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Vom faustischen Zweifel zur Erkenntnis der Welt |
Dienstag, 9. Dezember 2008 | |
Am 4. November 2008 hat die Karl-Franzens-Universität Graz zum ersten Mal den „Tag der Geisteswissenschaften“ abgehalten. In einer multimedial erlebbaren Ausstellung und an den zahlreichen Informationsständen fanden Interessierte ausreichend Gelegenheit zu Gesprächen mit Fakultätsangehörigen und Studierenden, um sich durch die Welten der Philosophie, Literatur, Geschichte und Sprachwissenschaften „ver-führen“ zu lassen. Insgesamt präsentierten sich 16 Institute und drei Forschungszentren und zeigten eine Auswahl aus ihren Projekten.
on der Magd der Theologie. Als Höhepunkt des „Gewi-Tages“ absolvierte der bekannte Philosoph Konrad Paul Liessmann in seinem Vortrag „Wir über uns“ eine geistreiche Parforcetour durch die Geschichte der Geisteswissenschaften und sinnierte über deren Sinn und Funktion in der heutigen Gesellschaft. Im Weltbild des Spätmittelalters, wie es uns noch in Goethes „Faust“ geschildert wird, galten als Königsdisziplinen allein Jurisprudenz, Medizin und Theologie, während die übrigen Künste als Hilfswissenschaften Letzterer dienen sollten. Die Wurzeln dieser Fächer liegen in den aus der Antike tradierten „artes liberales“ der Scholastik, erklärte Liessmann: „Die untere, die philosophische Fakultät sollte rein der Vernunfterkenntnis dienen. Deren Erkenntnisse betrafen die empirische Erforschung der Natur genauso wie die Gesetze des Denkens selbst und die Grenzen der Vernunft.“ Was heute unter dem Begriff Geisteswissenschaften gehandelt wird, gibt es erst seit rund 200 Jahren, als sich die Naturwissenschaften von der Philosophie abzuspalten begannen und Fächer wie Physik und Chemie eine immer wichtigere Rolle für wirtschaftliche Prozesse einnahmen, betonte Liessmann: „Aber trotz Ökonomisierung und Verwertungszwang haben es die Geisteswissenschaften auch heute nicht nötig, ihr Licht unter einen Scheffel zu stellen.“ Deuten und Verstehen der Welt. So plausibel und nützlich uns auch die Erkenntnisse der Naturwissenschaften erscheinen mögen, so ist doch „unser soziales Leben zu einem hohen Grad von dem Verstehen unserer Mitmenschen und ihrer Verhaltensformen abhängig“, hob Liessmann hervor. Nur wenn dem Vernunftdenken kein Stellenwert mehr zugerechnet wird, wird die Krise heraufbeschworen: „Die Attraktion der Naturwissenschaften ist ohne die dazugehörige Technik und deren Glücksversprechen für den Menschen nicht zu verstehen. Die Krise der Geisteswissenschaften aber bricht immer dann auf, wenn sie kein Glück mehr anzubieten haben.“ Für Liessmann ist es daher offensichtlich, dass jenes „Glück“ nur darin bestehen kann, dass Menschen als verstehende, deutende Wesen durch Nachdenken über sich selbst andere Personen und deren Verhaltensweisen begreifen können. Diese Selbstreflexion wird aber erst durch Bildung erreicht: Sie macht es erst möglich, die „Vielfalt menschlichen Lebens, die Ausdrucksformen, die sich dieses Leben im Laufe der Geschichte in Sprache, Kultur und Religion gibt, kennenzulernen und diese, wie weit sie in Raum und Zeit auch entfernt sein mögen, zu verstehen“. In dieser Erkenntnis liegen, so Liessmann, zugleich Chance und Zukunft der Geisteswissenschaften. Josef Schiffer
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