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Kuba: Im Reich des konvertiblen Peso
Archiv - Eine Welt
Montag, 10. April 2006
ImageFoto:Poetische Propaganda gegen den mächtigen Nachbarn: „Der Plan Bush … wird ihnen den Guten-Morgen-Kuss rauben, die Umarmung, wenn sie von der Schule heimkommen, und ihren schelmischen Blick. – Danke, wir leben schon im freien Kuba."

Ankunft in Havanna: Keine Produktwerbungen, keine großen Benetton-Plakate, keine Leuchtschrift. Statt dessen überdimensional große Bilder Fidel Castros. „Vamos bien!" steht neben einem – „Uns geht’s gut." Der Maximo Lider hat damit nicht einmal völlig Unrecht, vergleicht man Kuba mit den anderen Ländern der Region.

2. 3. und 4. Tag: Havanna. Die Altstadt ist Weltkulturerbe. Das touristische Zentrum besteht aus einigen Straßen und Plätzen, die auf Hochglanz poliert auf KonsumentInnen warten. Eine Bar mit Live-Musik reiht sich an die andere. Nette Cafés, koloniale Architektur. Wir werden angesprochen: „My friend. Where are you from?" Und dann weiter auf Spanisch: „Für ein paar Pesos zeige ich euch gerne den Weg." Mit Pesos sind hier nicht kubanische Pesos gemeint, sondern konvertible. Die können etwa 1:1 in Euro gewechselt werden. Für KubanerInnen kostet ein konvertibler 25 kubanische Pesos.
Nur ein paar Ecken weiter beginnt ein anderes Havanna. Von den kolonialen Häusern bröckelt der Putz, viele wirken abbruchreif, werden von außen mit Pfosten gestützt. Die Menschen hier beachten uns nicht. Das ist angenehm. Wir erkunden die Stadt zu Fuß, bahnen uns unseren Weg zwischen Menschen, Fahrradtaxis, Hunden, Autos.
Am Platz der Revolution: Das bekannte Bild vom Ché auf einer Hausmauer ist beeindruckend, ebenso die riesige Statue von José Marti. Wir setzen uns vor dem Denkmal an den Straßenrand um auszuruhen. Das geht aber nicht, erklärt uns freundlich ein Soldat, der das Denkmal bewacht. Es ist zu spät, das Denkmal ist geschlossen, wir müssen gehen, jetzt, sofort.
Am nächsten Tag reisen wir mit dem Bus nach Santiago de Cuba. 15 Stunden Fahrt – so erleben wir, wie KubanerInnen reisen, und auch welche Schwierigkeiten damit verbunden sind, vor allem auf längeren Strecken. Wer nicht Wochen im Voraus reserviert muss großes Glück haben einen Platz zu bekommen.

70 Pesos für eine Fahrt zum Strand. 5. bis 7. Tag: Santiago de Cuba. 10 Uhr Vormittag, wir kommen an. Erschöpft, auch wenn die Busfahrt weniger anstrengend war als befürchtet. Beim Aussteigen werden wir umringt. „Ein Zimmer, brauchen Sie ein Zimmer?" „Taxi, Taxi, Taxi!" Unser Nein wird nicht akzeptiert. Wir haben mit dem Besitzer der Privatpension, in der wir wohnen werden, vereinbart, dass er uns abholt. Endlich, nach einer Viertelstunde, taucht ein Mann auf, ein Schild mit unserem Namen in der Hand. Als Belohnung fürs Abholen möchte Marc ein T-Shirt geschenkt bekommen. „Und morgen fahren wir an einen schönen Strand. Nur 70 Pesos." Wir lehnen ab. Am nächsten Tag in der Früh kommt er noch einmal in unsere Pension und fragt, ob wir jetzt an den Strand fahren. Nach unserem Nein bricht der Kontakt ab. Wir machen stattdessen eine Wanderung, zurück fahren wir dann mit einem Privatauto mit. Ein Taxifahrer empfiehlt uns diese Variante: Viel billiger sei das und schneller auch.

Energiepolitik mit Reiskochern. 8. bis 12. Tag: Die Fahrt nach Baracoa ist atemberaubend schön. Zuerst geht es durch ein steppenartiges Gebiet, dann kommen wir in die Berge. Das Meer ist wild, die Berge tief grün. Die Palmen zaubern ein Muster auf die Bergrücken. In der Unterkunft hier haben wir einen Fernseher: Die Nachrichten sind voll von Berichten über den Konflikt mit den USA – mit dem „Imperium" – und über die Allianz mit Venezuela und Bolivien. Vor allem das Bündnis mit Venezuela ist wichtig: Kuba schickt LehrerInnen und ÄrztInnen, dafür liefert Venezuela Erdöl. Einmal erleben wir auch eine Castro-Rede: Auch in seinem hohen Alter ist er beim Reden noch bei weitem ausdauernder als ich beim Zuhören.
Einmal werden wir in der Früh von einem Tumult vor dem Fenster geweckt: Vor dem Haus gegenüber werden großen Pakete verteilt. „Das sind elektrische Reiskocher" erklärt uns Signora Rosella, unsere Zimmerwirtin. „Die werden jetzt von SozialarbeiterInnen an jeden Haushalt verteilt." Die Menschen sollen weniger mit Gas kochen, weil es rar und teuer ist. In letzter Zeit setzt Kuba auf Elektrizität aus Wasserkraft.

„Hier gibt es keine polizeiliche Willkür." In den nächsten Tagen unternehmen wir einen Radausflug und machen eine Wanderung im Humboldt-Nationalpark. Luis, unser junger Führer, ist im Großen und Ganzen zufrieden mit seinem Heimatland. „Hier muss niemand hungern. Die Kinder gehen zur Schule. Jeder hat ein Dach über dem Kopf. Und wenn du krank bist, gehst du zum Arzt und das wird vom Staat bezahlt. Aber es gibt auch Dinge, die nicht so gut laufen. Eigentlich dürfte ich gar nicht mit euch reden – wenn du nicht im Tourismus angestellt bist, dann darfst du nicht mit den Touristen reden. Dafür kannst du sogar ins Gefängnis kommen." Mehr Geld hätte er gerne. Und die Möglichkeit ins Ausland zu reisen.
Signora Fernanda, eine ältere Dame, hat die Batista-Diktatur erlebt. Sie schätzt das jetzige System in einem ganz anderen Ausmaß als Luis. „Kuba ist ein gutes Land. Wir sind sicher hier", erklärt sie uns. „Hier gibt es keine polizeiliche Willkür. Vor ein paar Monaten ist ein junger Mann verhaftet worden, und bei der Verhaftung hat ihn ein junger Polizist getreten. Aber da sind sofort Passanten eingeschritten. Und dann hat es einen Prozess gegeben und jetzt ist der Polizist verurteilt." Signora Fernanda sieht vor allem die Verbesserungen im Vergleich zu früher. „Vor der Revolution haben wir in Angst gelebt. Jederzeit konnte es sein, dass du verhaftet wirst, einfach so. Das ist jetzt anders. Wir haben es gut."

Auch an der Uni: Der Tourismus hat Vorrang. 13. und 14. Tag: Trinidad. Das Zentrum der Stadt wirkt, noch mehr als in Havanna, wie ein potemkinsches Dorf für TouristInnen. Die Musik am Abend im Freien vor der Kirche ist schön, der Mojito gut, der Sandstrand weiß, das Meer türkis. KubanerInnen gibt es dort aber keine. „Wir können es uns jetzt nicht leisten, an den Strand zu fahren. Dort kostet alles zu viel. Wir gehen zum Schwimmen an einen Fluss in der Nähe", erklärt uns Nico.
15. bis 19. Tag: Wir flüchten aus Trinidad und fahren nach Vinales. In einem Sammeltaxi mit acht anderen TouristInnen – und zahlen gar nicht mehr als mit dem Bus. In Vinales wohnen wir bei einem jungen Paar. Tony unterrichtet an der hiesigen Universität Sportwissenschaften. Sandra hat Englisch studiert und arbeitet als Guide im Nationalpark – „Das hat mehrere Gründe. Einmal spreche ich so immer Englisch und habe mit verschiedenen Leuten zu tun, nicht nur immer mit Kindern, und ich verdiene konvertible Pesos. Ein Lehrerinnengehalt beträgt umgerechnet 16 konvertible Pesos. So viel verdiene ich im Nationalpark auch. Aber hier habe ich die Möglichkeit ein Zimmer zu vermieten. Und da nehme ich direkt konvertible Pesos ein. Man kann sich so viel nur damit kaufen: Haarfärbemittel, schönes Gewand, elektrische Geräte, eigentlich alles, was über den Grundbedarf hinausgeht." Das System ist schon in Ordnung, man muss nur Zugang zu den konvertiblen Pesos haben …
Die nächsten zwei Tage mieten wir ein Auto und fahren in den Westen nach Maria la Gorda. Wir nehmen mehrmals AutostopperInnen mit. Vor allem Frauen stehen am Straßenrand, allein oder in Gruppen. Der öffentliche Verkehr funktioniert nicht so gut.
Der Strand in Maria la Gorda ist unglaublich schön. Wir sind allein mit ein paar Muscheln und ein paar einsamen Möwen.
Auf der Rückfahrt: Eine letzte Übernachtung im Auto auf Cayo Jutias, einer kleinen Insel, durch einen Damm mit dem Festland verbunden. In der Früh werden wir von einem jungen Mann geweckt. Dario ist Aufseher hier und wir müssen eine Gebühr entrichten. Er wohnt in einem Dorf, das auf unserem Weg liegt, und wir nehmen ihn mit. Als wir an ein paar Polizisten vorbei kommen, duckt er sich. „Die dürfen mich nicht sehen, sonst bin ich meinen Job los, wir dürfen nicht mit Touristen mitfahren." Bei Dario angekommen müssen wir ihn in sein Haus begleiten. Er bietet uns Orangen und frisch gepflückte Grapefruits an. Er möchte gerne einmal nach Europa, erzählt er uns, um dort eine Frau zum Heiraten kennen zu lernen. Dann könnte er dort arbeiten und Geld verdienen. Das möchte er dann seiner Familie schicken und irgendwann wieder zurückkommen. Auch er beklagt sich nicht generell: Er hat ein Haus, genug zu essen, einen Fernseher. Aber er hätte gerne coole T-Shirts, ein Auto, da fällt ihm vieles ein …
Dann: Die letzten zwei Tage in Havanna. Ich möchte mir die Universität ansehen und finde zunächst die Bibliothek und einen Computerraum. Dort haben Studierende der Rechtswissenschaften, der Ökonomie und des Tourismus prioritären Zugang. Letzterer zählt hier zu den Sozialwissenschaften …

Johanna Muckenhuber

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