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Graz-Reininghaus: entschleunigte Mobilitätskonzepte für den neuen Stadtteil
Montag, 10. November 2008
Bis spätestens Anfang 2009 soll für die historischen Gewerbegründe im Grazer Westen ein Stadtmodell konzipiert werden; bereits Anfang Oktober lud der Developer Asset-One VerkehrsexpertInnen sowie politische EntscheidungsträgerInnen zu einer Podiumsdiskussion, um Mobilitätslösungen für die künftigen BewohnerInnen vorzustellen und mit diesen in Diskussion zu treten. 12.000 Menschen sollen in einem neuen Stadtteil im Grazer Westen früher oder später Platz finden – so lautet die Vision der Entwicklungsgesellschaft Asset-One, welche die Neukonzeptionierung des 540.000 Quadratmeter großen Areals seit 2005 vorantreibt (KORSO berichtete ausführlich). Um dieser Masse sowohl im Stadtteil selbst als auch im gesamtstädtischen Kontext adäquate Mobilitätslösungen anbieten zu können, hat Asset-One das Verkehrsbüro Trafico aus Gmunden sowie den Schweizer Raumplaner Jürg Dietiker beauftragt, sich mit den verkehrlichen Potenzialen, Entwicklungszielen und Szenarien für Graz-Reininghaus auseinander zu setzen. Es gehe darum, „welcher Rahmen, welche Grundsätze“ in puncto Verkehr für Graz-Reininghaus verfolgenswert sind, sagte Roland Koppensteiner, Vorstandsvorsitzender der Asset One AG.

Sanfte Mobilität auf der Überholspur. Ein Schwerpunkt innerhalb des Mobilitätskonzepts ist die Umkehr des gegenwärtigen Modal Split, des Verhältnisses von Kfz-Verkehr zum öffentlichen Verkehr sowie dem nicht motorisierten Individualverkehr. Gegenwärtig liegt das Verhältnis in Graz bei 38% Kfz-Verkehr zu 19% öffentlichem Verkehr und 15% nicht motorisiertem Individualverkehr, weitere 19% der GrazerInnen gehen zu Fuß. „Die Tendenz beim Motorisierungsgrad ist weiter steigend: Bis zum Jahr 2020 kommen auf 1.000 Grazer bereits 600 Autos oder 1,3 Autos pro Haushalt“, sagte der Grazer Verkehrsplaner Kurt Fallast. Um den aktuellen Modal Split umzukehren, präsentierten die Verkehrsexperten einige Maßnahmen wie eine optimale Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz, professionelles Mobilitätsmanagement, Car-Sharing-Angebote sowie ein bestens ausgebautes Fahrrad- und Fußwegenetz. Die Notwendigkeit von derlei Überlegungen ergibt sich ohne Zweifel aus dem zusätzlich entstehenden Verkehrsaufkommen, das sich aus den zu bewältigenden Wegen der künftigen BewohnerInnen prognostizieren lässt: Statistisch verzeichnet jeder/-e GrazerIn 3,8 Wege pro Tag; rund 40% dieser Wege werden mit dem Pkw zurückgelegt, weniger als 20% mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Legt man diese Mobilitätsgewohnheiten auf die 12.000 BewohnerInnen, die in Reininghaus wohnen werden, um, so ergeben sich über 45.000 zusätzliche Wege pro Tag, allein 18.000 würden mit dem Pkw bewältigt werden. Angesichts dieser Zahlen ist die Wende in puncto Verkehrspolitik in Richtung eines ausgeglicheneren Verhältnisses zwischen motorisiertem Verkehr einerseits und sanfter Mobilität in Form von öffentlichem Verkehr sowie Angeboten für Fußgänger und Radfahrer andererseits für sämtliche Mobilitätskonzepte für Graz-Reininghaus ein Gebot der Stunde. „Wir müssen Alternativen zum motorisierten Individualverkehr aufgreifen, um auch in Zukunft mobil zu bleiben“, so Koppensteiner, dem neben der adäquaten Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz der Stadt Graz eine „Gleichberechtigung aller Mobilitätsformen innerhalb des neuen Stadtteils“ vorschwebt. Die Anbindung des Areals an das Straßenbahnnetz soll zusammen mit den einzelnen Mobilitätsmaßnahmen dazu führen, dass der Kfz-Verkehr unter 20% gehalten wird und der Anteil des öffentlichen Verkehrs respektive aller Formen des nicht motorisierten Individualverkehrs die 40%-Marke nicht übersteigt.

Bevölkerungspartizipation. Der Meinung, dass sich der motorisierte Verkehrsaufwand leichter als vermutet reduzieren ließe, ist der Schweizer Verkehrsplaner Jürg Dietiker von der Züricher Hochschule Winterthur. Zurzeit befinden sich in einem Pkw, der als Teil des Pendlerverkehrs auf den Grazer Straßen unterwegs ist, statistisch gesehen nur 1,1 Personen; gelänge es, diesen Wert auf 1,6 Personen zu steigern, würden „zu Spitzenverkehrszeiten rund ein Drittel weniger Pkws auf den Straßen anzutreffen sein“, sagte Dietiker. Ferner plädierte Dietiker in seinem Vortrag dafür, die AnrainerInnen so gut wie möglich in den Entscheidungsfindungsprozess für die Konzeption des neuen Stadtteils in Graz-Reininghaus einzubinden. Ins selbe Horn stieß Vizebürgermeisterin Lisa Rücker (Grüne): „Die NutzerInnen von Graz-Reininghaus müssen das Mobilitätskonzept auch mitbestimmen, immerhin werden sie es ja sein, die von diesem Angebot profitieren sollen.“

Zukunftsmusik.
Dem Stadtmodell Graz-Reininghaus zu Beginn des nächsten Jahres sollen in knapp zwei Jahren die ersten Investoren folgen – Asset-One wird das riesige Areal im Westen der Stadt lediglich planen, bauen werden andere. Dass sich dieser Planungsprozess bereits über drei Jahre hinwegzieht, erleichtert die Position der öffentlichen Hand nicht unbedingt, die speziell im Bereich der Anbindung des Gebiets an den öffentlichen Verkehr eine gewichtige Rolle spielt. Vizebürgermeisterin Rücker macht kein Hehl daraus, dass ihr der „visionäre Zugang“ der Asset-One „gefällt“, leise Kritik übt sie aber trotzdem: „Für die Stadt ist es einfach wichtig zu wissen, wer was und vor allem wann realisieren wird.“ Ab dem Zeitpunkt, an dem diese Fragen geklärt sind, könne die Stadt die Kooperation mit Asset-One demnach noch weiter intensivieren.

gis
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