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„Was die Briten nicht geschafft haben, werdet ihr bestimmt nicht schaffen“
Mittwoch, 13. Mai 2009
Mit 17 Jahren trat sie der IRA bei. Zwei Jahre später, im Jahr 1973, zündete sie in London eine Bombe. Die Jahre, die sie dafür in Haft verbracht hat, samt Hungerstreik und Zwangsernährung, haben sie den Briten gegenüber nicht freundlicher gestimmt. Heute ist Marian Price Generalsekretärin des 32 County Souvereignty Movement. Für KORSO sprach Samuel Stuhlpfarrer mit ihr in Belfast.
„Zwei Bomben wurden zwar nicht gezündet und man hat uns verhaftet, aber dennoch hatten wir einigen Erfolg“. Schuldgefühle sind Luxus, zumal in Zeiten des Krieges. Ein Mann starb und rund 200 wurden verletzt, als am 8. März 1973 zwei von vier Bomben der  IRA im Zentrum Londons detonieren. Marian Price, ihre Schwester Dolours, der prominente Republikaner Gerry Kelly und sieben weitere Mitglieder des IRA-Kommandos werden noch in England verhaftet. In einem zweitägigen Schnellverfahren verurteilt man sie zu zweimal lebenslänglich plus 20 Jahren Haft. Price beginnt einen Hungerstreik, um die Verlegung in ein nordirisches Gefängnis zu erzwingen. Nach mehr als 200 Tagen und der Zusage über die Verlegung bricht die damals 20-Jährige den Streik ab. „Es war schlimmer als alles was man sich vorstellen kann“, sagt sie heute über Hungerstreik und Zwangsernährung. „Ich wurde an einen Stuhl gebunden, man fixierte meinen Kopf und spreizte mir den Mund auf. Dann steckte man mir einen hölzernen Knebel mit einem Loch in den Mund, durch das sie dann einen Schlauch über den Hals in den Magen schoben. Am anderen Ende des Schlauches gossen sie zunächst Wasser rein, da sie ja kontrollieren mussten, nicht versehentlich die Lunge erwischt zu haben. Und danach kam das, was sie ,Essen‘ nannten“. Zunächst einmal, später zweimal pro Tag wiederholt sich die Prozedur;  vom  3. Dezember 1974 bis zum 24. Mai 1975. Ob sie durch die Haft in ihrer Haltung bestärkt wurde, frage ich. „Ja, natürlich. Ich meine, es war jedesmal ein Horror, aber ich dachte mir nur: ,Verdammter Mist, ich werde diesen Schuften nicht erlauben,  zu gewinnen‘“.
Dass sie überhaupt zur überzeugten Republikanerin geworden ist, ist nicht zuletzt ihrem Elternhaus geschuldet. Ihr Vater, Albert Price, war in den 1940er Jahren Mitglied der IRA. Über ihre Erziehung sagt Marian Price:  „Ich wurde nicht nur republikanisch, sondern auch katholisch erzogen. Heute bin ich zwar nach wie vor überzeugte Republikanerin, aber bestimmt keine Katholikin“.

„Für ein alle 32 Grafschaften umfassendes Irland“. 1980 wird Price aus humanitären Gründen aus der Haft entlassen. Zu diesem Zeitpunkt bringt sie kaum mehr als 36 Kilogramm auf die Waage, leidet unter Tuberkulose und einem posttraumatischen Belastungssyndrom. Für ein weiteres politisches oder gar militärisches Engagement reichen weder Kraft noch Nerven. Erst Mitte der 1990er Jahre betritt sie wieder die politische Bühne; als vehemente Kritikerin von Gerry Adams. Dieser sei zwar „ein sehr charmanter und sympathischer Mann, aber auch vollkommen skrupellos“.  Und sie fügt hinzu: „Ich kenne ihn sehr gut. Er würde jede Person und jedes Hindernis, das ihm im Weg steht, eliminieren. Mit allen Mitteln.“ Da passt es gut ins Bild, dass Anfang April Dokumente auftauchten, wonach Adams den Hungerstreik der IRA-Häftlinge von 1981 hinter dem Rücken des Army Councils der IRA in die Länge zog, um sich der guten Publicity vor den Nachwahlen zum britischen Unterhaus im August des Jahres zu versichern. Eine eigenmächtige Entscheidung, die den Tod von sechs IRA-Häftlingen zur Folge hatte.
Sie selbst habe sich von Sinn Féin nie einschüchtern lassen, sagt Price. „Sie haben es versucht, kamen auch zu mir nach Hause, aber ich habe ihnen gesagt: ,Was die Briten nicht geschafft haben, werdet ihr bestimmt nicht schaffen‘“. Die heute 55-Jährige bekämpft den „Ausverkauf“, wie sie das Karfreitagsabkommen von 1998 nennt, weiterhin. Seit 1999 ist sie Mitglied des 32-County-Souvereignty-Movement, das als politischer Arm der Real IRA gilt. Sie selbst bestreitet das. „Wir sind für ein alle 32 Grafschaften umfassendes Irland und die Real IRA ist es auch.“ Eine Wortwahl, die frappant an einen jüngeren Gerry Adams erinnert, zu einer Zeit, da die IRA noch im Krieg und Marian Price Teil von ihr war.
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