dabei haben uns auch sehr viele Menschen begleitet. Und irgendwann, nach vielen Jahren, war dieses Rock and Roll- Heart dann erlöst…

…wahrscheinlich nicht für alle gleichzeitig…
…nein, aber für mich. Mit Sechzig auf der Bühne den wilden Pubertierenden zu mimen, hätte mir nicht gefallen. Davor hätte ich alles dafür gegeben, um dieses wilde, gefährliche Leben zu leben, dann dürfte ich das 20 Jahre lang machen und auf einmal hab ich es nimmer gebraucht (lacht).   

Sie haben sich während ihres gesamten Musikerlebens hindurch, egal ob in der Anti-AKW-Bewegung oder bei SOS-Mitmensch, immer wieder mit einem politischen Anspruch zu Wort gemeldet. Gibt es in der heutigen Zeit noch junge, heimische MusikerInnen die so politisch denken, wie ihr das in den Siebzigern und Achtzigern getan habt?
Ich sehe die banale Tastsache, dass wir – zum Teil in heavy rotation – auf Ö3 gespielt worden sind. Das fehlt heute. Man hat den Ostbahn-Kurti auf Ö3 gehört und das hat ihm geholfen. Ich denke, dass zum Beispiel Gustav durchaus politische Ambitionen hat. Unfair ist halt nur, dass das Engagement der Künstler oft nur daran gemessen wird, wie berühmt sie sind.

In der letzten Ausgabe des KORSO hat Beatrix Neundlinger davon gesprochen, sich vorstellen zu können, die „Proletenpassion“ der Schmetterlinge wieder aufzunehmen. Dabei wäre der Willi Resetarits „unverzichtbar“, meinte sie. Was halten Sie davon?
Ich finde, man sollte die Proletenpassion nicht neu vertonen. Wenn, dann sollte man sie live spielen. Das sollte man aber nicht groß aufziehen, das wäre eher eine Nostalgieveranstaltung. Denn, das war damals einfach eine andere Zeit und eine andere Sprache, die damals State of the Art war. Heute klingt das vielleicht pathetisch und komisch.   

Ihr politisches Engagement konzentriert sich vor allem auf den Migrationsbereich und das von ihnen gegründete Wiener Integrationshaus. Gibt es darüber hinaus weitere Projekte, die Sie in naher Zukunft unterstützen wollen…

Ich habe momentan nicht das Gefühl, dass ich mich vor irgend einen Karren spannen lassen muss. Vielleicht sollte man auch andere, jüngere Menschen Mal ranlassen (lacht). Das heißt aber natürlich nicht, dass ich nicht auch die Goschn aufmach’, wenns etwas gibt. Der Bedarf wäre aus meiner Sicht sehr groß, dass abseits der unmöglichen Meinungen – zum Beispiel im Bereich der Zuwanderung – intelligente Ansichten kommuniziert werden. Ich meine, dass die Vernünftigen in Österreich eh viele sind, nur fallen einem die Krakeeler halt eher auf.

 Verstehen Sie du die gegenwärtige Diskussion zur Einführung einer etwaigen Vermögenssteuer?
Inhaltlich bin ich da ganz bei eurem Landeshauptmann Voves, ich ahne halt nur, dass dabei ein gesundes Stück an Populismus im Spiel ist.

Ist Populismus per se rechts?
Das schlechte am Populismus ist bekanntlich, dass man unrealistisches verspricht und notorisch nach den Wahlen vergisst, was man versprochen hat. Es geht dabei also nur um Wählermaximierung. Lieber wäre mir eine Perspektive auf ein Jahrzehnt. Aber bei Kreisky hat man aber gesehen, dass man, wenn man ein gutes Programm hat und das lange verfolgt, am Ende doch nur abgewählt wird. Kreisky ist – ähnlich zur jetzigen Situation, in der man schon wieder von den ‚Häuslbauern’ spricht und gleichzeitig weiß, dass es die nicht treffen würde – abgewählt worden, weil er eine Steuer auf Zinserträge gefordert hat. Diese Steuer wurde von ÖVP und Kronen Zeitung als „Sparbüchlsteuer“ diffamiert, Kreisky hat Stimmen verloren, ist zurückgetreten und nach der Wahl ist diese Zinsertragssteuer eingeführt worden. Das sind Abläufe in der Politik, die mir halt zu blöd sind.  

Welche politischen Perspektiven können heute überhaupt noch gedacht werden?
Grundsätzlich würde es sich auszahlen, mit der Energie, die man gewöhnlich fürs Sudern aufbringt, darüber nachzudenken, was man sich wünscht. Dabei sollte es zunächst auch gar nicht um die Durchführbarkeit gehen. Und ja, das einzig sichere im Leben ist bekanntlich der Wandel. Insofern sollte auch das Unmögliche, das Utopische gedacht werden.
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