Die grundlegende Reform des österreichischen Gesundheitswesens ist nach übereinstimmendem Befund von ExpertInnen bislang an den unterschiedlichen Interessenslagen der beteiligten Akteure gescheitert.
Doch die Zeit drängt angesichts der Herausforderungen durch demografische Veränderungen und die rapide Zunahme von Zivilisationskrankheiten. Die Präsentation des politicum 106 unter dem trockenen Titel „Reform des Gesundheitssystems“ bildete zugleich den Anlass für den DiensTalk am 11. November, der sich dem doppeldeutigen Thema „Ungesund ist unsozial“ widmete. Unter der Leitung von Mag. Peter Bermann diskutierten politicum-Herausgeberin Univ.-Prof. Dr. Beatrix Karl, Mag.a Gerlinde Grasser, FH-Professorin für Gesundheitsmanagement, Dr. Josef Kandlhofer und Univ.-Doz. Dr. Gerhard Stark vom LKH Deutschlandsberg (Innere Medizin) über Lösungen und Wege aus dem Dilemma zwischen steigenden Kosten und hohen Ansprüchen.
Übergreifende Sicht notwendig. Beatrix Karl plädierte für eine Vereinheitlichung der komplizierten Strukturen auf den zahlreichen Gebieten der Versorgung: „Finanzierung und Planung müssen aus einer Hand erfolgen, dies betrifft auch die Einbeziehung der Pflege und der sozialen Situation.“ Besondere Aufmerksamkeit müsse dabei den Schnittstellen zwischen einzelnen Bereichen geschenkt werden – dieser Ansatz erfordere aber auch eine stärkere Mitverantwortung des einzelnen Patienten. „Wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz, um grundlegende Änderungen zu erreichen“, betonte ebenfalls Gerlinde Grasser, „neben der medizinischen Versorgung selbst ist das Augenmerk auf Faktoren wie Einkommen, Bildung oder Wohnsituation zu legen.“
Mehr Effizienz ist der Schlüssel. Für tiefgreifende Reformen im Bereich der Verwaltung sprach sich Josef Kandlhofer aus. „Ich halte nichts davon, weiteres Geld in das System zu investieren, bevor nicht alle Möglichkeiten der Effizienzsteigerung ausgeschöpft sind – denn nur Not macht erfinderisch, nicht der Überfluss“. Die Kosten der Gesundheitsversorgung liegen mit 10,1 Prozent des BIP international gesehen hoch und dieser Anteil hat sich seit 1970 verdoppelt. „Die Doppelgleisigkeiten zwischen Bund und Land gehören endlich weg, denn sie nützen nur den überwuchernden Verwaltungssystemen“, erklärte Kandlhofer, „denn auf seiner Ebene ist jeder Föderalist zugleich der überzeugteste Zentralist.“ Faktor Mensch fördern! Die zentrale Rolle des Patienten betonte der Mediziner Gerhard Stark. „Alle gesundheitsfördernden Maßnahmen sind nur dann sinnvoll, wenn sie auch dauerhaft gelebt werden.“ Das hätten auch umfangreiche Studien in den USA ergeben, wo rund 90 Prozent von erwachsenen Menschen zuvor angenommene gesunde Lebensweisen binnen kürzester Zeit wieder aufgegeben haben. Deshalb sei es von höchster Bedeutung, dass „bereits in Kindergarten und Schule damit begonnen werde, eine gesündere Lebensführung zu praktizieren.“
In der anschließenden Diskussion stand die Verantwortung des Menschen im Mittelpunkt: Die weit verbreitete Sichtweise, dass aus ungesunder Lebensführung entstandene Gesundheitsprobleme durch medizinische Behandlung quasi repariert werden könnten, müsste durch ein gesteigertes Bewusstsein für eine gesunde Lebensführung verdrängt werden. Josef Schiffer
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