Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Tante Käthe und der Superfund
Dienstag, 10. Februar 2009

Wimmlers Demontagen - von Karl Wimmler

Sie werden sie nicht kennen, meine Tante Käthe. Oder besser gesagt gekannt haben. Sie verstarb Anfang dieses Jahrtausends als 90-Jährige in ihrer kleinen Zimmer-Küche-Wohnung. Von ihr weiß ich, was ein Superfund ist. Das Wort „super“ gehörte normalerweise nicht zu ihrem Wortschatz. Aber im Gespräch mit ihren (Groß-)Nichten und Neffen bemühte sie sich manchmal verschmitzt, Anschluss an den Sprachgebrauch der Jüngeren zu finden. Das erste Mal erzählte sie von einem Superfund, als sie auf dem Weg ins Lebensmittelgeschäft ihres Wohnortes auf dem Gehsteig eine 5-Schilling-Münze fand. Damit ging sich damals problemlos das halbe Kilo Brot aus, das sie alle paar Tage kaufte. Die Tante war bereits zuvor bekannt dafür, hin und wieder triumphierend mit gefundenen Groschen-Münzen oder gar einer Ein-Schilling-Münze nach Hause zurückzukehren.

Der etwas andere Superfund. Sie war nicht lange begraben, da hörte ich das Wort Superfund wieder. Diesmal handelte es sich um den Sponsor des Fußballvereins aus dem Linzer Vorort Pasching. Der deutsche Reporter des europäischen Bewerbsspiels zwischen dem Fußballklub Pasching, der nun den Namen des Sponsors trug, und der Mannschaft des legendenumrankten Ruhrgebietsvereins Schalke 04 mühte sich ein ganzes Spiel lang, den Namen richtig auszusprechen. Andauernd wechselte er zwischen Fund, Fand, Faund und anderen Varianten hin und her. Ein aufmerksamer Zuschauer oder Zuhörer konnte ihm die Peinlichkeit anmerken, dass ihm der Name dieser Mannschaft nicht geläufig war, obwohl sie kurz zuvor die noch stärker als Schalke eingeschätzte Mannschaft von Werder Bremen überraschend klar aus dem Bewerb geworfen hatte.
Ich maß dem damals keine besondere Bedeutung bei und achtete kaum mehr auf den eigentümlichen Sponsornamen. Auch ist es mir selbstverständlich geworden, dass Unternehmen in unseren Breiten – je dubioser desto mehr – Unsummen dafür aufwenden, um sich einen Namen zu machen, den sie sich durch ihre normale Geschäftstätigkeit nie machen könnten. Ja, manche versuchen sogar, zuerst ihren Geschäftsnamen bekannt zu machen oder ihre Marke zu etablieren, bevor sie ihre eigentliche Geschäftstätigkeit beginnen. Superfund war also abgehakt.

Acht Prozent jährlich sind noch immer drin, wissen die Finanzberater Prohaska, Polster & Co. Bis mich vor fast fünf Jahren, am 4. Juli 2004, eine österreichische Tageszeitung aufklärte. Auf der ersten Seite fand sich ein mit Heftklammer befestigter „Superfund-Vermögensrechner“ aus Karton. Der „Rechner“ versprach innerhalb von sechs Jahren die Vermehrung von eingezahltem Kapital auf das Dreieinhalb- bis fast Neunfache je nach „Modell A, B oder C“. Den Großdruckversprechen stehen mit der Lupe lesbare Miniaturaufdrucke gegenüber: „Fiktive Annahme einer gleichbleibenden Rendite von 25%, 35% bzw. 45% p.a.“ Damalige Käufer dieser Papiere haben inzwischen bemerkt, dass es tatsächlich Papier war, was sie gekauft hatten. Und wissen nun vermutlich auch mehr über die Bedeutung des Wortes „fiktiv“. Das hinderte dieselbe Firma nicht daran, Ende vergangenen Jahres erneut einen Pappkartonrechner in die Briefkästen werfen zu lassen. Denn sie weiß: Papier ist geduldig, Wertpapier hingegen nicht. Also werden wieder Renditen versprochen. Allerdings naturgemäß keine 45 Prozent pro Jahr. Da würden vielleicht die nassen Fetzen fliegen. Aber 8% sind locker drin. Das bestätigen statt des verblichenen Fußballvereins Pasching nun Fußballerklärer wie Herbert Prohaska, Toni Polster und Freunde, die heutzutage den Superfund-Schriftzug im Fernsehen am Revers tragen.

Bartenstein und der Dompfarrer. Jetzt werden Sie sagen: Naja, Werbung! Man kennt das ja. Und wer glaubt denn den Junk-Mails aus Afrika über die verzweifelten paar Millionen Euro, die herrenlos ein Konto suchen. Darauf wäre auch die Tante Käthe nicht reingefallen. Aber da machen Sie es sich zu leicht! Denn in derselben Zeitung, die vor fünf Jahren den Papp-Rechner an die Frau und den Mann brachte, fand sich am selben Tag auch ein nicht leicht als Werbung erkennbarer halbseitiger Bericht über Superfund, den „weltweit größten Anbieter von Hedge-Fonds für Privatanleger“. Titel: „Superfund: Welterfolg mit Österreich-Wurzeln“. – Auch das eine übliche Masche: Österreichische Wurzeln, also bodenständig und ehrbar, nix amerikanisch-spekulativ und so. Und: Ein Farbfoto zeigte den Firmengründer samt dem damaligen österreichischen Wirtschaftminister Martin Bartenstein und dem Dompfarrer von St. Stephan bei der Eröffnung des Superfundzentrums in Wien. – Eine gute Gesellschaft? 1,3 Milliarden Euro Kundengelder hatte die Firma Superfund/Quadriga bis dahin eingesammelt. Und wo Geld fließt, kann so ein Minister nicht fehlen, der zur gleichen Zeit die übermäßige Inanspruchnahme von Invaliditätspensionen durch Kranke geißelte. Und dessen Nachfolger die Krankenkassen mit der Forderung nach einem „Konzept“ erpressen, das ihnen von den mit Füllhörnern überschütteten Banken nie eingefallen wäre zu verlangen. Heute will sich naturgemäß niemand mehr an den Segen von Regierung und Kirche für Superfund erinnern. Und den Ex-Minister fragt auch niemand mehr. Wäre ohnehin überflüssig. Von solchen Sachen hat er noch nie was gewusst.
Der Tante letzter Superfund. Meine Tante Käthe hatte demgegenüber mit dubiosen Finanztransaktionen nie was zu tun. Sie lebte nach ihrer Pensionierung drei Jahrzehnte von ihrer Mindestsicherung, vulgo Mindestpension, und da sie sparsam lebte und im Haus ihres Bruders nur einen symbolischen Mietgroschen zu zahlen hatte, fiel für ihre (Groß-)Nichten und Neffen immer wieder etwas „Unterstützungsgeld“ ab. Super!
Der beste und nach meiner Erinnerung letzte Superfund, der ihr gelang, war ein Fahrrad. Bei einem Spaziergang im Winter am Stadtrand sah sie den Griff aus dem Schnee ragen und packte zu. Dann schob sie das Fahrrad eine halbe Stunde lang nachhause. Dort riet ihr der auf Korrektheit bedachte gesetzestreue Bruder, das Fahrrad dem Fundamt der Gemeinde zu übergeben. Was sie tat. Da sich innerhalb eines Jahres kein Eigentümer meldete, ging es in den Besitz der alten Frau über. So wurde das Fahrrad dem Wort Superfund gerecht. Was von dem von Regierung und Kirche bejubelten Unternehmen vermessen wäre zu behaupten.

Karl Wimmler ist Historiker und Kolumnist des KORSO.
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