Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Beispiele neuer Kunst im öffentlichen Raum
Montag, 7. Juli 2008
Schon im September 2000 nahm sich die Künstlervereinigung und Kunstinitiative Intro-Graz-Spection mit ihrem Projekt Passionsspiel einer Synthese zweier Weltmodelle – Kunst und Fußball – an.

60 KünstlerInnen bezogen damals auf dem GAK-Platz mit ihren Arbeiten Stellung zur Profanität der Glaubensfrage. Gerade noch zu sehen dagegen ist eine Installation mit dem Titel Unbespielbar 1:13, die auf Initiative von Intro-Mastermind Christian Marzcik auf einer Verkehrsinsel vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen (Marburgerkai / Kaiserfeldgasse) anlässlich der Fußball-Europameisterschaft 08 realisiert wurde. An den Dimensionen des Spielfelds der Grazer UPC Arena (105 x 68 m) nahm der junge oberösterreichische Künstler Wolfgang Bretter Maß und errichtete aus weißen Holzbalken ein abstrahiertes Modell im Verhältnis 1:13. Die Spielfeldmarkierungen befinden sich bei Bretter außerhalb der Outlinien, die Tore sind entsprechend schmal und die Netze auf das unbespielbare Feld gerichtet. BetrachterInnen bleibt die Assoziation an die bekannte Form des Spielfeldes, die Form an diesem Ort aber lässt ebenso an lange Zeit nicht erklärbare Kornkreise denken.

Intervention in vier Akten. „Markierungen“ an der Fassade des Grazer Künstlerhauses nimmt Christian Eisenberger vor. Wie schon im Vorjahr mit Interventionen von Wolfgang Becksteiner soll das Künstlerhaus auch heuer während Phasen des Auf- und Abbaues von Ausstellungen „ununterbrochen senden“, wie der künstlerische Leiter Univ.-Doz. Dr. Werner Fenz formuliert. Eisenbergers Kunst zeigt sich durchwegs als obsessiv und verstörend, wenn er etwa als Clown mit umgeschnallter Sprengstoffgürtel-Attrappe durch die Straßen läuft oder bei Vernissagen auftritt. An der „Haut“ des Künstlerhauses bringt Eisenberger Selbstporträts an, die wie Kokons aus Klebeband in einer Prozedur des Ver- und Entpuppens vom eigenen Körper abgenommen sind. Einige der Kokons sind derzeit auch in der Galerie der Katholischen Hochschulgemeinde in einer gemeinsamen Ausstellung mit Michael Gumhold zu sehen. Die Intervention Eisenbergers am Künstlerhaus nennt er 4 T-Akter, weil sie in vier Phasen ausgeführt beziehungsweise modifiziert und erweitert wird: Nach der inzwischen erfolgten noch vom 21. bis 30. Juli, vom 8. bis 17. September und vom 27. Oktober bis 5. November.

Windspiel wird Lichtspiel wird Windspiel. Lichtspiel Spielfeld wurde als Symbol für Durchlässigkeit, Grenzenlosigkeit und als spielerisches Signal in der Landschaft in den 1980er Jahren von der in Graz geborenen und in Wien lebenden Künstlerin Renate Kordon konzipiert. Nachdem Kordon mit dem Lichtspiel einen geladenen Wettbewerb gewinnen konnte, wurde die 76 x 16 Meter große Raumskulptur mit beweglichen, von Solarenergie betriebenen Teilen 1990/91 über dem Dach der Zollabfertigung Spielfeld errichtet. Aufgrund der Bestimmungen des Schengenabkommens, der damit verbundenen Demontage von Zollabfertigungsgebäuden, aber auch, weil sich herausstellte, dass aufgrund des technischen Zustandes des Lichtspiels Gefahr in Verzug bestand, wurde im November des Vorjahres mit dem Abbau dieses größten öffentlichen Kunstwerkes in Österreich begonnen. Das Lichtspiel ist Eigentum der Republik Österreich und wird im Rahmen ihrer Tätigkeit von der Autobahngesellschaft ASFINAG verwaltet. Nach Interventionen und Recherchen der Künstlerin stellte sich heraus, dass Lichtspiel als Denkmal geschützt ist, und es kam zur gütlichen Lösung. Die Geschäftsführung der ASFINAG finanzierte die Restaurierung durch eine Stahlbaufirma unter Mitarbeit von Renate Kordon, und das Denkmal wurden voll funktionsfähig wieder aufgebaut. Zudem werden nun die beweglichen Teile nicht mehr von Solarstrom betrieben, sondern ganz im Sinn des ursprünglichen Konzepts, das damals technisch nicht realisierbar war, durch Wind bewegt. Und so heißt das vormalige Lichtspiel jetzt Windspiel Spielfeld.

Im Vorüberfahren. Aus drei Gestaltungselementen besteht die Schall-Wall-Installation der Grazer Alfred Resch und Arnold Reinisch an der Wechselbundesstraße am Ortsende von Gleisdorf: Die Zeichen „+“ und „-“ sind als Relief über den gesamten Wandteil auf 210 Metern Länge verteilt und verweisen auf elektrische Polung, Energiepotenzial, Energiefluss und indirekt auf den Titel Solarhauptstadt Europas, den Gleisdorf seit 2001 führt. Ein zweites Element besteht aus Bildtafeln, die für einen Zusammenhang mit Solarenergie stehen: vergrößerte Solarzellen, Kristallstrukturen. Und schließlich führt eine Objektinstallation aus Satellitenantennen zum Titel des Ensembles. Der Auftraggeber, das Verkehrsreferat des Landes Steiermark, nennt die Schall-Wall-Installation in einer Presseaussendung mit Verweis auf das örtliche Verkehrsaufkommen eine „Ausstellung mit jährlich fünf Millionen Besuchern“.

Elektrochemisches Environment. Mit dem Klingensteiner Achteckstadel, einem bemerkenswerten Zeugnis anonymer Volksarchitektur des 19. Jahrhunderts in Vasoldsberg, korrespondiert eine Medienskulptur mit dem Titel Window. Entwickelt von Werkstadt-Graz-Leiter Joachim Baur und realisiert in Zusammenarbeit mit dem Institut für Kunst im öffentlichen Raum, steht Windows am Ortsende an der Vasoldsbergstraße, in etwa 200 Metern Entfernung vom Achteckstadel. Die Konstruktion aus Kupfer und Eisen, in der die Ziegelbauweise der Lüftungsfenster (window kommt vom altisländischen vindauga, Windauge) des Stadels übernommen wurde, funktioniert wie eine Batterie und erzeugt genug Strom, um Signale an http://window.mur.at zu senden. Eine sich selbst erhaltende Idealwiese, angelegt in Kooperation mit der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Gumpenstein, ergänzt das Ensemble vor Ort, während eine Nachbildung von Albrecht Dürers Großem Rasenstück (1503), einem historischen Beispiel für die Verbindung von Kunst und Forschung, auf einem Ziegelobjekt aufgebracht ist, das die Arbeit im öffentlichen Raum als Edition begleitet.

Den Grazer Kinderfreunden. Einen Dialog zwischen Kunst und Natur vollzieht der Grazer Fedo Ertl mit seiner sechsteiligen Skulptur 100 im Grazer Volksgarten und an der Schloßbergmauer. Ein Großteil von Ertls Arbeiten steht in einem Bezug zur Geschichte der Stadt beziehungsweise thematisiert der Künstler den Lebensraum der Bürgerinnen und Bürger. Beispielsweise legte er nach intensiver Recherche im Projekt 38/83 einen Teil einer Mauer in der Alberstraße frei, die mit Ziegeln der 1938 zerstörten Synagoge errichtet worden war; er verkleidete die allegorische Figur der Mur am Erzherzog-Johann-Brunnen 1985 mit einem kubistischen Gebilde als Aufforderung zur Einlösung des politischen Versprechens, die schon gefährlich verschmutzte Mur zu klären.
Aus Anlass des hundertjährigen Bestehens der Organisation Die Kinderfreunde regte das Institut für Kunst im öffentlichen Raum nun die Errichtung eines Denkmals an, das der zeitgenössischen Interpretation des Begriffes gerecht wird. Als Modell für einen Bronzeguss wurde eine Scheibe aus dem Stamm eines mehr als hundert Jahre alten Ahornbaumes verwendet. Nahe der Skaterbahn im Volksgarten ist das Bronzeobjekt mit den sichtbaren Jahresringen von einer Edelstahlscheibe mit 400 Zentimetern Durchmesser umfasst, darin ist ein 100-Grad-Kreissegment eingepasst, worauf die sieben wichtigsten Ereignisse der Geschichte der Kinderfreunde als Text eingeätzt sind. Die Texte wiederum korrespondieren mit den Jahresringen. Ein anderes Kreissegment in Form einer Edelstahlscheibe vor dem Hauptwasserbecken im Park trägt den Text Einhundert Jahre Kinderfreunde 2008. Im Zentrum wurde ein Blutahorn gepflanzt, dessen Stamm in hundert Jahren die Öffnung der Stahlplatte ausfüllen wird. An der Schloßbergmauer, in Sichtrichtung Türkenbrunnen und hundert Meter entfernt vom Uhrturm, befindet sich eine Tafel in Form der Kreissegmente. Eingeätzt sind zwei Richtungsweiser und Texte, die an den Gründer der Kinderfreunde, Anton Afritsch, erinnern. Steht man vor dieser Tafel, zeigen die Richtungspfeile über die Anton-Afritsch-Gasse zum Korrespondenzobjekt im Volksgarten und zum Anton-Afritsch- Kinderdorf am Steinberg bei Graz.

Ein Denkzeichen für Aflenz. Zur Umsetzung eines Denkzeichens auf dem Areal des ehemaligen KZ-Außenlagers von Mauthausen in Aflenz bei Leibnitz hat das Institut für Kunst im öffentlichen Raum einen internationalen Wettbewerb ausgeschrieben. Alle eingereichten Arbeiten sind in einer Ausstellung im Untergeschoß des Grazer Künstlerhauses bis zum 24. August zu sehen. Die Wiener Künstler Helmut und Johanna Kandl konnten die Jury von ihrem Konzept WÄCHTERHAUS überzeugen, das im Artikel von Heimo Halbreiner  auf Seite 18 erläutert wird.

Wenzel Mraček

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