Maquilas sind Fabriken in Mexiko und Mittelamerika – wo unter besonders unternehmensfreundlichen Bedingungen – Steuerbefreiung, oft auch Subventionen für Wasser- und Stromverbrauch – vorwiegend Produkte für die großen Bekleidungsmarken der Metropolen gefertigt werden. Arbeits- und Entlohnungsbedingungen sind zumeist schlecht, werden aber in Regionen, wo es sonst kaum Arbeitsplätze gibt, in Kauf genommen.
Die Gewerkschaftliche Betätigung ist zumeist untersagt, NGOs wie das International Labour Comittee mit Sitz in New York versuchen, Verbesserungen der Arbeitsbedingungen zu erzielen. Der Verein Südwind lud den salvadorianischen ILC-Mitarbeiter Sérgio Chávez nach Graz ein. Mit ihm sprach Christian Stenner über die aktuellen Entwicklungen in diesem Wirtschaftssektor – und die politischen Änderungen in Süd- und Mittelamerika. Ein steigender Anteil der Welttextilproduktion wird im Billiglohnparadies China hergestellt; sind da die mittelamerikanischen Maquilas überhaupt noch konkurrenzfähig? Als die Importquoten für China abgeschafft wurden, haben viele einen schweren Einbruch der Maquilas befürchtet; aber die totale Katastrophe hat nicht stattgefunden. In Nicaragua und Honduras entstanden mehr Arbeitsplätze, in El Salvador gab es zunächst einen Rückgang, aber danach wurden wieder neue Arbeitsplätze geschaffen. Einzig in Guatemala gingen Arbeitsplätze dauerhaft verloren, aber die Maquilas stehen noch immer. Hängt das damit zusammen, dass die mittelamerikanischen Produktionsstätten den US-amerikanischen Märkten näher liegen als die chinesischen? Ja, die Häfen von Honduras und jene der US-Ostküste liegen nicht weit auseinander. Dazu kommt, dass in den Maquilas ein neues System entwickelt wurde, sie bieten jetzt nämlich zum Teil Komplettpakete an. Sie produzieren die Baumwolle selbst, machen das Design, die Entwürfe und den Zuschnitt – alles bis hin zur Verpackung. Wir hoch ist derzeit der Anteil der Maquilas an der Erwirtschaftung des BIP? Was unterm Strich übrig bleibt, dazu kann man schwer genaue Angaben machen, weil die Gesellschaften z.B. keine Steuern zahlen und auch den Strom gratis bekommen. Was El Salvador betrifft, gab es jedenfalls einmal eine Berechnung, dass der Wert der von den Maquilas produzierten Exportgüter jenen der exportierten Rohstoffe übersteigt. Innerhalb ganz Zentralamerikas ist ca. eine halbe Million Menschen in Maquilas beschäftigt, die meisten davon in Honduras, da sind es etwa 130.000. In El Salvador sind es zwischen 70.000 und 90.000. Welche Ziele verfolgt Ihre Organisation in El Salvador, wie arbeiten Sie, mit wem kooperieren Sie? Wir kooperieren mit Gewerkschaften, Frauenorganisationen, Menschenrechtsorganisationen und anderen NGOs; die tragen oft konkrete Fälle an uns heran. Wir helfen z.B. ArbeitnehmerInnen, sich auf Betriebsebene zu organisieren – Gewerkschaften haben da oft Probleme, weil ja in El Salvador alles, was mit Gewerkschaft zu tun hat, als kommunistisch abgestempelt wird. Seit Ende des Bürgerkriegs 1992 gibt es zwar die Möglichkeit zu gewerkschaftlicher Tätigkeit, aber die Regierung hat sich gegenüber den Konzernen verpflichtet, diese in den Maquilas zu unterbinden – wer dagegen verstößt, lebt nach wie vor gefährlich. Mit einigen der großen Marken führen wir direkte Gespräche, wenn es Probleme gibt wie Lohnrückstände oder unzumutbare Arbeitsbedingungen wie Hitze, Verbot, aufs WC zu gehen etc. Wenn die Unternehmen sich hartnäckig weigern, Verbesserungen umzusetzen, stellen wir den Fall auf unsere Homepage, das hilft oft, weil Marken wie Adidas, Nike etc. natürlich sehr auf ihr Image bedacht sind. Labels für faire Arbeitsbedingungen, wie sie heute sehr in sind, vergeben wir nicht. Die Firmen benehmen sich nur dann anständig, wenn man sie unablässig beobachtet. Und außerdem haben manche aus Imagegründen ihr eigenes Monitoring-System aufgebaut; das dient dann allerdings hauptsächlich dem Marketing und nicht wirklichen Verbesserungen.
Wie hat das ILC es geschafft, als Verhandlungspartner anerkannt zu werden? Durch kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit, wir konnten entsprechende Artikel in der Presse platzieren.
Welche Unternehmen fallen besonders negativ auf? Die meisten Gesetzesverletzungen gibt es dort, wo südkoreanisches und auch taiwanesisches Kapital im Spiel ist. Aber auch bei amerikanischen Marken wie Wallmart oder Adidas häufen sich Verstöße – z.B. gegen die Arbeitszeitbestimmungen. Trotz aller Probleme mit den Maquilas fordern weder NGOs, Gewerkschaften noch linke Parteien eine Schließung dieser Unternehmen, weil die Arbeitsplätze zu wichtig für die Region sind. Ja, es würde auch keine Sinn machen, die Maquilas in einem oder in ein paar Ländern zu schließen. Es gibt eine Reihe noch ärmerer Staaten, die sich dann darum streiten würden, wer diese Arbeitsplätze bekommt und wer den Unternehmen noch günstigere Konditionen anbietet. Es gibt keine Lösung für ein einzelnes Land, das Problem kann nur gemeinsam gelöst werden. Und ich möchte hinzufügen: Ganz zentral ist in diesem Zusammenhang eine Änderung der Konsumgewohnheiten in den Metropolen. Derzeit kauft jede/r US-AmerikanerIn und jede/r EuropäerIn vom Baby bis zum Greis 40 Kleidungsstücke im Jahr – und verlangt, dass diese möglichst günstig sind. Zur allgemeinen wirtschaftlichen Situation seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise in den USA: El Salvador ist wirtschaftlich eng an die USA gebunden, der Dollar ist offizielle Währung. Welche Auswirkungen hat das auf die ökonomische Lage? Man fühlt die Krise auf allen Ebenen. Die Inflation liegt bei 10%, aber die Grundnahrungsmittel sind um 30% teurer geworden, was besonders die Armen tritt (48% der Bevölkerung El Salavadors leben unter der Armutsgrenze, Anm. C.S.). Die Exporte gehen zurück, in den Maquilas gibt es keine Überstunden mehr, Zwangsurlaube und Kurzarbeit stehen auf der Tagesordnung.
Gibt es angesichts dieser negativen Auswirkungen der Integration in den US-amerikanischen Markt auch in El Salvador Stimmen, sich stärker in den südamerikanischen Markt zu integrieren – etwa in die ALBA-Initiative von Hugo Chávez? Alle mittelamerikanischen Länder sind Mitglied der Petrocaribe-Initiative von Chávez, die den Erwerb günstigen Erdöls aus Venezuela ermöglicht und gleichzeitig den Ausbau der Erdölförderung in der Region unterstützen soll – außer El Salvador. Alle mittelamerikanischen Länder unterhalten Beziehungen zu Kuba – außer El Salvador, der gefügigste Schüler der USA in der Region. Aber das kann sich vielleicht nächstes Jahr ändern … alle Umfragen sagen eine deutliche Niederlage der regierenden rechten ARENA-Partei und einen Sieg der ehemaligen Guerilla-Bewegung FMLN voraus.
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