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„Der ungezügelte Finanzkapitalismus ist gescheitert“
Mittwoch, 11. März 2009
Das Durchschlagen der weltweiten Finanzmarktkrise auf die Realwirtschaft macht ein Handeln der nationalen Regierungen unausweichlich, besonders das Infrastrukturministerium ist gefordert, um mit dem Vorziehen von Baummaßnahmen die schwächelnde Konjunktur wieder anzukurbeln.
Bundesministerin Doris Bures (SPÖ) sprach mit Gregor I. Stuhlpfarrer über die Notwendigkeit eines dritten Konjunkturpaketes sowie die Sinnhaftigkeit, die Maastricht-Kriterien angesichts der derzeitigen Situation einzuhalten.

Frau Ministerin, plakativ gefragt: Die österreichischen Banken bekommen 100 Mrd. Euro – wie viel Geld gibt es für Infrastrukturprogramme, die Arbeitsplätze schaffen beziehungsweise aufrechterhalten?

Die eine Sache ist, dass dieses Bankenschutzschild, das aufgespannt wurde, für die Gesamtwirtschaft ganz wichtig ist. In Bezug auf die Wirtschaftsdaten, den Arbeitsmarkt und die Frage der Beschäftigten wäre es eine Katastrophe, wenn die österreichischen Banken entweder in Konkurs gehen oder alle auf einmal vom Staat aufgefangen werden müssten, denn dann sind die Sparvermögen weg und auch kein Bauarbeiter hat mehr Arbeit. Das Bankenhilfspaket ist also nicht aus Liebe zu den Banken, sondern aus Liebe zum Wirtschaftsstandort und zur Beschäftigung in Österreich entstanden.
Was das Infrastrukturministerium betrifft, so muss man sich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, in denen man Konjunkturpakete schnürt, überlegen, wie man das Geld am sinnvollsten einsetzt: Das Sinnvollste sind Projekte, wo man Werte für die Zukunft schafft und hohe Beschäftigungseffekte rasch erzielt. Es geht ja auch darum, dass man jetzt ganz schnell gegensteuert und daher haben wir im Infrastrukturministerium Konjunkturpakete mit insgesamt 900 Mio. Euro, wovon 700 Mio. Euro in Schienen- und 200 Mio. Euro in Straßensanierungen gehen sollen.
Ich muss aber ganz ehrlich sagen, dass ich noch nicht sagen kann, ob das genug ist, denn das wird in erster Linie davon abhängig sein, wie sich die Lage entwickelt…

…ein weiteres Konjunkturpaket ist aus heutiger Sicht also nicht auszuschließen – von Seiten des Koalitionspartners wird aber immer wieder auf die Maastricht-Kriterien (max. 3% Neuverschuldung) verwiesen. Sind Sie der Meinung, dass man sich in Zeiten der Krise an diese Auflagen halten soll?
Nein, denn wir brauchen jetzt außergewöhnliche Mittel. Eine weitere Lehre aus den Ereignissen der letzten Monaten ist doch, dass der ungezügelte Finanzkapitalismus gescheitert ist und mit ihm eine ausschließlich neoliberale Wirtschaftspolitik. Ich hoffe daher, dass sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass es auch in Zukunft gewisse Leistungen geben muss, die man nicht privatisieren kann, sondern wo es eine staatliche Verantwortung gibt, so zum Beispiel bei den Pensionen, dem Gesundheitssystem oder aber auch beim öffentlichen Verkehr.  
Es geht jetzt also nicht nur darum, wie man die Konjunktur ankurbeln kann, sondern man sollte auch fragen, wie die Wirtschaftspolitik der Zukunft aussehen kann, weil das System, das wir hatten, das war ja offenbar nicht sehr erfolgreich. Was ein drittes Konjunkturpaket betrifft, so ist das letzte ja noch nicht zum Tragen gekommen, denn die Baumaßnahmen folgen erst im Frühjahr und die Kaufkraftentlastung in Form der Steuersenkung wird rückwirkend beschlossen, und ist ja auch noch nicht da.

Im April wird die Steuerreform wirksam werden, die Baumaßnahmen werden bis Sommer auch schon laufen. Demnach wird man im Herbst abschätzen können, ob man noch ein weiteres Konjunkturpaket braucht?
Einen Zeitrahmen zu nennen ist schwierig, weil man nicht beurteilen kann, wie sich die Wirtschaft und das Bankengeschäft in Osteuropa entwickelt. Die Konjunkturmaßnahmen und die Steuerentlastung werden sicher greifen, das wissen wir; was wir nicht wissen, ist, ob das reichen wird. Wenn sich im Herbst herausstellt, dass die Krise länger andauert als man glaubt, dann wird man weitere Pakete schnüren müssen.

Warum gibt es nicht mehr Zusammenarbeit für eine Konjunkturbelebung auf europäischer Ebene – gerade im Verkehrswesen würden sich die transeuropäische Verkehrsnetz (TEN-V) als Basis doch anbieten?
Wir investieren gerade in die TEN-Strecken, konkret in die Westbahn und die Südbahn oder zum Beispiel in den Brenner-Basistunnel, um den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen.
Aber, Sie haben vollkommen Recht, diese Investments sollen nicht an den Grenzen enden, dafür gibt es ja gerade diese TEN-Strecken und zuständige EU-Koordinatoren, mit welchen regelmäßige Treffen stattfinden, um zu schauen, wie diese Strecken weiterverlaufen.

…gleichzeitig musste man die letzten Wochen wieder einmal beobachten, dass sich die einzelnen EU-Staaten in wirtschaftlich turbulenten Zeiten in erster Linie auf ihre nationalen Ökonomien konzentrieren – könnte ein europäisches Konjunkturpaket nicht auch für die europäische Solidarität heilsam sein?
Man muss die Konjunkturpakete der einzelnen europäischen Staaten zusammenführen und das hat in einigen Mitgliedstaaten ein wenig länger gedauert, jetzt herrscht darüber aber großteils Konsens.
Von der Gewichtung her gibt es auch jene Länder, die noch stärker auf Steuerentlastungen setzen. Damit kann man zwar die Kaufkraft heben, aber man attraktiviert und festigt den Wirtschaftsstandort nicht. Österreich hat hier klar gesagt, dass man beides möchte – eine alleinige Konzentration auf Steuerentlastungen würde zu einem Wettbewerbsnachteil führen, wenn es dann wieder bergauf geht.
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