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Weltweit haben Menschen begonnen ... |
Mittwoch, 8. Oktober 2008 | |
WoWagners Gartenlaube fortschrittlichen Schrifttums Womit haben sie begonnen? Mist zu bauen? Spekulanten, Karrieristen, Mitläufer, Schwätzer oder Berufspolitiker zu werden? Oder gar Chefmanager in der „freien Wirtschaft“? Oder einfach nur Aktionäre mit hohen Gewinnerwartungen? Nein! Sie „haben begonnen sich gegen die Privatisierung der Kulturpflanzen zur Wehr zu setzen“ (S. 24). Das klingt verhältnismäßig bescheiden, ist aber ein heftiger Tritt in den Schritt des neoliberalen Anzugs von der Stange. Denn es geht hier um einen der wichtigsten kulturellen Erfahrungsschätze der Menschheit. Ich zitiere aus dem „Handbuch Samengärtnerei“, einem der relevantesten Bücher, die ich heuer in den Händen halten durfte. Das Buch ist wunderschön gestaltet und von der vieljährigen Erfahrung der Mitarbeiter des famosen Vereins zur Erhaltung der Pflanzenvielfalt „Arche Noah“ und anderer verwandter Initiativen getragen. Im Hintergrund steht der über Jahrtausende zurückreichende Erfahrungsschatz, den „unzählige Generationen von Bauern und Bäurinnen durch Beobachtung im eigenen und in Nachbars Garten angehäuft“ haben. Dieser Schatz und die „Freiheit der Saat“ ist gefährdet und droht von „einem Gemeinschaftsgut der Bäurinnen und Bauern in einen Rohstoff verwandelt zu werden, dessen Nutzen und Handel von einigen wenigen Konzernen monopolisiert wird“ (vgl. S. 24 f.). Für diejenigen unter Ihnen, die auf Ihrem Balkon Tomaten haben und sich fragen, wie man aus ihnen Saatgut gewinnt, ohne ungewollt eine Fliegen- und Schimmelzuchtstation zu eröffnen, ein kleiner Auszug aus dem reichen Fundus des Buches: „Die für die Samenernte geernteten Früchte müssen vollreif, sollen aber nicht schimmelig sein ... Die Früchte aufschneiden und mit einem Löffel die Samen und das Fruchtfleisch in ein Marmeladeglas“ (ohne Marmelade und gereinigt – versteht sich) „etwas Wasser und eine Messerspitze Zucker zugeben.“ Dann geht’s los: „Durch die Gärung wird die Keimschutzschicht der Samen abgebaut“ (siehe S. 330). Natürlich sind mit diesen Sätzen nicht alle Fragen beantwortet. Mein Tipp: Kontaktieren Sie den benachbarten Gärtner respektive die benachbarte Gärtnerin. Sie brauchen nur aus dem Fenster zu schauen (wenn sie es noch nicht getan haben) und werden sich wundern, was auf den Fensterbänken und Balkonen Ihrer Umgebung so alles gedeiht. Sollten sie nur auf kahle Wände blicken, dürfte es Zeit sein, die Wohnung zu wechseln. Sie könnten von dem unheimlichen Menschenschlag der PflanzenhasserInnen umgeben sein. Ein Albtraum für jedes andere Lebewesen.Heistinger, Andrea / Arche Noah / Pro Specie Rara (Hrsg.) Handbuch Samengärtnerei Sorten erhalten. Vielfalt vermehren. Gemüse genießen Löwenzahn Verlag 2008. Gebunden 432 S., 250 farb. Abb., mit Poster Preis: 39,90 Eur[A] Mag. Wolfgang Wagner, Jg. 1963, Germanist, Autor, Aktivist und Sozialpädagoge führt seit Juli 2006 den Buchladen „Wendepunkt“ in der Josefigasse 1, 8010 Graz, Tel/Fax 0316/ 76 52 44, WoWagner@gmx.at
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