Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
„Maastrichtkriterien dürfen jetzt nicht im Vordergrund stehen“
Dienstag, 10. Februar 2009
KORSO-Herausgeber Christian Stenner wollte von Landeshauptmann Franz Voves  wissen, wie die Steiermark gegen die Krise ankämpfen kann. Herr Landeshauptmann, an die 50.000 SteirerInnen sind ohne Arbeit, täglich treffen neue Hiobsbotschaften ein. Das Land engagiert sich durch Unterstützung von AMS-Maßnahmen wie der Bildungskarenz, setzt auch eigene Initiativen wie JobConnect und übernimmt Haftungen für Unternehmen. Wie weit kann das Land Steiermark mit seinen beschränkten Mitteln in der Bekämpfung der Krise gehen?
Bund und Land haben viel unternommen, um die Kaufkraft zu stärken und die Konjunktur wieder anzukurbeln. Es ist übrigens bezeichnend, dass genau diejenigen, die über die Jahre hinweg den Slogan „Mehr privat, weniger Staat“ hinausposaunt haben, nun nach dem Staat rufen. Wir haben im letzten Doppelbudget ein Konjunkturpaket geschnürt, das z.B. 400 Mio Euro sinnvoller, zukunftsweisender Investitionen in die Infrastruktur, vor allem in Spitalsbauten, enthält, aber auch Straßenbauten, Brücken und Schulbauten – und wir setzen weitere 100 Mio Euro für kaufkraftstärkende Maßnahmen ein: Denken Sie an den Gratiskindergarten, an die Wohnbeihilfe neu oder an den Heizkostenzuschuss, den wir den exorbitant ansteigenden Energiekosten angepasst haben, und nicht zuletzt an den Gas- und Strombonus. In den allermeisten dieser Fragen gab und gibt es übrigens Einstimmigkeit in der Landesregierung.
Nicht zuletzt sind auch die großen österreichischen Infrastrukturprojekte wie die Koralmbahn zu nennen, aber auch die steirische S-Bahn. Im Konjunkturpaket des Bundes sind 200 Mio zusätzlich zur Koralmbahn für die Steiermark vorgesehen; der Umbau der Bahnhöfe Leibnitz, Graz, Bruck und auch Laßnitzhöhe wird damit möglich.
Dazu kommen die von ihnen genannten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen – und natürlich die vom Bund beschlossene Möglichkeit der Kurzarbeit. Da bin ich sehr glücklich, dass diese Möglichkeit nun auf 18 Monate verlängert wurde, weil sie über die Krise hinausweist – die Unternehmen können qualifizierte Fachkräfte halten, bis sie wieder Aufträge bekommen.

Das Konjunkturausgleichsbudget ist nach oben hin nicht limitiert; nun haben aber die Bundesländer schon jetzt nicht das halbe Prozent an Überschüssen erwirtschaftet, das sie laut österreichischer Anwendung der Maastrichtkriterien erreichen sollten. Werden Sie darauf drängen, dass die Maastrichtkriterien auch für Bundesländer und Gemeinden abgemildert werden sollen?
Die ganze europäische Politik hat bereits eindeutig signalisiert, dass wir uns in einer wirtschaftlich gesehen außergewöhnlichen Zeit befinden und daher die Maastrichtkriterien zur Zeit nicht im Vordergrund stehen sollten. Das heißt nicht, dass wir mit der Budgetentwicklung sorglos umgehen sollen.

Wären Sie glücklicher, wenn es jetzt die Steiermark-Holding in der von Ihnen vorgeschlagenen Form gäbe – auch als ein Instrument der Krisenintervention?
Ein derartiges aktives Instrument fehlt in der Tat – aber ich werde auch in der nächsten Legislaturperiode darum kämpfen.

Obwohl der Bund ein voluminöses Bankenpaket geschnürt hat, sind die Kreditflüsse nicht in Gang gekommen – jetzt soll auch das Land zusätzliche Haftungen übernehmen. Ist das nicht ein etwas kühnes Ansinnen?
Fast täglich gelangen Beschwerden von Klein- und Mittelbetrieben an meine Ohren, sie müssten Mitarbeiter freisetzen, weil sie keine Kredite mehr bekommen – Kredite, die ihnen aufgrund ihrer jahrelangen gleichen Unternehmensbewertungen bisher immer gewährt wurden. Es ist daher unbedingt notwendig, mit den Bankverantwortlichen Bedingungen für staatliche Haftungen und eigenkapitalstärkende Mittel zu diskutieren. Es kann nicht sein, dass wir z.B. das Ostengagement der Banken jetzt mit Steuergeldern absichern und auf der anderen Seite die Inlandskreditvergabe und die eigene Wirtschaft von den Banken derartig zurückhaltend behandelt werden. Ich schließe nicht aus, dass wir demnächst auf Regierungsebene dieses Thema intensiv zu behandeln haben.

Ein Blick zurück in die Vergangenheit und einer in die Zukunft: Zu einer Zeit, als Sie noch keine politische Verantwortung in der Steiermark trugen, um die Jahrtausendwende, war Ökonomen bereits bekannt, dass die Autoindustrie weltweit zu maximal 70% ihrer Kapazitäten ausgelastet war. War diese eindimensionale Ausrichtung der steirischen Wirtschaft im Licht dieser Kenntnisse sinnvoll?  
Der Blick in die Zukunft: Sie haben eine Umorientierung in der Wirtschaftspolitik angekündigt und wollen, dass der Sektor der Umwelttechnologie, vor allem der erneuerbaren Energie, forciert wird. Wie wird das in der Praxis aussehen?

Ich möchte jetzt keine Kritik an der Erfolgsgeschichte des Autoclusters anbringen – von seinem Erfolg haben ja jahrelang viele Menschen und Unternehmen gelebt. Dennoch darf ich darauf hinweisen, dass mein Vorgänger als SPÖ-Parteivorsitzender, LHStv. Schachner-Blazizek, immer darauf aufmerksam gemacht hat, wir mögen doch auch andere wirtschaftliche Standbeine in der Steiermark schaffen – das wurde dann ja auch getan, vom Holzcluster bis zum Humantechnologiecluster sind neue Stärkefelder entstanden.
Ich möchte jetzt ein weiteres Standbein stärken, nämlich die Ökoindustrie, ein Bereich, in dem wir ja hervorragende Unternehmen in der Steiermark haben, die bis nach China exportieren. Und was den Ausbau der Energiegewinnung aus erneuerbaren Energieträgern betrifft, so ist die Zeit jetzt günstig, weil wegen der Erdgaskrise die Köpfe dafür offen sind – beim Konsumenten, in der Wirtschaft und der Politik.
Der Verein Impuls Styria, in dessen Vorstand anerkannte Unternehmer wie Pildner-Steinburg, List, Roth und Androsch sitzen, hat ein Programm Energie 2025 vorgelegt, dann gibt es ein entsprechendes Sozialpartnerpapier, den Landesenergieplan und eine Reihe von Studien im Ressort Wegscheider. Ich habe den Landesenergiebeauftragten, DI Jilek, damit beauftragt, diese Unterlagen zusammenzuführen, damit wir konkrete Pläne für jede Region machen können, wie der dortige Energiebedarf nach Möglichkeit aus regionalen, erneuerbaren Ressourcen gedeckt werden kann.
Der gesamte ökoindustrielle Bereich ist in der Steiermark hervorragend aufgestellt – schließlich haben steirische Unternehmen in Brüssel entsprechende Auszeichnungen bekommen. Eine Anmerkung, mit der ich vielleicht ein bisschen provoziere: Beim Ausbau der erneuerbaren Energie in der Steiermark können nicht die Manager der Stromindustrie an vorderster Front stehen – das sind hervorragende Leute, die aber sehr stark der klassischen und fossilen Energiegewinnung verhaftet sind. Wir brauchen bei diesen Bemühungen den Landesenergieversorger als wichtigen Faktor, aber die Verantwortung dafür müssen wir in die Hände von Menschen legen, die sich damit immer identifiziert haben, die eine klare Haltung dazu haben und die Leidenschaft, wirklich etwas zu bewegen. Die politische Diskussion darüber möchte ich bis zum Sommer abschließen, dann soll eine umsetzbare Strategie feststehen.

Werden für diesen Schwerpunkt Mittel aus dem Landesbudget vorgesehen?
Wir werden aus allen Ressortbudgets Mittel für Maßnahmen der Energieeffizienz und der Energieproduktion – letztere mit Schwerpunkt auf die erneuerbaren Energieträger – konzentrieren, auch Bewusstseinsbildung soll betrieben werden. Und dann wird es in Zusammenarbeit mit der AVL List um neue Lösungen für den Individualverkehr gehen – im Wesentlichen um die Entwicklung eines neuen Hybridantriebs mit verbesserten Stromspeicherlösungen. Das würde nicht nur einen Schritt hin zu einer umweltfreundlicheren Mobilität bedeuten, sondern auch, dass wir hoch qualifizierte Techniker in Graz halten können. Wir müssen die aktuelle Krise als Chance nutzen, Aufgabe der Politik ist es, die Chancen zu erkennen und ihre Budgetmöglichkeiten darauf zu konzentrieren.
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