Wie ist das Verhältnis zwischen Film und seiner Repräsentation im Ausstellungsraum? Wie setzen sich KünstlerInnen und Künstler mit dem Medium Film im Kontext der Kunst auseinander?
Concept Film, so nennt sich eine Ausstellungsreihe, über die der Kunstverein Medienturm diese Fragestellungen auslotet. Denn anders als im Kino sind die räumlichen Begrifflichkeiten im Kunstbereich weiter gefasst und es gibt Möglichkeiten ergänzend andere künstlerische Mittel einzusetzen. Dorit Margreiter und Ursula Mayer, die beiden in der aktuellen Ausstellung „Concept Film (I)“ vorgestellten Positionen, arbeiten mit Medien wie Text und Fotografie oder Skulptur und Fotografie als Ergänzung zum Video. Inhaltlich geht ihr Interesse in Richtung der Darstellung einer Historizität von Räumen oder einem Spiel mit Personen, die über die Filme aus ihrem Kontext heraustreten und ein „neues“ Stück Geschichte erzählen.
Frauen des Modernismus. Ursula Mayer legt ihre Filme als narrative Re-Enactments an, als eine Schnittmenge aus Geschichte und Gegenwart, die ikonografische Frauenpersönlichkeiten des Modernismus umkreist. So huldigen in „Memories of Mirror/ Theatrical Personalities after Mary Wigman and Madame d’Ora“ drei Frauen in wallenden Gewändern der choreografischen Arbeit von Mary Wigman, einer Pionierin des modernistischen Ausdrucktanzes. Mit ihren opulenten Kleidern aus den 20ern und ihren dramatisierten Gesten füllen die Tänzerinnen einen an sich leeren Raum, der seine Strukturierung nur durch eine gesteigerte Lichtführung erfährt, versuchen den filmischen Raum aufzubrechen, ihn zum Betrachter hin zu öffnen – ein in die Choreographie einbezogener Spiegel fungiert als Verbindungselement zum Ausstellungsraum. Die Installation „Neclace“ greift dieses Spiegelmotiv auf und verschmilzt es mit Zitaten von Kunst und Designobjekten des Modernismus im Realraum zu neuen Bedeutungen. Auch der aktuelle Film Ursula Mayers rankt sich um drei weibliche Protagonistinnen: „The Lunch in Fur / Le Déjeunere en Fourrure“ bringt die surrealistische Künstlerin Meret Oppenheim mit der Fotografin, Malerin und Picassomuse Dora Maar und der Tänzerin und Sängerin Josephine Baker in Verbindung. Wie unter alten Freundinnen üblich, die einander schätzen, aber doch mit der angebrachten Distanz begegnen, entspinnt die Künstlerin ein Gespräch zwischen den dreien, unterlegt von einem allgemeinen Hypertext über Erinnerung. In einem detailverliebt in Szene gesetzten, modernistischen Wohnraum wird ein Teppich der Erinnerung geknüpft – jede der Frauen fügt aus ihrem Leben etwas hinzu, das an einem persönlichen Gegenstand, einem Kunstwerk festgemacht scheint. Neben den Hauptdarstellerinnen ist es hier besonders auch die Geschichte des Ortes, der Ausstattung, die lebhafte Nuancen beisteuert.
Spätmodernistische Architekturikonen. Dorit Margreiters Arbeit „10104 Angelo View Drive“ zeigt Architektur in ihrer Reinform. Eine Villa in Beverly Hills, ihre Funktionalität und ihr Design wird zum Inhalt. Geplant von „Space-Age“ Architekt John Launtner ist die Sheats/Goldstein Residence, nicht zuletzt weil sie utopischen Versprechen der damaligen Zeit gerecht zu werden versucht und über diverse technische Finessen verfügt, genau das, was man mit ultramodernem Lifestyle verbunden hat und immer noch verbindet. Ohne Tonspur und mit Ausdrucksmitteln der Architekturdokumentation spielend, führt uns Margreiter in langen, präzisen Einstellungen das Haus vor. Genauer gesagt seine Bewegungen, die die in Erstarrtheit versunkenen Räume zu lösen scheinen, seine mechanischen Eigenschaften, hydraulisch verschiebbaren Wände, Dächer und Böden. Per Fernsteuerung führt eine unsichtbare Über-Figur ein strenges Regiment über die Funktionen der Architektur. Trotz jeder menschlichen Abwesenheit ist der männliche Besitzer am Kontrollhebel allgegenwärtig. Dass die Villen John Launtners in vielen Hollywoodproduktionen als Set herhalten mussten, wenn der Bösewicht in seinem Reich „schalten und walten“ sollte, untermauert dieses Gefühl. In diese Gelassenheit der auf- und abfahrenden Architekturelemente schneidet Dorit Margreiter die sehr expressiven Sequenzen der kalifonischen Perfomancegruppe Toxic Titties, die das Haus zum Bühnenset für kurze, narrative Szenen umfunktionieren. Mit nachgespielten „Bildern“ werden auf ironische Weise feministische, institutionskritische und patriachale Positionen ins Gebäude eingeschleust und die Übermacht des Hauses aufgestört. Parallel zum Video steht die Fotografie in Form von Production Stills, die einen zur Filmarbeit leicht verschobenen Blickwinkel zeigen. Feine Kritik an der noch in der Moderne sehr männlich dominierten Kunstgeschichte und an geschlechterdominierten Machtverhältnissen im Allgemeinen. Womit die beiden Positionen einander virtuos ergänzen. Auf dem Fuße folgt bereits die Ausstellung Concept Film (II) in der Amsterdamer Galerie Arti et Amicitiae (ab 4. April 2009) mit Dariusz Kowalski, Lotte Schreiber, Ben Pointeker und Gebhard Sengmüller. Concept Film (I) ist bis 30.Mai im Medienturm zu sehen. \ Eva Pichler
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