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Luise Kloos: „Die Augen öffnen für die Dinge, die da sind“
Freitag, 10. April 2009
Sie ist in der Performance ebenso zuhause wie in verschiedenen Sparten der bildenden Kunst – sie malt und zeichnet, ist Objektkünstlerin, Kinderbuchillustratorin, Fotografin und Aktionskünstlerin. Ihre Arbeiten sind international bekannt, sie wird zu Festivals nach Kroatien, Bosnien und Serbien eingeladen und zu Ausstellungen nach New York und London; zum europäischen Kulturhauptstadtjahr in Turku wird sie einen Beitrag leisten. Sie organisiert Festivals, Schulworkshops und Tanzprojekte, Fragen des Zusammenlebens der Kulturen beschäftigen sie ebenso wie ökologische und religiöse Themenstellungen.

Luise Kloos ist wohl eine der vielseitigsten Künstlerinnen der Steiermark, aber Beliebigkeit ist ihre Sache nicht: „Kunst“, sagt sie, „heißt für mich den Menschen die Augen öffnen für die Dinge, die ohnehin da sind.“ Diesem Imperativ wird auch ein neues Projekt gehorchen, das sie gerade entwickelt – „ein ,Bergprojekt‘, das viele Fragen stellen wird, z.B. wie sich der Klimawandel in diesen Breiten auswirken wird, die Frage nach der Arbeit der Frauen in diesen Gegenden, nach der lokalen Volkskultur, nach den Zeugnissen anderer Kulturen in diesen Breiten …“ Ihre Worte sind zurückhaltend und bestimmt wie die Produkte ihres künstlerischen Schaffens.

Die Rolle der KünstlerInnen bei der Transformation der Gesellschaft. Die Beschäftigung mit der Diversität, den Interferenzen und dem Zusammenleben von Kulturen zieht sich als roter Faden durch Kloos’ Schaffen. Am 29. April wird sie in Brüssel AS_TIDE präsentieren, ein Kunstprojekt, das in Zusammenarbeit mehrerer europäischer Kunstvereinigungen unter Beteiligung des von Kloos 1995 gegründeten Vereines „next“ entstanden ist und dessen Ziel die Konstitution eines europäischen Netzwerkes ist, das auf eine kollektive europäische Identität unter Beibehaltung der kulturellen Vielfalt abzielt – letztendlich gehe es darum, dass die KünstlerInnen ihre Verantwortung bei der Transformation der europäischen Gesellschaft wahrnähmen, sagt Kloos. Das internationale Ensemble „Zeitfluss“, das seine Aufführungstätigkeit auf die Werke von Komponisten des 20. Jahrhunderts fokussiert, wird bei der Präsentation eine Komposition von Anselm Schaufler aufführen – „ein Stück, das von heimischer Volksmusik in ein persisches Traditionsstück übergeht und dessen Struktur wieder in die lokale musikalische Tradition transformiert“.

Künstlerische und soziale Intervention. Im Rahmen von AS_TIDE sind im Oktober 2008 in Graz 19 KünstlerInnen aus verschiedenen Ländern Europas zu einem „Artists-in-Residence“-Projekt unter dem Titel H.E.I.M.A.T. zusammengetroffen. Teil des Programms war die Etablierung eines „Transracial Institute“ – das vorgab, ähnlich einer Geschlechtsumwandlung per Operation zur gewünschten ethnischen Identität zu verhelfen: Verfremdung und Übertreibung als bewährtes Mittel, Vorurteile und Tabus zu entlarven.
Bei Kloos ist die Grenze zwischen künstlerischer und sozialer Intervention durchlässig bis nicht existent: Bei einem Projekt im Pfarrkindergarten Karlau, zu dem auch die Eltern eingeladen waren und an dem u.a. die Tänzerin Christina Medina mitwirkte, wurden „festgefahrene Verhältnisse durch Tanz und Bewegung aufgebrochen“, erzählt Kloos. Die KünstlerInnen konnten an einer Stadtführung durch SchülerInnen der Andräschule teilnehmen und lernten so Graz aus dem Blickwinkel von Kindern kennen, die in ihrer großen Mehrheit aus Familien mit Migrationshintergrund stammen.
 
Kinder sind professionelle Akteure. Performance-Workshops mit Kindern machen einen wichtigen Teil der Arbeit von Luise Kloos aus. Auslöser dafür war nicht etwa die pädagogische Vorbildung der Künstlerin, sondern die Arbeit an der Ausstellung „Bananenrot und Himbeerblau“ am Landesmuseum Joanneum 1998, die in das gleichnamige – gemeinsam mit Kindern gestaltete – Buch mündete. Es folgten Aufträge der Internationalen Tanz- und Bühnenwerkstatt, Performance-Werkstätten für Kinder auszurichten; voriges Jahr war sie beim Kinderkulturfestival im kroatischen Sibenik zu Gast, wo sie eine Performance entwarf, deren Bewegungen vom Gedicht „Zwölf“ des Dadaisten Kurt Schwitters ausgingen. Heuer wird Kloos eine Kinderperformance in Osijek betreuen. Das Thema: „Die Freiheit träumen“. Eine Einladung nach Sarajewo zu einem ähnlichen Event wurde ebenfalls bereits ausgesprochen.
Wer meint, dass es bei diesen Performances vorrangig um den Spaß der jungen Mitwirkenden geht und der Weg dabei das Ziel ist, täuscht sich: „Egal wie alt die Kinder sind, das professionelle künstlerische Ergebnis steht im Vordergrund – und die Kinder begreifen das auch so.“ Egal ob es um Aufgabenstellungen gehe, wie verschiedene Emotionen durch eindeutige Körperhaltungen darzustellen oder sich in unverständlichen Sprachen zu unterhalten: „Die Kinder haben Ideen, auf die ich selbst nie käme, sie entwickeln enorme Fähigkeiten und verhalten sich wie professionelle Akteure.“

Threads of Light. Trotz allem Engagement in der Arbeit mit Kindern bleibt die bildende Kunst der Schwerpunkt von Kloos’ künstlerischem Schaffen. Mit ihrer Installation „Threads of Light – Memorial to Lost Souls“ am Yeshiva University Museum in New York hat sie ein tief berührendes Holocaust-Memorial geschaffen. Senkrecht verlaufende Glasfasern stellen den Bezug zu den Duschen in den Konzentrationslagern dar; die am Boden liegenden Steine sind ein Verweis auf den jüdischen Brauch, bei Friedhofbesuchen Steine auf die Gräber der Verstorbenen zu legen. Die harfenartige Bewegung der im Licht schwingenden Glasfasern transzendiert die Erinnerung an das Geschehene. Glasfasern spielen – diesmal als Ausdruck fortgeschrittener Technik – auch eine wichtige Rolle in neueren Arbeiten von Luise Kloos. Sie hat sie in eine ihrer jüngsten Performances („Streaming“) integriert, die dem Thema „Natur und Technik“ gewidmet war und im September 2008 als Auftragsarbeit der AVL Cultural Foundation in der Listhalle aufgeführt wurde (Choreografie: Liz King, Musik: Erdem Tunakan).
2007 erging die Einladung zur Teilnahme an einem von der Ben-Uri-Gallery London ausgeschriebenen Wettbewerb für jüdische Kunst, bei dem die von Kloos eingereichte Arbeit als einzige einer nichtjüdischen Künstlerin unter die 18 ausgewählten kam.
„Es ist alles geschrieben.“ Wahrscheinlich haben alle Werke von Kloos eine spirituelle Dimension; und so wie Joseph Beuys, dessen Aktion „Stattverwaldung statt Stattverwaltung“ sie in diesem Zusammenhang zitiert, ist ihr das Verhältnis zwischen Kunst und Umwelt im weitesten Sinn der Wortbedeutung – sie sagt „Schöpfung“ – besonderes wichtig: „Es ist eine künstlerische Sichtweise nötig, um zu erkennen, dass man sich in der Schöpfung demütig bewegen soll.“
Es gibt in einem Teilbereich ihres Schaffens aber auch den direkten Bezug zur Religion – und direkt ist hier im Wortsinn gemeint. Schon vor einigen Jahren hat sie mit „1000 Namen“ einen Vorläufer jener Installation geschaffen, an der sie heute arbeitet. Auf Stoffbahnen gestickte Auszüge aus den Schriften der großen Religionen dieser Erde sollen einen intimen Raum bilden, der den darin Eintretenden die Schönheit dieser Texte ohne Unterschied ihrer Herkunft vor Augen führen soll.
Den Ursprungstexten soll nichts hinzugefügt werden, keine Erläuterung, keine Interpretation. Denn: „Es ist alles geschrieben.“

\ Christian Stenner

 

Luise Kloos...

... lebt und arbeitet in Graz. Nach dem Abschluss ihres Pädagogikstudiums Studium an der Architekturfakultät der TU Graz (Künstlerische Gestaltung) und als ao. Hörerin an der Akademie der bildenden Künste Wien. 1995 Gründung von next – Verein für zeitgenössische Kunst. 1999 Österr. Kinder- und Jugendliteratur Sachbuchpreis, 2005 Anerkennungspreis Maecaenas Steiermark und Maecaenas Österreich, 2007 Finalist at the International Jewish Art Award (Ben Uri Gallery, London), 2009 Josef-Krainer-Preis. Lehraufträge an der Universität Graz, der FH Joanneum, dem Bildungshaus Schloss Retzhof und an der University for Technical Engineering, Kerala. Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen, u.a. in Graz, Zagreb, Beograd, Cochin (Indien), Mostar, Miskolc usw.
 

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