Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Das Fleisch gewordene Bild
Freitag, 10. April 2009
Fleisch ist Nahrung, ist Materie, ist Körper. Fleisch als Objekt der Begierde, der Lust, des Exhibitionismus. Sechs KünstlerInnen aus der Schule für Künstlerische Fotografie von Friedl Kubelka sezieren mit unterschiedlichem Werkzeug, in Fotoarbeiten, Installationen, Objekten oder mit Tusche auf Papier, ihr – oft leibliches – Fleisch bis auf die Knochen. Schließlich fordert die materielle Konsumgesellschaft ihr Tribut, erlangt Gewalt über das Fleisch, inszeniert es in Mode und Körperkult, während gleichzeitige Tendenzen ins Körperlose, ins Virtuelle gehen und gutes Gewissen nur vegetarisch isst.
Fleisch werden. Michael Blank zeigt in seinen kraftvollen, grafischen Arbeiten eine umgekehrte Opferrolle, lässt das zum Zweibeiner mutierte Schwein, das den kopfüber baumelnden Menschen schlachtet, zum Rächer werden für seine Zugehörigkeit zur Fleischrasse. Einen eher leisen, erhabenen Zugang zum Fleisch als Nahrungsmittel bietet der Tatort, die Örtlichkeit, die zur Fleischwerdung bestimmt ist in Herbert Mayers Fotoserie „fleischraum“. In der Stille des Schwarzweißfotos wird auf Blut fast vergessen, der portraitierte Raum scheint in Sonntagsruhe, die Werkzeuge, sauber und geschärft, liegen alle an ihrem Platz. Kein Fleisch heute. Und doch ist es in seiner Abwesenheit allgegenwärtig.

Fleisch sein. Ganz anders und sehr vielfältig der Zugang von Julia Fuchs, die mit „Das ist mein Fleisch“ ihr Gesicht zu Postkarten zerschneidet und zum Verkauf anbietet oder in ihren Fotografien mit Fehlstellen arbeitet, den Körper, das Fleisch herausschneidet, um ihn dann in der Messerlade zu verwahren oder als Gliederpuppe zu einer Marionette der Lust werden zu lassen, deren Fleisch auch durch funktionstüchtige Prothesen ersetzt werden kann. Alles dreht sich um den Körper, auch wenn oder gerade weil er Gefangener des Geistes ist. Brigitte Stefanek-Egger überarbeitet mit wilden Kratzern und scharfen Strichen Motive der Hysterie. Das klassische, medizinische Tableaux aus dem 19. Jahrhundert zeigt ein Bild vom Frauenkörper, inszeniert ins Bild gesetzt, verkrümmt und in entrückten Posen, ein historisch rein weiblich konnotiertes Krankheitsbild, das hiermit infrage gestellt werden soll. Karin Petrowitsch begegnet mit analogen fotografischen Mitteln dem Verfall, dem toten Fleisch, dem Zersetzungsvorgang, der, einmal in Gang gesetzt, sich nicht mehr aufhalten lässt, beobachtet mit ihrer Kamera Stadien der Verwesung des Materials Fleisch. Piers Erbslöhs inszenierte Fotografien rücken zugleich den Menschen in eine am Boden liegende Opferrolle, wie er nackt mit Blut und Gedärmen hadert, oder eher bis zu einer Erlösung auszuharren scheint.
Am 17. April werden die in der Ausstellung vertretenen Bildpositionen korrespondierend auch in literarischer Form untersucht: Mircea Catarescu, Franzobel und Olga Flor nähern sich in einer finalen Lesung dem Thema. Um 19 Uhr und mit Musik von Thomas Rottleuthner – bei den Minoriten.
\ Eva Pichler
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