Laut einer Eurobarometer-Umfrage im Auftrag des Europaparlaments werden EU-weit nur 34 Prozent der Befragten „wahrscheinlich“ an der EU-Wahl teilnehmen, in Österreich hält es demnach nur jeder/-e Fünfte (21 Prozent) für wahrscheinlich sich am Urnengang zu beteiligen. KORSO hat die steirischen KandidatInnen der einzelnen Parteien* zu EU-relevanten Themenstellungen befragt: Bei uns lesen Sie die jeweiligen Strategien zur Bewältigung der Wirtschaftskrise, die einzelnen Akzentuierungen in puncto Anpassung des heimischen Steuersystems an europäische Standards sowie Rezepte gegen die viel zitierte Kreditklemme.
1. Europäische Solidarität: In Zeiten der Wirtschaftskrise wird die so genannte europäische Solidarität besonders häufig zitiert. Tatsache ist aber, dass sich viele Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in wirtschaftlich angespannten Zeiten lieber auf ihre nationalen Ökonomien konzentrieren; ein europäisches Konjunkturprogramm war nicht auf den Weg zu bringen. Wie kann es unter diesen schlechten Vorzeichen zu einer Weiterentwicklung der Union kommen?
2. Sozialunion vs. Steuerunion: Gerade in der Krise droht Lohn- und Sozialdumping; wenn die Deutschen um weniger Geld arbeiten, wird sich dies auch in Österreich schwer verhindern lassen. Rächt sich jetzt, dass die EU eine Wirtschafts-, aber keine Sozial- und Steuerunion ist?
3. Kreditklemme: Die EZB senkt die Leitzinsen, mit dem Ergebnis, dass zwar die Sparzinsen sinken, die Kreditzinsen aber schon weit weniger – und dass zudem offenbar Kredite, obwohl Steuergelder in die Banken gepumpt wurden, nach wie vor nicht in ausreichendem Ausmaß vergeben werden. Soll die EU hier tätig werden, nachdem die einzelnen Staaten offenbar weder willens noch fähig dazu sind? 4. Maastricht-Kriterien: Manchmal hat man den Eindruck, dass in der Union die Linke nicht weiß, was die Rechte tut: Auf der einen Seite herrscht Einigkeit darüber, dass die Staaten Geld in die Wirtschaft pumpen sollen, um dem Einbruch der Nachfrage zu begegnen, auf der anderen droht ihnen ein Verfahren wegen Nichteinhaltung der Maastricht-Kriterien – wäre es nicht an der Zeit, diese zu überdenken bzw. „weicher“ zu formulieren?
5. Vermögenssteuer: Österreich ist bei den Gewinnsteuern mit 4,7% des gesamten Steueraufkommens unter den Schlusslichtern der EU, bei der Vermögenssteuerung überhaupt absolutes Schlusslicht unter den „alten“ EU-Staaten. Sollte in diesen beiden Bereichen in einer Zeit, wo die Steuereinnahmen aus Arbeit sinken werden, nicht eine Anpassung an den EU-Durchschnitt erfolgen? * Auf den Listen der „Jungen Liberalen“ (JULIS), deren Kandidatur die scheidende EU-Abgeordnete Karin Resetarits ermöglicht, und jener von Hans-Peter Martin kandidiert kein/-e Steirer/-in. Mitglied des Europäischen Parlaments Jörg Leichtfried für die SPÖ1. Europäische Solidarität: Ich würde diese Aussage so nicht treffen wollen. Noch nie zuvor in der Geschichte hat es so intensive Bemühungen und konkrete Maßnahmen der Union, aber vor allem auch der internationalen Staatengemeinschaft gegeben, der globalen Krise mit global, zumindest aber unionsweit koordinierten, Maßnahmen entgegenzutreten. Aber natürlich hätten wir als Sozialdemokraten noch viel mehr Maßnahmen zur Sicherung der Arbeitsplätze und zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Europa durchführen wollen.
2. Sozialunion vs. Steuerunion: Lohn- und Sozialdumping ist immer eine Bedrohung gewesen. Besonders sogar in wirtschaftlich erfolgreichen Zeiten sahen wir uns mit der Forderung der Wirtschaft konfrontiert, soziale Standards zu senken und das Lohnniveau grundsätzlich nach unten zu korrigieren, um „konkurrenzfähig“ zu bleiben.
3. Kreditklemme: Also, der Wille scheint nicht zu fehlen. Aber es fehlen die nötigen Instrumentarien. Wir haben uns in den politischen Handlungsspielräumen in den letzten Jahrzehnten selbst beschnitten und alles dem freien, liberalisierten Markt überlassen. Ich würde sagen, dass den einzelnen Staaten das Instrumentarium genauso fehlt wie schlicht weg das Geld. Und deshalb ist ein Überdenken der Steuerpolitik und der Besteuerung von Finanzströmen und Vermögenszuwächsen das Gebot der Stunde.
4. Maastricht-Kriterien: Ich sehe hier nicht unbedingt einen Widerspruch. Jetzt ist die Zeit für öffentliche Investitionen und dennoch muss die Zeit der Konsolidierung der Staatshaushalte auch schon mit bedacht und geplant werden. Ich sehe viel mehr die Notwendigkeit, die Maastricht-Kriterien mit sozialen Komponenten zu ergänzen.
5. Vermögenssteuer: Landeshauptmann Franz Voves hat mit seinen wirtschaftspolitischen Perspektiven „NEW“ einen guten und sinnvollen Weg für Österreich und damit auch für alle anderen Länder in Europa aufgezeigt hat, die wohl Arbeit und Konsum mit Lohn- und Umsatzsteuern stark besteuern, aber den Vermögenszuwachs und die Gewinne der Finanzkonzerne bisher außer Acht gelassen haben. Dr. Hella Ranner für die ÖVP1. Europäische Solidarität: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten, wie wir sie gerade durchleben, versucht jeder Staat so gut wie möglich „durchzutauchen“. Ein gemeinsames europäisches Konjunkturprogramm zu entwickeln, bleibt nichts desto Trotz eine große Herausforderung, ist aber der einzige Weg, wie wir rasch aus der Krise herauskommen.
2. Sozialunion vs. Steuerunion: Inwieweit Mitgliedsländer wie Deutschland ein „Lohndumping“ in Erwägung ziehen, wird sich nicht steuern lassen. Was Österreich betrifft, bin ich zuversichtlich, dass derart rigorose Maßnahmen dank der gut funktionierten Sozialpartnerschaft nicht zur Diskussion stehen werden.
3. Kreditklemme: Wir haben tatsächlich das Problem, dass die Banken bei der Kreditvergabe äußerst zögerlich vorgehen, obwohl die Wirtschaft gerade jetzt Investitionen tätigen sollte, auch Private spüren diese Zögerlichkeit, die sich auf den Konsum auswirken könnte, da ja auch privat nicht investiert werden kann. Von einer Einflussnahme auf die Kriterien der Kreditvergabe halte ich allerdings nichts. Das ist auch nicht Aufgabe der Europäischen Union.
4. Maastricht-Kriterien: Bei den Maastricht-Kriterien wird sicher nicht so heiß gegessen wie gekocht. Die Krisensituation, die viele Mitgliedsstaaten zum Überschreiten der von der EU vernünftigerweise gezogenen Budgetgrenzen veranlasst, wird sicher keine Verfahren und Sanktionen nach sich ziehen
5. Vermögenssteuer: Die Diskussion um die Vermögenssteuer wird derzeit leider bewusst von einer politischen Partei geschürt. Ich unterscheide hier zwischen einer seriösen Reformdiskussion und politischem Populismus. Wie uns alle Wirtschaftsforscher sagen, ist der jetzige Zeitpunkt für diese Diskussion der falschest mögliche. Überlegungen über eine Reform des Steuersystems kann man natürlich anstellen, aber nicht in Zeiten einer Wirtschaftskrise, wo Diskussionen über neue Steuern Investitionen und Konsum hemmen. Wir müssen jedoch beides erst wieder ankurbeln, bevor wir über eine weitere Reform unseres Abgabensystems nachdenken können. Thomas Waitz ür die Grünen1. Europäische Solidarität: Gerade diese Probleme zeigen auf, dass es zum gemeinsamen Wohl einer Weiterentwicklung der EU bedarf, das gemeinsame soziale Mindeststandards, Mindestbesteuerungen von Unternehmen sowie eine stärkere Besteuerung von Eigentum und Energieverbrauch unumgänglich geworden sind.
2. Sozialunion vs. Steuerunion: Wären wir ihn Europa lauter Einzelstaaten, wäre dieses Problem wahrscheinlich noch stärker vorhanden, erst die Union bietet den Rahmen, dass sich die Staaten auf für alle Länder vernünftige Mindeststandards einigen.
3. Kreditklemme: Die Party grenzenlosen Optimismus, wo Kredite leicht zu haben waren, ist im Moment einmal vorbei. Die beiden letzteren Unsicherheitsfaktoren lassen sich mit Staatsmilliarden nun einmal nicht wegbezahlen. Der Euro mit seiner Stabilität hat sich aber bisher als Segen für die Euro-Länder erwiesen, das ist eine Leistung, die den Sinn der EU deutlich macht.
4. Maastricht-Kriterien: In Zeiten wie diesen sind sich sogar konservative und vormals neoliberale Ökonomen weitgehend einig, wonach die Staaten gefordert sind. Mangels kurzfristiger Alternativen muss das über Schulden finanziert werden. Also weg mit dem 3% Kriterium. Es hält sich aber ohnedies kein Land mehr daran, also ist mit Strafen nicht zu rechnen, denn wer straft dann bitte wen?
5. Vermögenssteuer: Ganz bestimmt, Steuerlast weg von der Arbeit und hin zu Vermögen, Gewinnen und Energie. Das würde nicht nur zu vielen neuen Jobs führen, sondern auch gleich ein paar ökologische Probleme wie Energieverschwendung und CO2- Ausstoß entschärfen.
Dr. Georg Mayer für die FPÖ
1. Europäische Solidarität: Die Förderungspakete und damit die Überwindung der Krise und die Abwendung einer Depression kann in einer derart verzahnten Wirtschaft wie der europäischen aber nur gelingen, wenn alle Maßnahmen auch koordiniert werden. Es macht keinen Sinn wenn etwa Österreich ein Paket schnürt und von diesem ein Großteil in die deutsche Wirtschaft abfließt und vice versa.
2. Sozialunion vs. Steuerunion: Die Union war als Wirtschaftsunion geplant und soll dies auch bleiben. Der freiheitliche Europagedanke lehnt jegliche weitere Kompetenzabgaben nach Brüssel in näherer Zukunft ab. Soll also heißen, die Kompetenz im Sozialrecht und die Steuerhoheit müssen dem Bundesstaat Österreich erhalten bleiben.
3. Kreditklemme: Die Banken misstrauen nicht nur sich selbst sondern auch ihren Kunden. Da bedarf es meiner Meinung nach noch viel psychologischer Aufarbeitung um diesen Motor der Wirtschaft wieder in Gang zu setzen. Hier mit Unionsgesetzgebung einzugreifen halte ich nicht für sinnvoll.
4. Maastricht-Kriterien: Es wird Europa gar nicht anderes übrig bleiben als die Kriterien von Maastricht aufzuweichen. Es ist jedenfalls richtig, dass die Koordinierung durch viele Mehrfachzuständigkeiten und Doppelverwaltungen in der Union einfach nicht funktioniert. Da besteht akuter Handlungsbedarf.
5. Vermögenssteuer: Wenn auf einen Lohnsteuerzahler heute ein Nichtsteuerzahler kommt, läuft etwas grundsätzlich falsch im ganzen System. Wir sind aber gegen neue Steuern. Karl Fluch für die KPÖ1. Europäische Solidarität: Die EU hat durch ihre Konstruktion die Krise mit verursacht. Dort geben die Konzerne den Ton an. Wir sagen: Die Leute sollen sich nicht länger zum Narren halten lassen. Wenn wir jetzt Brüssel noch stärker machen, geht unser Sozialstaat den Bach hinunter.
2. Sozialunion vs. Steuerunion: Die EU macht genau das, wofür sie von den Superreichen ausgedacht worden ist. Uns hat man Honig um das Maul geschmiert. Jetzt sorgen sie sich um die Banken und schauen, dass denen die Milliarden gegeben werden.
3. Kreditklemme: Wer ist die EU? Die Regierungen der stärksten Staaten und die Großkonzerne haben sich etwas ausgedacht, wo die Leute noch weniger mitzureden haben als daheim in ihren Ländern. Deshalb läuft alles so wie es läuft. Die Banken werden künstlich am Leben erhalten und einheitliche Verpackungsgrößen für Lebensmittel werden abgeschafft
4. Maastricht-Kriterien: Wie wir im Herbst in den Gemeinderäten und im Landtag ein Aussetzen der Maastricht-Kriterien gefordert haben, sind wir noch ausgelacht worden. Jetzt macht die Bundesregierung ein Schuldenbudget, das sich gewaschen hat. Von den Maastricht-Grenzen ist keine Rede mehr.
5. Vermögenssteuer: Die Reichensteuer muss sofort her. Der Voves redet ja nur groß daher. Wenn es keinen Druck von unten gibt, dann werden die Reichen bald überhaupt keine Steuern mehr zahlen, dafür wird die Mehrwertsteuer angehoben – wie in Ungarn.
Michael Steiner für das BZÖ1. Europäische Solidarität: Die Hilflosigkeit der Europäischen Union tritt nicht erst im Rahmen der Wirtschaftskrise zu Tage. Eine Weiterentwicklung der Union bzw. eine Absicherung ist erst dann möglich, wenn die Union nicht nur die Köpfe, sondern die Herzen der europäischen Bürger erreicht.
2. Sozialunion vs. Steuerunion: Es werden nicht die Mitgliedsstaaten des sogenannten Kerneuropas das Problem sein. Probleme gibt es in Sachen Sozial- und Lohndumping vor allem mit den Erweiterungsstaaten des Ostens. Hier wird es absolut notwendig sein, dass die Übergangsfristen auch tatsächlich erhalten bleiben.
3. Kreditklemme: Die EU wird in diesem Fall wenig erreichen. Unser Vorschlag: Das Bankenpaket hat sich nicht bewährt. Daher müssen die Mittel umgehend eingefroren bzw. an die Länder und Gemeinden im Rahmen eines vorgezogenen Finanzausgleiches übertragen werden.
4. Maastricht-Kriterien: Das Verfahren der EU bei Bruch der Maastrichtkriterien hat die gleiche Ordnung wie vor dem Salzamt. Faktum ist aber, dass die Maastrichtkriterien ein guter Parameter für die Budgetpolitik der einzelnen Länder sind.
5. Vermögenssteuer: Eine Erhöhung der Steuern, Neueinführungen und dergleichen kommt sicher nicht in Frage. Unser Modell: Flat Tax – ein einheitlicher flacher Steuersatz.
» Keine Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.
» Kommentar schreiben
Nur registrierte Benutzer können Kommentare schreiben. Bitte melden Sie sich an oder registrieren Sie sich.
|