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„Da müssten jetzt schon andere nachgekommen sein“ |
Freitag, 10. April 2009 | |
Am 20. März gastierten die „Schmetterlinge“ mit einem nahezu 30 Jahre alten Programm auf Einladung des KPÖ-Bildungsvereins in Graz: 1980 hatten sie mit „Verdrängte Jahre“ Auszüge aus Werken des im KZ Buchenwald ums Leben gekommenen österreichischen Dichters Jura Soyfer auf die Bühne gebracht. Der große Volkshaus-Saal war voll, gekommen waren nicht nur jene, die mit dem Agit-Prop der Siebziger aufgewachsen sind wie der Autor dieser Zeilen und sich noch feuchten Auges an die Live-Aufführungen der „Proletenpassion“ erinnern, sondern auch gar nicht wenige junge Fans der legendären Wiener Musikgruppe. Mit Schmetterlinge-Frontfrau Beatrix Neundlinger sprach Christian Stenner über die Rolle der Stars von gestern in den Bewegungen von heute. Seit den 80ern hat sich viel geändert – die Schmetterlinge waren im weiteren Sinn Teil einer politischen Bewegung, sehnst Du Dich nach dieser Zeit zurück? Dabei hab’ ich fast den Eindruck, dass das Jura-Soyfer-Programm, das ihr heute gespielt habt, mit seinem Ursprung in der Zeit der Weltwirtschaftskrise heute aktueller ist als in den Achtzigern … Nostalgie gibt’s bei mir bloß in Bezug darauf, dass es schön wäre, wenn ich wie früher mehr musizieren und vom Musizieren leben könnte. Abgesehen davon wünsche ich mir früher nicht zurück, ich geh’ mit der Zeit und schaue nach vorn.Ja, was Jura Soyfer betrifft, so bin ich immer wieder erstaunt, wie aktuell die Texte schon vor Jahren wieder waren und ich hab’ auch das Gefühl, er wird immer aktueller. Fragen Euch Veranstalter jetzt vermehrt um dieses Programm? Und: Hast Du den Eindruck, dass Ihr wieder mehr Junge damit ansprechen könnt, weil die Inhalte wieder aktuell sind? In Wien waren die ersten Gäste bei den Aufführungen natürlich die, die mit uns alt geworden sind – aber es waren auch ganz Junge da. Man merkt die Aktualität schon an den Reaktionen des Publikums. Was mich immer wieder erstaunt und berührt: Jura Soyfer war erst 27 Jahre, als er starb. Er hat so viel vorausgesehen und punktgenau dargestellt, auch in seinen kurzen Stücken, die er unter den Bedingungen der Zensur geschrieben hat und in denen er deshalb Bilder verwenden musste, die aber total treffend sind. Könntet Ihr Euch vorstellen, ein neues Programm zu machen, das von der aufklärerischen Intention her euren „alten“ Stücken entspricht, aber neuere Formen verwendet? Darüber haben wir noch nicht gesprochen, aber: Wir hatten aufgehört, weil wir das Gefühl hatten, dass sich das gemeinsame Schaffen totgelaufen hat. Jetzt war es uns auf einmal wieder möglich, ein Stück von früher, das uns sehr am Herzen liegt, wieder aufzunehmen. Wir haben heute eh gemeinsam überlegt, warum das so ist, und wir sind zum Schluss gekommen, dass wir milder miteinander umgehen. Die Konkurrenz, die es ja auch immer gegeben hat, zum Beispiel: wer darf welches Lied singen, die ist in den Hintergrund getreten. Mittlerweile sind wir gesetzter, reifer, auch dadurch, dass jeder seinen eigenen Arbeitsbereich hat und wir zusammenkommen, um einfach auch Freude am gemeinsamen Musizieren zu haben. Zu Deiner Frage: Etwas Neues aufzunehmen war bis jetzt kein Thema und ich glaube nicht, dass wir das machen könnten, irgendwie wäre das doch fast wieder ein Schritt zurück. Was ich mir aber vorstellen kann, wäre, die Proletenpassion wieder aufzunehmen, so, wie sie war und ergänzen, vielleicht durch eine kurze Station „Gegenwart“ – einen kurzen Ausblick. Mit dem Heinz R. Unger [Der Wiener Schriftsteller Heinz R. Unger steuerte die Texte zur 1976 bei den Wiener Festwochen uraufgeführten „Proletenpassion“ bei, einer Rockoper, die die Geschichte des Proletariats von den Bauernkriegen bis in die Siebziger des 20. Jahrhunderts nachzeichnet, Anm. C.S.] bin ich ja sowieso in Kontakt. Der schreibt für mich und meine Band. Das heißt, man könnte ihn für so ein Projekt gewinnen? Ich denke schon, ja. Ich würde sie dennoch als historisches Stück aufführen, nach dem Motto: „Das war 1976“. Und daran hängen wir einfach ein paar Lieder an, einen Ausblick, wie wir die heutige Situation einschätzen. Meinst Du, dass Willi Resetarits für ein solches Projekt zu haben wäre? Ich weiß es nicht. Ich habe das Gefühl, sollten wir die Proletenpassion spielen, wäre Willi für mich unverzichtbar. Bei „Verdrängte Jahre“ habe ich ja das Glück, dass der Willi nicht dabei ist (lacht), dass ich seine Lieder singen darf, die mir sehr gut gefallen. Ihr wart in den Siebzigern und Achtzigern immer dabei, wenn es politisch um etwas gegangen ist, von der Arena-Besetzung in Wien bis zur Besetzung der Hainburger Au. Könntest Du Dir vorstellen, dass Ihr wieder eine ähnliche Rolle spielen könnt wie damals? Ich glaube, dass es kein Zurück gibt, und das würde ich auch nicht gut finden. Wir sind ja politisch engagiert. Ich bin im Integrationshaus Vorstand und Gründungsmitglied und so etwas wie die Kulturministerin, das heißt, ich habe dort meine Aufgaben zu erfüllen, die mich auch ausfüllen. Natürlich sind wir auch auf Demonstrationen, aber ich glaube, die Vergangenheit sollte man nicht wieder aufwärmen. Da gibt es ja jetzt junge, frische Kräfte, warum sollte man da uns Sechzigjährige nehmen? Weil vielleicht die Sechzigjährigen auch wieder bei den Demos mitgehen? Naja, die sollten sich nicht überall einmischen, sondern sich langsam darauf vorbereiten, wie es sich gut sitzt im Altersheim. Wir sind unterschiedlich, aber ich gehe immer wieder auf Diskussionsveranstaltungen und ich werde auch immer wieder zu verschiedenen Veranstaltungen eingeladen, da bin ich natürlich dabei. Aber ich glaube, etwas zurückzuholen, was einmal war, so etwas 1:1 zu wiederholen, das macht keinen Sinn. Wir sind nicht die erste Band einer Vorwärtsbewegung zu einem neuen, besseren Leben. Da müssten jetzt schon andere nachgekommen sein. Aber dabei wärt ihr zumindest? Wir sind sowieso dabei. Vielleicht oder sogar sicherlich als Einzelkämpfer. Aber als Band, das kann ich mir eher nicht vorstellen.
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