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ROBIN HUT - Briefe aus Absurdistan |
Montag, 8. September 2008 | |
32. Brief: September 2008 Hallo, alter Freund! Ist es deine Entfernung zu unserem Leben hier, die du dir in Jahrzehnten des Lebens auf anderen Kontinenten mittlerweile natürlich angeeignet hast oder ist es dieser mehrwöchige, über diese Jahrzehnte aber regelmäßige Rhythmus in dem wir uns schreiben? Längst bist du der einzige Mensch in meinem Leben, mit dem ich noch in Briefen verkehre, auch wenn ich selbst dir in deinem hinteren Winkel im afrikanischen Busch diese mittlerweile elektronisch zustellen kann. Aber gegenüber den Mails dieser Zeit waren die Briefe vergangener Jahrhunderte durchdachter, man schrieb einem Freund in weiter Ferne keine Belanglosigkeiten. Und so sind auch mir die Briefe an dich willkommener Anlass nachdenklich zu sein und mich wohltuend etwas aus dem Kurzfristigen heraus zu nehmen. Vielleicht liegt es nur an diesem ungewohnten Blickwinkel, dass vieles dann ein wenig absurd erscheint. „Gib dem Volk Brot und Spiele“ wusste schon der römische Senat ebenso wie später die Caesaren. Und wenn das Brot knapper wird, braucht es mehr Spiele. Und die gehen auch heute weiter, während der globalisierte Kapitalismus weltweit mit Arbeitsplätzen, Konsumenten und damit eigentlich mit uns allen acht Milliarden Menschen auf diesem Planeten Pfitschigoggerl spielt. Mittlerweile vorbei sind die Olympischen. Ausgetragen in einem Land, von dem eigentlich niemand bezweifelt, dass es dort Menschenrechtsverletzungen gibt. Aber: China hat der Welt bei diesen Spielen auch deutlich vor Augen geführt, was es für unser Weltklima tun kann, wenn es will: Praktisch auf Knopfdruck war der riesige Zentralraum dieses Milliardenvolkes atembefreit, waren Industrien abgeschaltet und der Autoverkehr umgeleitet. Ich schätze, wir werden bald beginnen, China dafür zu bezahlen, das zu tun, zumindest wenn wir vernünftig sind. Und jetzt gibt es wieder Politspiele vor dem Hintergrund der Klimakatastrophe und des Wirtschaftspfitschigoggerlns. Wahlen sind ausgebrochen, in den USA planmäßig, bei uns ungeplant. Und da sind noch andere Unterschiede. Während dort das Motto heißt „the winner takes it all“, die ganze Macht nämlich, zumindest auf exekutiver Ebene, zwingt unsere Verfassung Politiker verschiedener Parteien, die kaum etwas gemein haben, miteinander zu regieren. Daher kommt es wohl auch, dass es dort wahrscheinlich reicht, dass erstmals ein Schwarzer – nicht von Partei, sondern von Hautfarbe – „Change“ zu seinem Kampfruf erkoren hat. Change so wie Wechsel oder aber auch so wie Wende, wahrscheinlich hat Obama von Schüssel und Co abgekupfert. Hier hingegen wollen die Medien von den Politikern auch Inhalte hören, die sich wiederum von denen keiner zu konkretisieren traut, weil er ja allein nichts durchsetzen kann. Von diesem furchtbaren Schauspiel wenden sich natürlich die Menschen mit Grausen ab. Und damit von ihrem Recht mitzubestimmen. Statt sich mehr dafür zu interessieren und gegen das zu engagieren, was falsch läuft, wollen viele nicht einmal mehr zur Wahl gehen. Für mich klingt das nach Aufgeben, sorgt sich dein Robin Hut
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