Die Autorin Silke Rosenbüchler hat sich in ihren literarischen Texten sowie in ihrer Dissertation mit dem Motiv der „Utopischen Landschaften“ auseinandergesetzt. Sie plädierte auf der Tagung „Unsichtbare Intelligenz“ dafür, dass positive Utopien heute mehr denn je gebraucht werden, um eine bedrohte Welt zu retten. Mit Rosenbüchler sprach Josef Schiffer.
Welche Funktion haben „Utopische Landschaften“? Eine Utopie ist ein Gedankenmodell, das sich mit Weiterentwicklungen auseinandersetzt, und im Hinblick auf die dadurch verfügbaren Potenziale mögliche Gesellschaftsformen austestet. Bei der Betrachtung der Landschaft gibt es einerseits radikale Dystopien wie Franz Weigels „Stern der Ungeborenen“, wo durch Einwirkung des Menschen die gesamte Erdoberfläche in einen grauen Rasen verwandelt ist. Bei der positiven Utopie wiederholt sich das Motiv der ländlich klein-strukturierten Kulturlandschaft, die mit dem Ursprung der Menschheit in einer Savannenlandschaft korrespondiert. Die landschaftliche Veränderung Mitteleuropas unter dem Einfluss der bäuerlichen Kulturen vom Urwald zu überschaubaren Feldern und Obsthainen könnte man als einen Versuch der Rückkehr in eine Urheimat interpretieren. Wie äußert sich diese Rückkehr? Dieses positive Bild wird z.B. in der Werbung verwendet, um positive Assoziationen in den Köpfen der Kunden mit dem beworbenen Produkt hervorzurufen. Landschaft hatte früher die Hauptfunktion, Nahrung bereitzustellen, was vielen Menschen, die ihre Konsumbedürfnisse im Supermarkt decken, heute gar nicht mehr bewusst ist. Erst seit relativ kurzer Zeit ist in unseren Regionen das Phänomen des Hungers verschwunden, der uns die Abhängigkeit von der uns umgebenden Landschaft deutlich vor Augen geführt hat.
Was hat Sie zur Beschäftigung mit Utopien bewegt? Ich bin für meine Dissertation in literarischen und philosophischen Texten quer durch die Geschichte auf „Landschaftssuche“ gegangen, was viele Gemeinsamkeiten aufzeigt. Thomas Morus z.B. beschreibt in seinen Texten die ideale Stadt, die wiederum auf das „Himmlische Jerusalem“ und andere antike Motive zurückgeht. Schon damals tauchte der Topos der die ganze Welt umfassenden Stadt auf, die sich auch in Science-Fiction-Erzählungen der Gegenwart wieder findet. Letztere weisen eine erstaunliche Vielfalt von Landschaftstypen auf, die sich jedoch auch kategorisieren lassen.
Wie spiegelt sich das in Ihrem eigenen literarischen Schaffen wider? Ich habe eine Zeitlang selbst Science-Fiction-Szenarien entworfen. Das war davon motiviert, den Menschen andere Perspektiven vor Augen zu führen, die so vielleicht ihre bequemen Standpunkte verlassen und die Welt einmal mit den Augen von anderen betrachten. Es geht dabei auch darum, Ängste abzulegen, wie z.B. nicht mehr intellektuell genug zu sein, wenn ich das mache. Um diese dabei verlaufende Kommunikation zu beobachten, muss man sich auf eine Meta-Ebene der Literatur begeben. Ich glaube, dass wir uns als Menschen noch sehr viel weiter entwickeln und reifer werden müssen, bevor wir Utopien umsetzen können, ohne mehr Schaden als Nutzen anzurichten. Das kann letztlich nur durch mehr Bildung geschehen.
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