Österreichische Großbanken fürchten dieser Tage nichts mehr als das Schreckgespenst Osteuropa: Kredite in der Höhe von 230 Milliarden Euro – knapp 70% des österreichischen Bruttoinlandsprodukts – wurden in den letzten Jahren vergeben, ExpertInnen kalkulieren mit einer Ausfallsquote von zehn Prozent.
Außenminister Dr. Michael Spindelegger sprach mit Gregor I. Stuhlpfarrer über die Chancen der österreichischen Bundesregierung, ein Bankenhilfspakets für Osteuropa zu realisieren und die viel zitierte europäische Solidarität.
Herr Minister, welche weiteren Schritte wird die österreichische Bundesregierung setzen, um die Partner in der Europäischen Union dafür zu gewinnen, gemeinsam ein Bankenhilfspaket für Osteuropa zu schnüren? Das Ganze läuft de facto auf zwei Schienen: Das eine ist, dass man bei den betroffenen Ländern vor Ort darum wirbt, dass sie selber Maßnahmen ergreifen. Es geht ja nicht nur um Kredite, die uns betreffen, sondern auch darum, dass die Volkswirtschaften dort ganz normal weiterlaufen, dass es also nicht zu einem Crash kommt. Die zweite Schiene ist, dass man den Banken, die dort Risiken aufgenommen haben, unter die Arme greift. Ähnlich wie beim Bankenhilfspaket in Österreich soll dafür gesorgt werden, dass nicht alles zum Stillstand kommt, sprich keine Kredite mehr vergeben werden. Diese Anstrengungen laufen über die Europäische Union, deshalb gibt es auch Bestrebungen, dass man unter den Finanzministern dafür wirbt. Man muss aber konstatieren, dass Österreich bei der Partnersuche bis dato ziemlich allein gelassen wurde. Ist auch ein Szenario möglich, wonach nur jene Länder, deren Banken in den letzten Jahren durchaus gute Geschäfte gemacht haben, ein Bankenhilfspaket schnüren? Wir müssen uns erstmal darüber im Klaren sein, ob es Chancen gibt, ein derartiges Paket kollektiv zu schnüren oder nicht. Da ist noch lange nicht aller Tage Abend. Wir haben zum Beispiel vom ungarischen Premierminister ein Signal gekriegt, dass er ein solches Bankenhilfspaket voll und ganz unterstützen würde, diese Zustimmung in der Öffentlichkeit aber nicht groß hinausposaunt. Ich würde da jetzt nicht davon ausgehen, dass man sagt, die Bemühungen sind gescheitert und wir suchen nach einem neuen Szenario.
…aber wie wird man die europäischen Partner – beispielsweise Portugal oder Malta – dazu animieren können, hier mitzuhelfen. Diese werden verständlicherweise damit argumentieren, dass die heimischen Banken über Jahre hindurch prächtig verdient haben und diese Suppe nun allein auslöffeln müssen… Man muss hier mit der europäischen Solidarität argumentieren. Wir haben auf der anderen Seite über Jahre hindurch den Kohäsionsfonds aufrechterhalten, wo genau diese Länder von unseren Zahlungen profitiert haben. In dem Sinn ist das nie eine Einbahnstraße, sondern immer etwas, wo alle an einem Strang ziehen müssen – sowohl in der einen, als auch in der anderen Causa.
Nach ExpertInnenmeinungen ist die Ukraine von allen Ländern am schlechtesten aufgestellt, sie ist aber kein EU-Mitglied. Wird man sich in dieser Frage an den Internationalen Währungsfonds (IWF) mit der Bitte um Unterstützung wenden? Absolut, ich halte es für dringend notwendig, dass man den IWF noch einmal [Anm.: der IWF hat der Ukraine im Herbst einen Kredit über 16,5 Milliarden Dollar genehmigt] für Aktionen gewinnt. In so einem Fall kann es sich ja immer nur um ein Bündel von Maßnahmen handeln.
Gerade wenn man für ein etwaiges Bankenhilfspaket für Osteuropa noch einmal Geld in die Hand nehmen muss, wird man sich mit der Erfüllung der angepeilten Maastricht-Kriterien vermutlich schwer tun… …für mich sind die Maastricht-Kriterien eine wichtige und richtige Richtschnur, aber in außergewöhnlichen Situationen muss man einfach auch außergewöhnliche Maßnahmen setzen. Und ich glaube, dass das jetzt wirklich eine außergewöhnliche Situation ist, vor der wir stehen. Ich kann mich in meinem Leben nicht daran erinnern, gehört zu haben, dass irgend ein Land vor dem Bankrott steht, das in dieser Art und Weise Abwertungen passieren und man wirklich vor die Grundfragen gestellt wird. Darum wird man auch die Maastricht-Kriterien in diesem Sinn zu sehen haben. Trotzdem bleibt auch immer der Gedanke, dass ich alles, was ich jetzt an Sondermaßnahmen treffe, morgen auch finanzieren muss. Das betrifft dann alle Menschen der jüngeren Generation, die dann an den Konsequenzen lange tragen. Daher muss man trotzdem eine gewisse Behutsamkeit an den Tag legen.
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