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„Wüsste nicht, welche Aufgaben die Kommune im Sozialbereich nicht mehr erfüllen sollte“
Montag, 10. November 2008
Die Erstellung des Budgets der Stadt Graz für 2009 gestaltet sich mühsam: Zum einen ist die Stadt bei einem Gesamtschuldenstand von einer Milliarde Euro angelangt, zum anderen entsteht durch die beginnende Rezession vor allem im Sozialbereich zusätzlicher Finanzbedarf. KORSO-Herausgeber Christian Stenner bat Vizebürgermeisterin Lisa Rücker (Grüne), die früher selbst im Sozial- und Frauenbereich tätig war, und Frauen- und Sozialstadträtin Elke Edlinger (SPÖ) zu einer Diskussion, das wir hier in gekürzter Form wiedergeben. Als Expertin für Frauenfragen hat zudem Drin Ingrid Franthal vom Frauenservice Graz an diesem Gespräch teilgenommen. IF: Im Bereich des Frauenbudgets gibt es wie für alle anderen Ressorts die Vorgabe, den Eckwert des Jahres 2008 nicht zu überschreiten, dem gegenüber steht ein Gemeinderatsbeschluss, wonach das Budget höher dotiert werden soll. Womit dürfen oder müssen  die Frauenberatungs- und -betreuungseinrichtungen nun rechnen?
EE: Eine Aufstockung des Frauenbudgets ist nötig. In den letzten Jahren konnten die Subventionen nur aufrecht erhalten werden, weil das Land die Finanzierung des Frauenhauses übernommen hatte.
Zusätzlich hält das Koalitionsabkommen zwischen Schwarz und Grün fest, dass es weiterhin die Stelle einer unabhängigen Frauenbeauftragten geben muss. Dieser Meinung bin ich auch, ich bin allerdings nicht bereit, die dafür nötigen Mittel anderen Frauenprojekten wegzunehmen. Und: Das Budget des Frauenreferats soll auf den 700.000 Euro des Vorjahres eingefroren bleiben; das sind 0,09% des gesamten städtischen Budgets. Auf der anderen Seite haben allein die Container für die freiwillige Feuerwehr so viel gekostet wie das gesamte Frauenbudget.
LR: Wir mussten einen Ansatz für die Budgeterstellung finden, der eine Perspektive für die nächsten Jahre bietet. Ein Vorschlag bestand darin, dass die einzelnen Abteilungen ihren Eckwert für 2009 mit den Zahlen von 2008 darstellen. Die politische Bewertung dieser Ergebnisse steht noch aus. Bis heute hat jedenfalls niemand verlangt, die Subventionen im Frauenbereich zu kürzen.

CS: Aufgrund der Finanzkrise werden zunehmend die Maastrichts-Stabilitätskriterien in Frage gestellt, um die Krisenerscheinungen abzufangen. Wäre es nicht an der Zeit, dass auch die Stadt antizyklisch handelt?
LR: Wenn die Maastricht-Kriterien gelockert werden, müsste dies auch für die Gemeinden gelten, wenn diese in einer Wirtschaftskrise geschwächt werden, wirkt sich das direkt auf die Menschen aus.
Graz ist aus dem Budgetloch der letzten Jahre nicht herausgekommen. 2007 wurde das deklarierte Ziel, keine neue Schulden zu machen, zwar erreicht, gleichzeitig konnte man die laufenden Ausgaben der Stadt aber nicht in den Griff bekommen. Das wollen wir tun.
Unser Ansatz dafür war, die Eckwerte von 2008 auf 2009 gleich zu halten. Elke Edlinger hat den aus Sicht der Opposition durchaus legitimen Weg gewählt, den Eckwert beizubehalten und dafür eine Kürzung der Subventionen für Frauen- und Sozialeinrichtungen angekündigt. Das verwundert, weil wir ja noch gar keine Konsequenzen für den Fall angekündigt haben, dass der Eckwert nicht eingehalten werden kann.
Wir wissen natürlich, dass im Sozialbereich der Zuschussbedarf steigt. Die Stadt kann in diesen Bereichen weder Pflichtleistungen reduzieren noch Leistungen, die zwar im Ermessensbereich liegen, aber de facto längst schon Pflichtleistungen geworden sind wie Beratungs- und Betreuungsangebote. Das heißt, wir werden höchstwahrscheinlich mit einem höheren Eckwert als 2008 arbeiten müssen.

CS: Können Sie sich damit zufrieden geben?
EE: Nein. Ich habe nämlich nie gesagt, dass ich kürzen werde. Die geforderten Schwerpunkte wurden bereits in den letzten Jahren gesetzt. ich wüsste ja gar nicht mehr, wem ich etwas wegnehmen sollte. Zudem muss die Stadt jetzt einem Einbruch des Arbeitsmarktes mit arbeitsmarktpolitischen Projekten entgegentreten.
Was die Eckwerte betrifft, so stimmt es nicht, dass keine Konsequenzen für den Fall angedroht wurden, dass sie nicht eingehalten werden können. Wir haben ein Schreiben von Schwarz/Grün präsentiert bekommen, wonach die Ermessensausgaben gestrichen werden, falls wir die Eckwerte nicht einhalten.
LR: Wir sind uns in der Koalition noch nicht klar darüber, welche Konsequenzen eine mögliche Verletzung des Eckwerts nach sich ziehen würde. Aber niemand hat gesagt, dass seine Einhaltung auf Kosten von Subventionen gehen muss.
Wir haben uns für den Sozialbereich eine Perspektivensetzung für die nächsten Jahre gewünscht. Diesem Wunsch wurde von Stadträtin Edlinger bis jetzt nicht entsprochen. Ich hätte mir aber auch gewünscht, dass der Finanzreferent einzeln mit den RessortleiterInnen die Zahlen bespricht.

CS: Wie wird man mit der Tatsache umgehen, dass das Sozialbudget der Stadt zu einem großen Teil rechtlich verpflichtende Leistungen wie z.B. die Sozialhilfe, Heime oder Behindertenhilfe abdeckt? Angeblich beträgt der heuer zu erwartende Mehraufwand dafür 6 Mio Euro.
LR: Eine mögliche  Perspektive sehe ich in jenem Bereich, wo Bundeszuschüsse möglich sind. So könnte ein Wohnungssanierungsprogramm dazu beitragen, dass die Menschen weniger Betriebskosten zahlen. Der Bund ist aber auch gefordert, im Rahmen eines Konjunkturpakets Investitionen in den Gemeinden und Kommunen voranzutreiben, z.B. auch durch Sanierungen, das betrifft ganz konkret die Einkommenssituation der Menschen.
Eine zweite Forderung ist eine andere Verteilung der Ausgaben auf Bund, Länder und Gemeinden. Ohne Land und Bund werden wir nie aus der Schuldenfalle herauskommen.
EE: Was die Forderung nach einer Aufweichung der Stabilitätskriterien auch für Gemeinden betrifft, macht es Sinn, sich gegenüber dem Bund abzustimmen, dafür müsste man aber miteinander reden. Man hat aber  versäumt, alle Betroffenen ins Boot zu holen. Auch die MitarbeiterInnen der Stadt erfahren ja die Vorschläge zu Kürzungen im Personalbereich über die Medien.
Zum Konjunkturpaket: Es wird überlegt, das Investitionspaket aufgrund der Krise vorzuziehen. Da bin ich skeptisch: Wenn wir eine Straße oder einen Radweg bauen, ist das sehr kapital- und wenig personalintensiv und zieht Folgekosten nach sich; hingegen bedeutet die Beschäftigung von BeraterInnen und BetreuerInnen im Sozialbereich v.a. die Schaffung von Arbeitsplätzen.
LR: Ich wehre mich, das gegeneinander auszuspielen, der Sozial- und Kulturbereich ist zweifellos ein großer Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsfaktor. Aber Aufträge an Installationsfirmen zur Heizungssanierung erhalten auch Arbeitsplätze, schaffen Kaufkraft und gleichzeitig Kosteneinsparungen für die Betroffenen. Es ist o.k., für eine nachhaltige Investition ein Darlehen aufzunehmen; das Problem ist, dass wir auch die täglichen Ausgaben der Stadt mit Krediten finanzieren. Und: Die Personalkosten steigen stark, die Stadt trägt eine enorme Pensionslast. Wenn wir dort nicht hingreifen, bleibt für andere Bereiche gar nichts mehr übrig.

CS: Personaleinsparungen bedeuten aber, dass die Zahl der Arbeitslosen steigt.
LR: Nein, wir kündigen ja niemanden. Für neue MitarbeiterInnen müssen aber neue Bedingungen möglich sein. Ein Kündigungsschutz nach zehn Jahren Magistratsdienst ist in Zeiten eines angespannten Arbeitsmarktes nicht aufrecht zu erhalten. Weiters sollen auch Nachbesetzungen aus vorhandenem Personal rekrutiert werden. Im Kinderbetreuungs- und Pflegebereich sind natürlich externe Nachbesetzungen nötig, aber die sollen durch Personalentwicklung und Personalcontrolling begleitet werden. Wir können uns nicht als Beschäftigungsfirma betätigen.
EE: Bis dato haben wir nur mitgeteilt bekommen, wonach es einen Aufnahmestopp geben muss und gleichzeitig 3,6 Prozent des Personals einzusparen sind. Eine sinnvolle Personalpolitik müsste aber je nach Ressort beurteilen, wo man einsparen kann und wo nicht.
Grundsätzlich liegt in meinen Augen der Kardinalfehler aber im Budgetziel des Ausgleichs der laufenden Gebarung, während das bisherige Budgetziel ja darin bestanden hat, jährlich nicht mehr Kredite aufzunehmen als im gleichen Jahr an Schulden zurückgezahlt werden kann.
LR: Ich stehe voll hinter dem Budgetziel des Ausgleichs der laufenden Gebarung, weil man nur so Handlungsspielräume zurückgewinnt. Und es gibt durchaus noch Standards, die gesenkt werden können – wobei ich festhalte, dass ich im Sozialbereich keine solchen sehe.

IF: Die Sozialpolitik wird stark von NGOs getragen, die schon in den letzten Jahren unter massiven Kürzungen zu leiden hatten. Einsparungen im Sozialbereich betreffen zudem Frauen im Besonderen. Wie sieht die Zukunft in diesem Bereich aus?
EE: Ich glaube, dass das gilt, was Lisa Rücker früher immer vehement vertreten hat, nämlich, dass über Prioritätensetzungen diskutiert werden muss. Statt dessen gibt es jetzt aber die Vorgabe, in jedem Ressort die Eckwerte auf den Stand von 2008 einzufrieren.
Was den Frauenbereich betrifft, bin ich nicht sehr zuversichtlich, dass es dafür mehr Geld geben wird. Im Sozialbereich ist das anders, weil es dort primär um gesetzliche Pflichtausgaben geht. Ich habe aber auch dafür gekämpft, den jetzigen Standard bei den Subventionen aufrecht zu erhalten, da geht es z.B. um die Finanzierung von Notschlafstellen, des Marienstüberls, von Arbeitsmarktprojekten, von mobilen Pflegediensten für Ältere.
LR: Die Grünen sind nicht schuld an der Budgetsituation der Stadt Graz und ich will auch nicht als neoliberale Saniererin dastehen. Die Kommune hat gerade im sozialpolitischen Bereich wenig Möglichkeiten, selbst zu entscheiden und zu steuern. Ich wüsste auch nicht, welche Aufgaben die Kommune im Sozialbereich nicht mehr erfüllen sollte.
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