Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Der Wunsch an das Christkind
Dienstag, 9. Dezember 2008

Kreative, Stadt, Entwicklung (7)

Nicht nur die sozialdemokratische Partei schreibt im Wahlmanifest zu „Qualität der Arbeit“, dass geringe Höhe der Einkommen, mangelnde Arbeitsplatzsicherheit, prekäre Arbeitsverhältnisse und erhöhte Anforderungen ohne Gegenleistung den Druck auf den einzelnen Menschen verstärken würden.

Auch im Grazer Koalitionsvertrag, unter Mehrheit einer christlich-sozialen Partei steht „Schwarz-grüne Politik bedeutet Unterstützung der Kreativwirtschaft, insbesondere von Klein- und Kleinstunternehmen.“ Es sind jene neuen „Bobos“, die längst nicht mehr nur tolle Produkte und kreative Prozesse schaffen sollen, sondern durch ihre weitreichende Aktivität und Attraktivität ganze Regionen und Städte aus dem Niedergang erretten müssen – die Steiermark und Graz inbegriffen. Kreative Arbeit soll durch das Verschwimmen – oder in Adrienne Göhlers Worten: die Verflüssigungen – des künstlerischen Bereichs mit traditionell konträrem, profitorientiertem Wirtschaften zu einer weitreichenden Belebung der Gesamtwirtschaft führen. Doch wie sehen nun die tatsächlichen Arbeits- und Gehaltsbedingungen der Produzenten in diesem neuen Zugpferd der heimischen Wirtschaft aus? Ein Blick in die Architekturszene kann als repräsentativ angenommen werden, ist sie laut Kreativwirtschaftsbericht Österreich mit Abstand die größte der kreativen Sparten. Aber oje, die Realität sieht gelinde gesagt anders aus, als man bei der medialen und politischen Stimmungsmache erwarten könnte. Ein Großteil der ArchitektInnen arbeitet selbstständig in Klein- und Kleinstbetrieben oder ist in diesen (frei) beschäftigt. Ohne eine gehörige Portion Selbstausbeutungsbereitschaft und nach ökonomischen Gesichtspunkten würde wohl ein Gutteil dieser Büros sofort zusperren – müssen. Die Tabelle im Anschluss gibt die vom Rechnungshof ausgewiesenen Jahreseinkommen von selbstständigen ArchitektInnen und IngenieurInnen für 2004 wieder. Schockierend das unterste Viertel: Die Betroffenen bleiben als Einkommenssteuer-Nullfälle unterhalb des steuerrelevanten Mindesteinkommens. Gut, wer ein gutes Verhältnis zu Mama und Papa hat. Nur ganz wenige gut verdienende Großbüros verzerren den Schnitt, denn 50% verdienen weniger als 21.500,-- Euro brutto. Das ergibt ein Nettogehalt von etwa 17.000.- und somit 14x einen Monatslohn von ca. 1.200,-- Euro. Wenn man bedenkt, dass Architekten lt. Arbeitskräfteerhebung 2005 rund 52 Arbeitsstunden pro Woche leisten, ergäbe das ein aliquotes Gehalt von 920,-- Euro monatlich. Wie gesagt, diese Situation betrifft DREI VIERTEL ALLER ArchitektInnen, einem Beruf, für den ein Studium notwendig ist, das den Arbeitseintritt üblicherweise erst Ende 20 erlaubt. Gefragt nach den Gründen für derartig prekäre Arbeitsverhältnisse nennen etwa 70% den gestiegenen Wettbewerbsdruck, geringe Planbarkeit, unsichere Auftragslage sowie eine immer geringere Honorierung der Leistungen. Nach aufwändiger Auftragsakquisition binden Projektdurchführung und damit einhergehende Verantwortung die vorhandenen Ressourcen, danach fehlen Nachfolgeprojekte, und der Existenzkampf beginnt von Neuem. Ja, ja, weil es halt so viele Architekten gibt und die Konkurrenz zu groß ist, hört man dann als vermeintliche Erklärung.
Insider wissen, dass es woanders mangelt. Während allseits von Förderprogrammen, Netzwerken und anderen Politikerformulierungen zu lesen ist, wird in der öffentlichen Realwirtschaft das Gegenteil gelebt. Bezüglich Ausbeutung haben viele öffentliche Auftraggeber längst die angeblich so böse Privatwirtschaft überflügelt und schaffen damit exakt jene prekären Verhältnisse, die mittels Förderprogrammen angeblich vermindert werden sollen. Daher wünsche ich mir vom Christkind, dass Stadt und Land und ihre ausgelagerten Gesellschaften nicht das ganze Geld in Eigen-PR fließen lassen (wozu eigentlich diese teuren Rechenschaftsberichte in Gratiszeitungen?), dass sie mit ähnlichem Personal- und Managementaufwand auskommen müssen wie ihre Auftragnehmer (und nicht 10 Vertreter zur Vorbesprechung schicken), dass nicht immer die gleichen Preisdrücker die meisten Aufträge bekommen (und sich alle anderen um den kleinen Rest zerfleischen), dass sie das versteckte Billigstbieterprinzip dabei aufgeben (und wissen, wie man geistige Leistung beschreibt und beurteilt), dass die öffentlichen Stellen mit qualifizierten Personen besetzt werden (die zum Beispiel diese Kolumne verstehen) – kurzum also, dass Stadt und Land so in der Realwirtschaft agieren, wie es die Parteiprogramme verkünden und nicht kraft ihrer Monopolsituation ihre kaputten Budgets und teuren Strukturen auf Kosten der anderen sanieren (was sich nämlich nicht ausgehen wird). Das wünsche ich mir vom Christkind – und Ihnen/Euch ein gutes Durchkommen und ausreichendes Einkommen im neuen Jahr 2009. Prosit!

Architekt DI Harald Saiko Teilnehmer einer parlamentarischen Enquete zum Thema Baukultur sowie Mitautor des ersten österreichischen Baukulturreports im Auftrag des Nationalrates. Diese Arbeit wurde von 2002 – 2006  weitgehend ehrenamtlich (also unbezahlt) von österreichischen Architekturschaffenden geleistet und online zur Verfügung gestellt.
www.baukulturreport.at

Mara Verlic (Assistenz und Recherche), angehende Soziologin und sowohl in den Bereichen Kunst und Kultur als auch in der Stadtsoziologie in Graz tätig.
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