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Medientage 2008 – „Lasst uns guten Journalismus machen!“
Mittwoch, 8. Oktober 2008
Die Zeitung braucht eine Revolution, sagt der Verleger. Eigentlich nur eine Evolution, sagt der andere Verleger. Eigentlich geht es ihr eh glänzend, sagen mehrere Verleger. Kurz: Die Medien hatten Ende September ihre Tage. Und der Gipfel der Repräsentanten der großen (Print)medienhäuser war so etwas wie der Höhepunkt. Eugen Russ ist ein schwarzes Schaf unter den bedeutenden Medienhaus-Führern dieses Landes. Nicht weil er Vorarlberger ist, nicht weil er gerne dunkle Kleidung trägt. Der Kapitän des Vorarlberger Medienhauses (Vorarlberger Nachrichten) ist Skeptiker. Während seine Kollegen, vom  Styria-Vorstandsvorsitzenden Horst Pirker über den Mediaprint-Geschäftsführer Franz Prenner bis zu WAZ-Geschäftsführer Christian Nienhaus und „Österreich“-Herausgeber Wolfgang Fellner die Zukunft der auf  Papier gedruckten Tageszeitung in rosigem Licht sehen, hat Russ seine Zweifel. „Print wird bestenfalls seitwärts gehen – und es wird auch Rückschläge geben“, sagt er. Ganz im Gegensatz zum Styria-Chef und Präsidenten des Verbandes Österreichischer Zeitungen (VÖZ): „Ich glaube, dass die Plattform Papier möglicherweise das erfolgversprechendste Modell ist“, prognostiziert Pirker.

Der Journalist, die Weihnachtsgans. Russ‘ Pessimismus hat eventuell auch mit seiner speziellen Situation zu tun. Sein Medien-Flaggschiff, die Vorarlberger Nachrichten, sind zwar souveräner Marktführer im Land, aber das Land ist Vorarlberg, also eher überschaubar. Das mag erklären, warum der Medienhaus-Geschäftsführer und Zeitungs-Chefredakteur in Personalunion sehr früh ins Internet aufbrach, nämlich 14 Tage nach Oscar Bronners Standard, der Tageszeitung, die als erste im deutschsprachigen Raum online ging.

Das World Wide Web ist – anders als Vorarlberg – grenzenlos. Dort ist das Medienhaus mit Schwarzacher Postadresse Marktführer im gesamten deutschsprachigen Raum, wenn auch nur für eher profane Dinge wie Baumaschinen- und Pferdeportale oder Online-Kleinanzeigen. Doch es lässt Geld damit verdienen: 15 und mehr Prozent des Russ-Umsatzes in Deutschland und Österreich gehen auf das Konto von Online.

Die Auseinandersetzung zwischen Print- und Online-Journalisten sieht der feinsinnig wirkende Jurist mit der brutalen Gelassenheit eines römischen Imperators, der ein Gladiatorenspiel betrachtet: „Die Redaktionen sind gegeneinander aufgestellt.“ Seine Prognose für die die Papierzeitungsjournalisten ist dabei eher düster, weil „mit den Hufschmieden konnte man auch keine Automobilindustrie aufziehen.“ Und deren Anpassungsfähigkeit bezweifelt Chefredakteur Russ: „Der Printredakteur ist in der Rolle einer Weihnachtsgans – es ist unheimlich schwer ihr beizubringen, dass Weihnachten ein wunderbares Fest ist.“

Crossmediale Zukunft. Abschreiben will er Print dennoch nicht: Aber man müsse es „revolutionieren“ und ein völlig neues Modell auf die Beine stellen. Wie diese Revolution ausschauen soll, hat Russ – zumindest beim Medientage-Printgipfel – keiner gefragt. Er machte allerdings auch nicht den Eindruck, als ob er eine solche Frage beantworten hätte können – oder gar wollen.

Der Antipode des Vorarlbergers ist „Österreich“-Herausgeber Wolfgang Fellner, und das nicht nur geografisch. Er sieht sich nicht als Revolutionär, sondern als „bescheidenen Evolutionär“. Im Newsroom der jüngsten Tageszeitungsgründung und ersten „Hybrid“-Zeitung „Österreich“ – ein Teil der Auflage wird verkauft, ein Teil deklariert hergeschenkt – herrscht aus Sicht des Herrschers ganzjähriger Weihnachtsfriede. Dort gibt es gemeinsame Redaktionssitzungen der Journalisten des „endlichen“ (Copyright Standard-Herausgeber  Oskar Bronner) Mediums Tageszeitung und des „uferlosen“ Mediums Online. „Die Zukunft“, so Fellner, „ist eine crossmediale“. Die (wirtschaftliche) Gegenwart von „Österreich“ und oe24 noch nicht wirklich. Der Online-Umsatzanteil in Fellners Medienreich  liegt unter 10 Prozent, dass die beiden Welten ökonomisch halbe-halbe machen, eine „Vision“ des Rennbahnexpress- und News-Erfinders.

Der Verwirklichung dieser Vision weit näher ist Oscar Bronner. Mit der Gründung von Profil, Trend und dem Standard hat der bei weitem Älteste unter den großen österreichischen Medienmachern (sieht man vom nicht medientagenden Hans Dichand ab) mehrfach österreichische Mediengeschichte geschrieben. Was dabei leicht übersehen wird (siehe oben): Bronner ist der deutschsprachige Pionier auf dem Tageszeitung-im-Internet-Sektor. Der Lohn des frühen Engagements: Online macht bereits ein Fünftel des Umsatzes aus. Und wenn Bronner sagt, dass es in drei Jahren 40 Prozent sein sollen, klingt es nicht nach einer Vision, sondern nach einem realistischen Business-Plan.

Die Styria schweigt beredt. Einen Business-Plan hat sicher auch Horst Pirker. Nur dass ihn der Styria-Chef, der nicht nur den österreichischen Zeitungsherausgeberverband, sondern auch die IFRA als internationale Forschungs- und Serviceorganisation der Zeitungsbranche präsidiert, nicht so freimütig preisgibt wie seine Kollegen. Zwischen zwei und 100 Prozent würden die Styria-Firmen im Online-Bereich umsetzen, sagte er bei den Medientagen – angesichts von 165 Konzernunternehmen keine wirklich erhellende Auskunft. Pirker präsentierte sich als glühender Anhänger von Online (auch wenn die Styria den Boom „verschlafen“ habe, wie er dem Branchenmagazin Newspaper Technology jüngst beichtete) und ein ebenso glühender Anhänger des Mediums Papier („Nur auf Online zu setzen, ist eine mäßig intelligente Strategie.“). Dass daraus kein Identitätsproblem für das Medienhaus Styria entsteht, hat Pirker etymologisch abgesichert. Als Schiller in seine „Räuber“ den Satz „Er bittet vorgelassen zu werden, er hab’ Euch eine wichtige Zeitung“ hineinschrieb, hatte er nicht an den Vertriebsmitarbeiter eines Verlagshauses gedacht, sondern schlicht an einen Boten, der eine Nachricht überbringt. Botschaften, unabhängig vom Trägermedium, zu kreieren und überbringen, darin sieht Pirker seine Aufgabe: „Wir sind im Geschäft für Inhalte“, formuliert er kurz sein „Multiplattform“-Credo.

Nur wie das Geschäftsmodell abseits der traditionellen Kaufzeitung genau ausschaut, scheint noch nicht ganz klar. Darüber, dass im „General Interest“-Bereich der Verbraucher keinen „Paid Content“ kaufen mehr mag, gibt es große Einigkeit. „Für Text wird man nie bezahlen“, sagt Mediaprint-Geschäftsführer Franz Prenner unwidersprochen.  Noch will die werbetreibende Wirtschaft, auf die alle Verleger setzen (müssen), noch nicht so richtig in die Bresche springen: „Die Werbe-Spendings haben noch nicht die User-Zahlen erreicht“, klagt Fellner. Die lakonische Bemerkung von APA-Geschäftsführer Peter Kropsch „Am Ende des Tages zahlt immer jemand“, hilft auch nicht wirklich weiter.

Kaufgrund: Glaubwürdigkeit.
Diejenigen, die diese – zunehmend kostenlosen – Inhalte produzieren, die Journalisten nämlich, bekamen bei Medientagen von ihren Chefs nicht nur die Etikette „Weihnachtsgans“, sondern auch ein paar Streicheleinheiten ab. „Wir können nur eine Sache kapitalisieren, Glaubwürdigkeit“, tut sich der langjährige Printjournalist (Müncher Abendzeitung, Spiegel, Süddeutsche) und sueddeutsche.de-Geschäftsführer Hans Jürgen Markus angesichts des renommierten Mutterhauses damit recht leicht. Der fröhliche Satz „Lasst uns guten Journalismus machen!“ aus dem Mund des Geschäftsführers der Verlagsgruppe News, Oliver Voigt, klingt da schon etwas gewollter. Denn ein besonders geglücktes Beispiel für Crossmedia-Journalismus sind für ihn einige erotische Geschichten im gedruckten Magazin Woman, die mehr als 100.000 LeserInnen dazu verlockten, solche auf der Woman-Website zu platzieren. Das werden ja nicht durchwegs gute JournalistInnen gewesen sein.

Martin Novak
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