Unversehens wächst er in die Rolle des Doyens der steirischen Fotografie hinein: Branko Lenart ist heuer 60 geworden und vital wie seine kraftvollen Schwarz-weiß-Fotokunstwerke, die das regressive bunte Bilderchaos der digitalen Welt ganz schön alt aussehen lassen.
Ein offizieller Festakt von Stadt oder Land zum runden Geburtstag? „Gibt es nicht“, lacht Branko Lenart, „ich bin nie so sehr auf du und du mit der Kulturpolitik gestanden.“ Mit Kultur in die Politik eingemengt hat sich der 1948 in Ptuj geborene und 1954 mit seinen Eltern nach Österreich ausgewanderte Fotokünstler allerdings oft genug. Nicht nur mit „harten“ Darstellungen wie jenem Triptychon aus 1992, das unter dem Werktitel „America latina“ in seinem Mittelteil die Asche verbrannter Schriften, am linken Flügel Christoph Kolumbus und am rechten Papst Johannes Paul II zeigt. Sondern zumeist mit subtilen, berührenden Werken wie jenen, die gerade bei der Ausstellung „Kaddisch“ im Grazer Stadtmuseum zu sehen sind. Entstanden sind sie bereits 1998 zum 60. Jahrestag des Novemberpogroms. „Damals habe ich das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands um eine Liste jener KZs gebeten, in denen Grazer Juden ums Leben gebracht wurden.“ Die Fotos entstanden am jüdischen Friedhof, es sind quadratische, abstrahierende Aufnahmen von Grabsteinen, geprägt vom Kontrast von Schärfe und Unschärfe, „als Negativ vergrößert, um das Dunkle zum Ausdruck zu bringen.“ Jedes Foto wurde mit einer Tafel versehen, die den Namen eines KZs trägt. Eine ähnliche Thematik behandelt der Zyklus „Sans Soleil“ (2000) über das Mauthausen-Nebenlager in Aflenz bei Leibnitz, wo Häftlinge und Zwangsarbeiter unterirdisch bis zum Tode für die NS-Rüstungsindustrie schuften mussten.
Der Lehrer. Zur Fotografie gestoßen ist Lenart 1964; damals hat er sich der TVN(Touristenverein der Naturfreunde)-Fotogruppe Graz unter Prof. Erich Kees angeschlossen. „Bis zum Ende meiner Studienzeit 1978 habe ich mir dann mein Leben mit Foto-Aufträgen aller Art finanziert; 1979 habe ich dann den Lehrauftrag für Fotografie an der Ortweinschule an der von Richard Kriesche neu geschaffenen Fachsparte ,audiovisuelle Medien‘ bekommen.“ Dort unterrichtete Lenart dann bis 2007, einige Jahre lang auch zusätzlich an der FH Joanneum. Die schönsten Erlebnisse seiner Lehrtätigkeit? Spontan fallen ihm zwei Schüler ein, die im erlernten Beruf höchst erfolgreich sind – Peter Baustädter, der im Bereich visuelle Effekte an Filmen wie Apollo 13, Titanic oder King Kong mitgearbeitet hat, und Sepp Neuper, Kameramann für „Universum“ und andere erfolgreiche Dokus.
Zwischen Graz und Piran. Zurück zum aktuellen Werk: Zu den „politischen“ Arbeiten Branko Lenarts zählen auch jene, die sich mit Minderheiten beschäftigen, wie etwa ein Zyklus zu den in Triest ansässigen Volksgruppen, der 1985 entstanden ist, oder – gemeinsam mit Elisabeth Arlt – ein Buch über die Geschichte der Juden in Slowenien, zu dem er die Fotos beisteuert, die 2009 auch bei einer Ausstellung im Pavel-Haus in Laafeld / Potrna zu sehen sein werden. Für den Artikel-VII-Kulturverein, der das Pavelhaus betreibt und für die Rechte der slowenischen Minderheit in der Steiermark eintritt und den er 1988 mitbegründet hat, war Lenart bis vor Kurzem als Vorsitzender tätig; er vertritt den Verein weiterhin im Volksgruppenbeirat der Republik. Und lebt und wirkt beiderseits der Grenze, zu deren Durchlässigkeit er auch ein wenig beigetragen hat: Sein neues Buch „Piran:Pirano“ wurde am 22. September in der Residenz des österreichischen Botschafters Dr. Valentin Inzko in Ljubljana vorgestellt, eine Fotoausstellung über Piran läuft von 17. Oktober bis 16. November in der Galerie Pecaric in Piran.
Der künstlerische Akt. Lenarts fotografisches Credo: „Immer nur straight photography, keine Manipulationen – die Fotos werden vergrößert, wie ich sie fotografiert habe“ – das Allermeiste schwarz/weiß, natürlich analog. Nicht aus Verachtung für die Digitalfotografie, wie er sich beeilt festzustellen, sondern „weil die Herstellung eines Silber-Gelatine-Abzuges auf Baryt-Papier einfach für sich genommen ein künstlerischer Akt ist.“ Als künstlerische Vorbilder nennt er Walker Evans, den genialen Autor sozialdokumentarischer Fotokunst, Lee Friedlander, aber auch René Magritte. Des Surrealisten Einfluss wird besonders deutlich im Zyklus „Hand:Works“,der im Dezember im Grazer Museum der Wahrnehmung zu sehen sein wird.
Christian Stenner
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