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Rock ‘n Roll in die Bibliotheken |
Dienstag, 9. September 2008 | |
WoWagners Gartenlaube fortschrittlichen Schrifttums Diesmal geht es in meiner Kolumne um das „großartige Rock & Roll Gefühl“, mit dem sich der Crawdaddy – Gründer Paul Williams in der gleichnamigen Artikelsammlung auseinandersetzt. Seit Jahren schon träume ich davon, dass die Bibliotheken durch einen Buch-, Comics-, Ton- und Filmbestand bereichert werden, der rockt. Das kommende Woodstock-Jubiläums-Jahr könnte dazu einen guten Anlass bieten. Grundsätzlich ist es um das „Rock & Roll Gefühl“ in Graz nicht besonders rosig bestellt. Die Musik ist weitgehend aus dem öffentlichen Raum verdrängt (ich spreche nicht von Events). Mir fällt kein Ort in Graz ein, an dem auch nur die vage Möglichkeit besteht z.B. „In the court of Crimson King“ (King Crimson) öffentlich und laut spielen zu können, von „Are you experienced“ (Jimi Hendrix) ganz zu schweigen. In den Lokalen dominieren (trotz einiger löblicher Ausnahmen) die „Elektronic-Dj’s“ und der Zufallsgenerator irgendwelcher Hit- Compilations. Darüber hinaus ist das Musikhören weitestgehend privatisiert. Jedem Bürger sein Kopfhörer (oder Ohrstöpsel)! Fünf Plattenspieler und/oder Kassettenrekorder an öffentlich zugänglichen Orten, ohne bezahlte Fachkräfte im Musikauflegen vor Ort und mit der Möglichkeit „Lärm schießen“ zu können, würden die Situation radikal verändern. Ich könnte nun beschreiben, inwieweit das „Rock & Roll Gefühl“ mein Leben bereichert und verändert hat, lasse nun aber doch lieber Paul Williams zu Wort kommen. „Inzwischen ist es schon Jahrzehnte her, dass es mich erstmals überkam...Es war April. Ich war noch keine Siebzehn. Früher am Tag hatte ich mir meine erste 45er Single gekauft...Es war ‚The last time’ von den Rolling Stones.“ Williams spielt sie mehrmals und fährt dann mit dem Rad ziellos umher. „An einem Feld, das ich nie zuvor wahrgenommen hatte hielt, ich an. Mich überkam ein grenzenloses Gefühl der Freiheit. Zum Himmel gewandt schrie ich ‚This could be the last time!’ Wut und Frustration schossen aus mir hinaus und das Gefühl, das ich bei diesem Ausbruch empfand, war pure Freude.“ (Vgl. 13) In seinem Essay zu Woodstock betont er die Wichtigkeit des Geschehens vor Ort, das die Musik überstrahlt und mit dem die Musik nicht mithalten kann, denn „obwohl man wegen der Musik gekommen war, stellte sich heraus, dass nicht die Musik das wirklich Wesentliche war...Das Wesentliche waren die Menschen in Woodstock...Es war gute Musik, mehr gute Musik auf einmal, als wir jemals zuvor erlebt hatten, ich will nicht meckern.“ Die Musiker „hatten ihre Garantien und Leute, die sich um ihre Interessen kümmerten. Doch sie verpassten das Erlebnis des Jahrhunderts. Das Gemeinschaftsgefühl, das eine halbe Million Menschen vor der Bühne vereinte.“(Vgl. S. 122 ff.) William deutet in seiner Beschreibung eine der folgenschwersten Fehlentwicklungen der Rockmusik an, die uns eine neue Adelsschicht mit ihrem Hofstaat und Reichtümern, mit ihrer gewaltigen Distanz zum Publikum, den widerwärtigen VIP-Bereichen und anderes mehr beschert hat. Ein Auswuchs, der schon damals absehbar war. Jede weitere Interpretation von Woodstock müsste dies berücksichtigen. Wo die VIP’s sind, gibt es kein „Rock & Roll Gefühl“. Der Himmel ist schwarz und die Sterne (Stars) funkeln nicht. Paul Williams, geboren 1948, gilt als Pionier des modernen Rockjournalismus. Bereits 1966 gründete er „Crawdaddy!“, das erste amerikanischen Rockmagazin, Er hat eine Reihe von Büchern veröffentlicht, unter anderem eine umfangreiche Studie über Bob Dylans Musik in drei Bänden (auf Deutsch bei Palmyra erschienen). Darüber hinaus betreute er den literarischen Nachlass von Philip K. Dick, mit dem er befreundet war. Paul Williams: Dieses großartige Rock and Roll Gefühl! 30 Jahre Crawdaddy Magazine. Ausgewählt und kommentiert von Werner Pieper (Der grüne Zweig 191,o.J.) Preis: 12,90 Euro Mag. Wolfgang Wagner, Jg. 1963, Germanist, Autor, Aktivist und Sozialpädagoge führt seit Juli 2006 den Buchladen „Wendepunkt“ in der Josefigasse 1, 8010 Graz, Tel/Fax 0316/ 76 52 44, WoWagner@gmx.at
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