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BürgerInnen-Debatte über Gefahren und Chancen der Gehirnforschung
Archiv - Wissenschaft und Forschung
Montag, 10. April 2006
Image Dr. Barbara Streicher (ScienceCenter Netzwerk, li), Dr. Christa Neuper (Uni Graz) beim Grazer playDECIDE-Organisationstag „Neurowissenschaften"

DECIDE – „DEliberate CItizen DEbate" – abwägende BürgerInnendebatte – nennt sich eine spielerische Methode, mit deren Hilfe sich Interessierte eine Meinung zu sensiblen Themen – etwa umstrittenen wissenschaftlichen Methoden – bilden können.

„Bei ,Decide‘ handelt es sich eigentlich um eine gelenkte Diskussion, die als Spiel ,getarnt‘ ist", sagt Dr. Christa Neuper, Professorin am Psychologieinstitut der Universität Graz und Vorsitzende der Initiative Gehirnforschung Steiermark. In Zusammenarbeit mit dem Wiener Verein ScienceCenter Netzwerk – einer Initiative von Präsidentengattin Margit Fischer – hat Neuper eine solche Debatte über ihr eigenes Fachgebiet in Graz organisiert, bei „Decide on neuroscience" ging es vornehmlich um die Bedingungen, unter denen so genannte „Enhancement"-Methoden zur Verbesserung der Leistungen des menschlichen Gehirns – etwa zur Steigerung von Gedächtnis, Intelligenz, Aufmerksamkeit, Kreativität oder gar Geselligkeit – erlaubt sein sollten.

Die Methode: Unter der Leitung eines/r Organisators/in wählen die MitspielerInnen Informationskarten und Fallbeispiele, die ihnen besonders wichtig erscheinen, und präsentieren diese der Runde. Dazu werden Themenkarten ausgewählt, die sensible Fragen enthalten – etwa: „Macht es einen Unterschied, eine Elektrode im Gehirn zu haben oder eine Pille zunehmen?" In der folgenden Diskussion können wieder Karten aufgelegt werden, die – entsprechend der Meinung des jeweiligen Mitspielers – Argumente pro oder contra enthalten. Abschließend werden die Meinungen der Runde zu zentralen Fragen in einem Diagramm eingetragen.

WissenschafterInnen sollen entscheiden. In der Gruppe, an der die beiden Psychologiestudentinnen Conny und Sylvia teilgenommen haben, wurde leidenschaftlich darüber debattiert, ob die Verabreichung von Mitteln zur Leistungssteigerung des Gehirns ethisch gerechtfertigt sei. „In unserer Diskussion gab es Übereinstimmung darüber, dass Menschen mit solchen Methoden nicht zu Maschinen deformiert werden dürfen", sagt Sylvia. „Allerdings: Wenn ein solches Medikament eine Leistungssteigerung bei einer Prüfung verspricht, könnte dem wohl niemand widerstehen." Die Gruppe sei zum Ergebnis gelangt, dass „Enhancement"-Methoden o.k. seien, so lange „objektive wissenschaftliche Instanzen" über ihren Einsatz befänden und nicht das Streben nach Profit.

Internationale Ergebnisse. Die „Debate"-Methode sei ursprünglich in England zur Politikberatung entwickelt worden, erläutert Dr. Barbara Streicher vom ScienceCenter Netzwerk. Inzwischen existieren bereits Unterlagen zu sechs aktuellen wissenschaftlichne Schwerpunkten, die schwer wiegende ethische Fragen aufwerfen: HIV-Aids, Nanotechnologie, Präimplantationsdiagnostik, Stammzellen, Neurowissenschaften und Transplantationstechniken. Ein Blick auf die Homepage www.playdecide.org zeigt: Die Methode findet nicht nur in vielen europäischen Ländern Anklang – auch in den USA, Südafrika, Israel und Kanada fanden bereits „Decide"-Diskussionsrunden statt. Das ermöglicht interessante Einblicke in die durchaus unterschiedlichen Positionierungen. So fand die überwältigende Mehrheit der polnischen MitspielerInnen, der Markt reiche als Regulierungsmechanismus für die Anwendung von Brain-Enhancement-Methoden aus – eine Position, die etwa in Graz scharf abgelehnt wurde. 

CS

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