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Experiment mit der Erinnerung und ein Grazer Surrealist
Montag, 7. Juli 2008
Reise, Reise nennt der 1977 in Wagna geborene Ernst Koslitsch eine Reihe von Fotografien aus dem Jahr 2006, die aus der Erfahrung einer Zugfahrt hervorgegangen sind.

Im Selbstversuch unternahm Koslitsch in der Folge die Verhandlung der Frage, wieweit die Erinnerung zur Rekonstruktion von Wirklichkeit taugt, indem er absichtlich einfache Modelle gesehener architektonischer Ensembles aus dem Gedächtnis baute. Diese Modelle sind in Schwarzweiß fotografiert und werden für RezipientInnen zu nachvollziehbaren „Erinnerungsbildern“. Die bildkritische Theorie, führt Kurator Günther Holler-Schuster aus, behandelt zwei Arten von Bildern: exogene – Medienbilder, dokumentarische, wissenschaftliche – oder endogene – Denk-, Traum-, Erinnerungs- oder Sprachbilder. Diese endogenen Bilder also, wie sie Motiv für die präsentierten von Ernst Koslitsch sind, wollen gar nicht illusionistisch wie etwa Modellfotografien im Bereich der Architektur erscheinen. In ihnen wird das Unfertige, das aus der Erinnerung nicht mehr Rekonstruierbare, durch den schematischen Aufbau der Modelle gezeigt beziehungsweise steht auch ein Sessel im Bild, der die Illusion von Proportionen bricht. Umgekehrt kombiniert Koslitsch in dieser Ausstellung unter dem Titel Notopia Farbfotografien von nachgebauten Wohnanlagen mit Fotografien der wirklichen Bauten und konstruiert so Serien von Vexierbildern zwischen Wirklichkeit und Erinnerung beziehungsweise Simulation. Und schließlich lässt Notopia wie eine Antithesis an die maßgeblichen historischen Stadt- und Staatsutopien von Thomas Morus, Tommaso Campanella, Francis Bacon oder Thomas Hobbes denken.

Franz Rogler, Surrealist. So heißt die ebenfalls von Günther Holler-Schuster recherchierte und gestaltete Ausstellung über den Grazer Franz Rogler (1921–1994). Rogler ist hinsichtlich seines künstlerischen Werdegangs und seiner Entwicklung nur sehr schwer in die österreichische Kunstlandschaft einzuordnen. Er besuchte die Grazer Kunstgewerbeschule und wurde 1940 in die Wehrmacht eingezogen. Mit Hans Fronius war Rogler als Kriegsmaler in Deutschland, Österreich, Italien, Jugoslawien, Griechenland und der UDSSR eingesetzt. 1941 wurde ihm ein Studium an der Akademie Zagreb gestattet, 1942 organisierte er Wehrmachtsausstellungen in Salzburg, Innsbruck, Graz, Klagenfurt, St. Gilgen und Landeck. 1944 konnte er in Italien desertieren und es gelang ihm die Flucht in die Schweiz. In Basel lernte er in der Folge Hans Arp, Max Ernst, Meret Oppenheim und andere Künstler kennen, die wohl einen gewissen Einfluss auf seine Arbeiten haben sollten. Überhaupt zeigt, wie in der Ausstellung nachzuvollziehen, das Werk Roglers in den 1940er Jahren deutliche Bezüge zu Formen des Surrealismus und Dada, etwa eine mit Stempeln und Zeichnung ausgeführte Postkarte, die er an Werner Augustiner schickte, mit dem er in der Kriegszeit korrespondierte – „Lieber Augerl …“ beginnt etwa ein ebenfalls ausgestellter Brief.
Nach Kriegsende studierte er an der Kunstschule Basel. Er kehrt 1947 nach Graz zurück und wird Mitglied der Sezession. 1948 bis 50 besucht er die Wiener Akademie bei Albert Paris Gütersloh. 1976 bis 1980 war Ernst Rogler Leiter der Meisterschule für Malerei an der HTBL in Graz.
Die Ausstellung in der Hofgalerie führt durch Roglers Werk, beginnend mit 1936 bis 1979, und zeigt Malerei, Grafik und Skulptur. Das früheste bekannte Bild, das Rogler im Alter von 15 Jahren in Öl auf Karton gemalt haben muss, trägt den Titel Mädchen und erinnert an Picasso und Matisse. Überhaupt finden sich bei Rogler Einflüsse beinahe aller Strömungen der Moderne: metaphysische, surrealistische, konstruktivistische, suprematistische und abstrakte. An etlichen Beispielen werden seine Auseinandersetzungen mit Formen von Kandinsky, Max Ernst, Klee, Dalí, De Chirico oder Miró deutlich.

Notopia von Ernst Koslitsch (Studio) und Franz Rogler, Surrealist (Hofgalerie) sind bis zum 17. August in der Neuen Galerie Graz zu sehen. Informationen unter www.neuegalerie.at.

Wenzel Mraček

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